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Produktdetails
  • Verlag: Engeler
  • Seitenzahl: 131
  • Deutsch
  • Abmessung: 185mm
  • Gewicht: 246g
  • ISBN-13: 9783905591934
  • ISBN-10: 3905591936
  • Artikelnr.: 14880052

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Autorenporträt
Maurice Blanchot (1907 - 2003) gilt als einer der herausragendsten französischen Schriftsteller und Denker der letzten 50 Jahre. Am engsten befreundet mit Georges Bataille und Emmanuel Levinas, hat er maßgeblichen Einfluss ausgeübt auf Autoren wie Foucault, Deleuze, Derrida, Nancy, aber auch auf Dichter und bildende Künstler.

Jürg Laederach wurde 1945 in Basel geboren, wo er auch heute noch als freier Schriftsteller und Übersetzer lebt und arbeitet. Er studierte Mathematik in Zürich und Romanistik, Anglistik und Musikwissenschaften in Basel. Jürg Laederach wurde bereits mehrfach ausgezeichnet und ist korrespondierendes Mitglied in der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Jürg Laederach wurde mit dem Italo-Svevo-Preis 2005 ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Joseph Hanimann ist hingerissen von der Erzählung, aber auch der Übersetzung durch Jürg Laederach. Der nämlich sei mit einer "offensichtlichen Affinität" zu Maurice Blanchot an die Arbeit gegangen und hält laut Hanimann genial die "Balance zwischen Texttreue und authentischer Nacherfindung". Über manche Entscheidung freilich könnte der Kritiker mit Laederach auch streiten, was für ihn jedoch ein weiteres Zeichen für die Qualität dieser Übertragung ist. Im Buch selbst, Hanimann zufolge 1957 zuerst erschienenen, geht es um das verschwundene Subjekt, das nur noch im Reflex von "Ereignisspuren" wie Blicken, Gedankenspielen, inneren oder erinnerten Dialogen für Blanchot überhaupt erzählbar gewesen sei. Das Wiederlesen des Textes fast fünfzig Jahre nach seinem Entstehen lässt den Rezensenten unwillkürlich an heutige Debatten zum "Neohumanismus" denken.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Auch Gott braucht Zeugen
Maurice Blanchots frühe Erzählung "Der letzte Mensch"

Der "Mensch" wurde schon öfter zu Grabe gelegt, zuletzt bei Foucault, Derrida und Deleuze in den siebziger Jahren. Die Theorie eilte damals der Wirklichkeit voraus. In diesem 1957 erstmals erschienenen, 1977 überarbeiteten Text ist der "letzte Mensch" tot, bevor er stirbt, zumindest für den Erzähler. "Da, ein Zimmer, falls Sie eins wollen" - wird diesem beim Entlanggehen im Flur vor der entsprechenden Tür gesagt. Der Bewohner sei gerade gestorben. Die Endgültigkeit dieser Tatsache drängt ihre Vergangenheit der ganzen Erzählung auf, mag diese auch selbst schon in der Vergangenheitsform stehen. Das Wand-an-Wand-Wohnen mit dem unbekannt-allzubekannten Sterbenden wird so in ein Plusquamperfekt gedrängt, das die Handlung nicht in der Zeitordnung von Vorher und Nachher beleuchtet, sondern in einer Art gewesener Allgegenwart ausblendet. Dasselbe gilt für den Ort. Es gibt zwar eine klare Zimmertopographie zwischen dem Raum des offenbar lungenkranken Professors, dem des Erzählers und dem der jungen Frau eine Tür weiter, der Dritten im Bunde. Wer aber jeweils an wessen Zimmer vorbeigeht in diesem ewigen Kommen und Gehen der Gedanken, ja wer in den Gedanken des anderen den dritten mitdenkt, bleibt offen.

Der vor drei Jahren gestorbene Maurice Blanchot hat die narrative Ereignisabstraktion auf die Spitze getrieben. Sein in Frankreich fast schon als klassisch geltendes Verfahren, nicht Ereignisse selbst, sondern nur Ereignisspuren in Blicken, Gedankenspielen, Verhaltensstörungen, inneren oder erinnerten Dialogen zu erzählen, ist in Deutschland noch immer nicht richtig bekannt. Die von Engeler unternommene Edition von Blanchots erzählenden Werken in der Übersetzung Jürg Laederachs, die im Vorjahr mit dem Band "Im gewollten Augenblick" begann, ist ein Glücksfall für alle, die sich auch in literarische Randgebiete vorwagen.

