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Der ehemalige CIA-Agent David Kurtz reist nach Chile, um den früheren Geliebten seiner Tochter zu finden. Die einzige Spur: das Tagebuch des Mannes, der 1973 Salvador Allendes Koch und Freund war. Dieser Rufino hat darin sowohl ihre gemeinsame Geschichte als auch die dramatischen Ereignisse vor Allendes Sturz festgehalten. Für Kurtz beginnt eine Suche, die ihn auch in die Abgründe der eigenen Vergangenheit führt.

Produktbeschreibung
Der ehemalige CIA-Agent David Kurtz reist nach Chile, um den früheren Geliebten seiner Tochter zu finden. Die einzige Spur: das Tagebuch des Mannes, der 1973 Salvador Allendes Koch und Freund war. Dieser Rufino hat darin sowohl ihre gemeinsame Geschichte als auch die dramatischen Ereignisse vor Allendes Sturz festgehalten. Für Kurtz beginnt eine Suche, die ihn auch in die Abgründe der eigenen Vergangenheit führt.
Autorenporträt
Ampuero, Roberto
Roberto Ampuero, 1953 in Valparaíso, Chile geboren, ist einer der erfolgreichsten Autoren seines Landes. Nach Aufenthalten in Kuba, der DDR und der BRD lebte er lange Jahre in den USA, wo er an der University of Iowa lehrte. Seit 2012 ist er chilenischer Botschafter in Mexiko. Sein Werk, in zahlreiche Sprachen übersetzt, wurde mehrfach ausgezeichnet. »Der letzte Tango des Salvador Allende« stand wochenlang auf Platz 1 der chilenischen Bestsellerlisten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2013

Tanz mir den Presidente
Legendenbildung im Tangoschritt: Der chilenische Autor Roberto Ampuero verklärt die letzten Tage von Salvador Allende

Wenn der Präsident nicht gerade für sowjetische Kredite und gegen Versorgungsnotstand, Putschgerüchte und streikende Fernfahrer kämpft, wenn er nicht über Che, Fidel und den Weltimperialismus sinniert, hört er heimlich Schnulzen. Gemeinsam mit Rufino, seinem Koch, zieht er sich in sein Privathaus in Santiagos Thomas-Morus-Straße zurück, um, passend zu diesem Namensgeber, seine kleine private Utopie zu leben: die Freiheit im Tanzschritt zu Tangos mit verschlüsselt klassenkämpferischen Texten.

Diese überraschende Entdeckung macht David Kurtz, CIA-Agent im Ruhestand, als er sich einige Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges - und damit seiner Lebensmission - aus dem heimischen Minneapolis auf die Suche nach seiner eigenen Geschichte macht. Anlass ist der Krebstod seiner einzigen Tochter. An den Schläuchen der Intensivstation ringt sie ihm das Versprechen ab, ihre Asche in Chile zu verstreuen und dort nach ihrer chilenischen Jugendliebe Aníbal zu suchen. Den musste sie nach dem Pinochet-Putsch zurücklassen, als die Familie das Land verließ.

Als einzigen Anhaltspunkt gibt sie dem Vater ein Tagebuch mit auf den Weg. Kurtz beginnt es zu lesen, mit wachsender Spannung, aber auch Ratlosigkeit. Kein Weg scheint von dem Tagebuch zu dem ihm bislang unbekannten Liebhaber der Tochter zu führen. Sein Autor heißt Rufino, ist Bäcker in Santiago und einstiger Gefährte Allendes aus seinen anarchistischen Lehrjahren. In den letzten, krisengeladenen Tagen seiner Präsidentschaft bittet Allende den treuen Rufino, sein persönlicher Versorgungs- und Küchenchef zu werden. Dabei entdecken beide ihre gemeinsamen Leidenschaften: Schach und Tango. Aber auch ihre hitzigen Differenzen privater wie politischer Art, die Rufino säuberlich in sein Tagebuch notiert.

Ist es authentisch? Ist es ein literarisches Rollenspiel? Und wie mag es in die Hände der Tochter gelangt sein? Fragen, die David Kurtz auf seiner Suche in einem Chile umtreiben, das zwei Jahrzehnte später fast nichts mehr mit dem Land gemein hat, das er zur Zeit seiner dortigen Mission kannte. So entspinnt sich die Handlung von Roberto Ampueros Roman "Der letzte Tango des Salvador Allende" als ständige Parallelmontage zwischen den siebziger und den neunziger Jahren, zwischen Rufinos Tagebuch und Kurtzs Bericht, der zusehends abenteuerliche Züge annimmt: von einer Liebesaffäre des alten Agenten mit einer jungen Wahrsagerin bis hin zu einer Expedition ans Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, wo ihn ein auch nach dem Mauerfall noch aktives DDR-Untergrundnetzwerk kommunistischer Chilenen gefangen nimmt und im Keller des Hauptbahnhofs windelweich prügelt.

Vielleicht mag es den dabei erlittenen Kopfverletzungen geschuldet sein, dass ausgerechnet der Geheimagent die völlig offenkundig zutage tretenden Indizien übersieht und sich in rührender Unbeholfenheit Fragen stellt, die jeder halbwegs krimierfahrene Leser bereits über hundert Seiten vor dem Ende längst entschlüsselt hat. Bis endlich auch Kurtz zu der scharfsinnigen Erkenntnis kommt, dass nicht alle Sozialisten böse sind, nicht alle Amerikaner gut und dass die Welt in Wahrheit mehr ist als eine Shopping Mall in Minneapolis. Noch spektakulärer sind seine Anfälle von Selbsterkenntnis: "Auch Leute wie ich haben ein Herz. Wir sind nicht die Monster, für die uns die Kommunisten halten."

Kein Klischee scheuend, verbindet Ampueros Roman ressentimentgeladene Kolportage mit Allende-Hagiographie, garniert mit behutsam maskiertem neoliberalem Revisionismus und brachialen historischen Schnitzern: Tango-Legende Roberto Goyeneche - der erst in den achtziger Jahren seine Weltkarriere erlebte - wird bereits 1973 für tot erklärt; Celia Sánchez, einst mächtigste Frau Kubas, Geliebte und Kampfgefährtin des Comandante, wird zu "Fidel Castros Sekretärin". Als Heftchenliteratur böte dieser pittoresk bunte Mix eine vergnügliche Lektüre. Deprimierend wird die Lektüre nicht nur durch Ampueros stets spürbaren Willen zur Kunst, sondern auch dadurch, dass der Roman und sein Autor zum Exempel einer chilenischen Generation und ihrer Ratlosigkeit werden. Die Zeit des Exils vor 1973 wird künstlerisch und politisch verklärt und verstellt Ampuero, einst Kommunist, dann Renegat, heute amtierender Kulturminister Chiles unter dem konservativen Nochpräsidenten Piñera, so vollständig den Blick auf die Bewegungen der jungen Generationen im Chile von heute. Was von der einstigen Utopie dann noch bleibt, sind Tangos - und die Einsamkeit auf dem Abstellgleis der Geschichte.

FLORIAN BORCHMEYER

Roberto Ampuero: "Der letzte Tango des Salvador Allende". Roman.

Aus dem Spanischen von Carsten Regling. Bloomsbury Berlin, Berlin 2013. 448 S., geb., 18,99 [Euro].

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