Wohl ließe sich mit dem Übersetzer um einzelne Wendungen, manche schöpferische Freiheiten, um mitunter etwas zu scharfe Stilakzente oder - ganz selten - fragwürdige Sinngebungen im Detail streiten. Daß dies überhaupt möglich ist, weil hier ein Schriftsteller mit einer soliden Kenntnis und einer offensichtlichen Affinität zum Autor sowie einer eigenständigen, fundierten Auslegung am Werk war, wiegt solche Vorbehalte aber mehr als auf. Über weite Strecken sind Laederachs Lösungen genial in der Balance zwischen Texttreue und authentischer Nacherfindung aus dem deutschen Sprachgestus. Näher kann man die Erzählliteratur Maurice Blanchots einem deutschen Leser kaum bringen. Das fast stammelnde Sprechen des Professors im Buch, das mit verstörender Geschwindigkeit hinter Worten andere Worte tarnt, erlaubt dem Erzähler überhaupt erst, in den entsprechenden Verzögerungspausen Momente seines eigenen Selbstbewußtseins unterzubringen. Und das von Blanchot dafür benutzte Bild von der Schleuse wird vom Übersetzer geschickt zu dem von der gegenseitigen Angleichung der persönlichen Pegelstände erweitert, wo das Original nur von Niveauangleichung ("nous changions de niveau avec nous-mêmes") spricht.

"Selbst ein Gott braucht einen Zeugen", heißt es an einer Stelle. Der Erzähler, in gespannter Komplizenschaft mit der ebenfalls zum Professor in Beziehung getretenen jungen Frau, phantasiert sich zunächst in die Rolle dieses Zeugen hinein. Dann dämmert ihm aber, daß diese Geschichte sich möglicherweise ohne Zeugen abspielt. Sein eigenes "Ich" erwacht unter dem Einfluß des alles vereinnahmenden Zimmernachbars als ein "Wir" und döst als ein "Wer eigentlich?" weiter. Darum hält der Erzähler sich wohl so inständig an die Frau im Bergsanatorium, die allein vielleicht das Geheimnis seiner doppelten Abwesenheit kennt: als Figur, als Erzähler.

Der "letzte Mensch", der die anderen hier in seine gesichtslose Letztendlichkeit hineinzieht, läßt bei der heutigen Lektüre unwillkürlich Bezüge zu unseren aktuellen Menschheitsdebatten zwischen Neohumanismus und genetischer Keimbahnkombinatorik entstehen. Die philosophische Humanismuskritik von Blanchots Zeitgenossen Foucault oder Deleuze war dem Epochenbewußtsein voraus, das damals noch unter dem Horizont eines humanistischen Menschensubjekts stand. Inzwischen hat sich die Situation umgedreht. Die wissenschaftlich entschlüsselte Realität dringt ins Alltagsbewußtsein ein, und die Literatur ist bemüht, dafür letzte menschliche Restbilder zu liefern. Wie hingegen ein "Wesen ohne Schicksal und ohne Wahrheit" literarisch aussehen könnte, bildet dieses Buch eindrücklich bildlos ab.

Maurice Blanchot: "Der letzte Mensch". Erzählung. Aus dem Französischen übersetzt von Jürg Laederach. Edition Urs Engeler, Basel/Weil am Rhein 2005. 132 S., geb. 17,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung

Auf der Wippe des Verschwindens
Maurice Blanchot und seine Erzählung „Der letzte Mensch”
Wenn der Philosoph Maurice Blanchot unter die Erzähler ging, verdichtete er die französischen Theoriedebatten der Nachkriegsjahrzehnte zur Rede eines Ichs, das sein eigenes Ende überlebt hat. Die Erzählung „Le dernier homme/Der letzte Mensch” teilt mit Samuel Becketts „Endspiel” nicht nur Zeit und Ort des Erscheinens. Becketts Theater, das in seinen stummen und sprechenden Figuren die Abschließbarkeit des Seins mit der Unabschließbarkeit der Bewusstseinstätigkeit konfrontiert, benennt vielmehr auch Voraussetzungen von Blanchots Erzählen. Den Grundstein für Blanchots Text legt dabei die anonyme Erzählstimme mit der Erschaffung des letzten Menschen. Der Beginn des Sprechens erscheint dabei als Schwelle zwischen der reinen Intentionalität und dem sprachlichen Ausdruck, dessen Instrument die Stimme ist. Es entspinnt sich ein selbstherrliches Spiel zwischen Sinn und Nichtsinn, das die Tendenzen der Sprache zu Einheitsstiftung und Sinnbildung immer wieder eigensinnig unterläuft.
Plötzlich ein Klavier
Kaum ist der letzte Mensch auf der Welt, wird er zum Professor ernannt und aufwendig untergebracht. Im Handumdrehen entsteht ein Schloss mit Salons, Bibliothek und Park. Und weil schon in der ersten aller Welten auf Adam Eva folgte und in der letzten die Worte die Allmacht des abhanden gekommenen Schöpfergottes besitzen, wird im nächsten Satz ein Klavier in den Salon praktiziert und an das Klavier eine junge Frau gesetzt, die den Professor mit ihrem Spiel unterhält.
Zu den beiden Figuren unterhält die Schreibinstanz merkwürdig instabile Beziehungen. Eben war der Professor noch ein diskreter, bescheidener Mensch. Da führt die gewonnene Nähe zum Gefühl der Nötigung, zu Hass und Racheplänen. Ist die Distanz wiederhergestellt, folgt garantiert das Dementi. In der Wechselbewegung von Behauptung und Widerruf, die den Text durchzieht, artikuliert sich ein ungebundenes, keiner Instanz außerhalb seiner selbst verpflichtetes Bewusstsein, das sich in der Beziehung zu den Dingen konstituiert und auf die Distanz zu ihnen angewiesen ist. Seine Hervorbringungen haben die Unverbindlichkeit eines Spiels im raschen Verfall der Sprechaugenblicke.
Mit jedem Satz setzt der Erzähler eine neue Gegenwart, in der die gemeinsame Präsenz der Figuren durch Rückbezüge immer neu wiederhergestellt werden muss. So endet das erste Kapitel mit der Abschiedsszene des sich in Orpheus verwandelnden Erzählers, der in die Zukunft aufbricht, während die junge Frau in der Rolle Eurydikes ins Dunkel der Vergangenheit zurücksinkt. Der Professor hingegen, der seine Eifersucht auf sich gezogen hatte, ist sang- und klanglos vergessen worden.
Auf sich selbst gestellt, wendet sich das Bewusstsein einem nun gestaltlosen Gegenüber zu, mit dem es nur noch den endlos sich dehnenden Raum teilt: dem Gedanken. Die Unverfügbarkeit des eigenen Grundes hat zur Folge, dass das durchaus wechselvolle Zusammenleben von Bewusstsein und Gedanke zwar auf ein Ziel zuzulaufen scheint, aber ein Geschehen ohne Ende ist. Der letzte Mensch war noch vorstellbar, der letzte Gedanke ist es nicht mehr. Die Stille und Leere am Ende aller Dinge durchlebt das Erzähl-Ich, wenn es sich dem Denken überlässt, ohne Gefühle des Schmerzes. Das Glück aber, jederzeit zu den Worten in Beziehung treten zu können, überlebt selbst die Katastrophe von Tod und Ewigkeit, die darin besteht, dass es so weitergeht.
Man muss dem vor drei Jahren im Alter von 95 Jahren in Paris gestorbenen Maurice Blanchot in seine Theoriewelten der „Posthistorie” nicht folgen, um die Mühelosigkeit zu bewundern, mit der er die Tauglichkeit der poetischen Sprache für die Vermittlung von Wissen erprobt, in diesem Fall der nachhegelianischen Bewusstseinsphilosophie. Dass die Zeit gekommen sei, die Literatur zu entpopularisieren, weil ihr die Leser längst schon davongelaufen seien, davon war er felsenfest überzeugt. Jürg Laederachs gewandte, leicht lesbare Übertragung stützt sich auf die zweite Fassung des zuerst 1957 in Paris erschienenen Buchs. SIBYLLE CRAMER
MAURICE BLANCHOT: Der letzte Mensch. Erzählung. Aus dem Französischen von Jürg Laederach. Urs Engeler Editor, Basel, Weil am Rhein, Wien 2005. 128 Seiten, 17 Euro.
Zeitlebens mochte der Philosoph und Schriftsteller Maurice Blanchot nicht photographiert werden. Sein Haus sieht aus, als sei es mit dem Besitzer einig.
Foto: Jean Claude Couval/Opale
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