Jedes Jahr treffen sich zu Weihnachten drei Einbrecherkönige in der Zürcher Kronenhalle, um ihren nächsten Coup zu planen ... Weihnachten ist das Fest der Geschichten. Genau die richtige Zeit für Ulrich Knellwolf, den Weihnachtsexperten und leidenschaftlichen Erzähler, um von erstaunlichen Dingen zu berichten: von vier Königen, kleinen Sternen und - beinahe - einem Weihnachtskrimi.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.12.2004Debatte mit Erzengeln
Himmelstürvoyeur: Ulrich Knellwolfs Weihnachtsvariationen
Wenn ein Pfarrer ins Erzählen kommt, kann er sich auf den Kopf stellen: Stets wird etwas von dem salbungsvoll belehrenden Ton mitschwingen, den Otto Waalkes als „Mann des Glaubens” im schlechtsitzenden Talar so unnachahmlich parodiert hat. Der Schweizer Theologe und Schriftsteller Ulrich Knellwolf hat sich in seinen Weihnachtsgeschichten sympathischerweise nicht um einen locker-flockigen Duktus bemüht, hat auch thematisch jene Anbiederung an den Zeitgeist vermieden, die in den allermeisten Fällen zwanghaft und peinlich wirkt.
Für Knellwolf sind die biblischen Geschichten ihrer Natur nach ohnehin „weltlich” und darauf angelegt, immer neu variiert und spielerisch umgeformt zu werden, so dass es einer Erweiterung des weihnachtlichen Grundrepertoires gar nicht bedarf.
Der Sammelband „Der liebe Gott geht auf Reisen” enthält denn auch vorwiegend Variationen zum wohl bekannten Motiv- und Figurenkreis rund um Christi Geburt. Die drei Könige haben es dem Autor besonders angetan, ferner der Esel, das verachtete und geplagte heilige Lasttier. Auch wirft Knellwolf gern voyeuristische Blicke hinter die Himmelstür, wo Gott, dem er „ein weises, zugleich unternehmungslustiges und irgendwie trotziges Aussehen” attestiert, mit seinen Erzengeln allerlei Debatten führt. Ein wenig Kriminalistisches muss sein, denn immerhin hat der Verfasser mit dem Erzählband „Tod in Sils Maria” schon so etwas wie einen Klassiker der Krimiliteratur vorgelegt. Maria und Joseph sind ein gemäßigt modernes Liebespaar, die Großeltern Jesu mischen mit, und der eine oder andere Outlaw wird durch den Geist der Weihnacht zum Guten bekehrt.
Unaufdringlich sind die Geschichten, aber auch entschieden weniger aufregend, als wir uns jenes Ereignis vor zweitausend Jahren denken möchten, und am Ende wird manch einer die Parodie herbeisehnen wie den Schnaps nach einer Überdosis Marzipan. Was sagte Pfarrer Otto Waalkes, nachdem er sich auf der Party als „Mann des Glaubens” vorgestellt hatte? „Ich glaube, hier gibt es nichts mehr zu trinken.”
KRISTINA MAIDT-ZINKE
ULRICH KNELLWOLF: Der liebe Gott geht auf Reisen. Weihnachtsgeschichten. Verlag Nagel & Kimche, München 2004. 158 Seiten, 12,90 Euro.
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Himmelstürvoyeur: Ulrich Knellwolfs Weihnachtsvariationen
Wenn ein Pfarrer ins Erzählen kommt, kann er sich auf den Kopf stellen: Stets wird etwas von dem salbungsvoll belehrenden Ton mitschwingen, den Otto Waalkes als „Mann des Glaubens” im schlechtsitzenden Talar so unnachahmlich parodiert hat. Der Schweizer Theologe und Schriftsteller Ulrich Knellwolf hat sich in seinen Weihnachtsgeschichten sympathischerweise nicht um einen locker-flockigen Duktus bemüht, hat auch thematisch jene Anbiederung an den Zeitgeist vermieden, die in den allermeisten Fällen zwanghaft und peinlich wirkt.
Für Knellwolf sind die biblischen Geschichten ihrer Natur nach ohnehin „weltlich” und darauf angelegt, immer neu variiert und spielerisch umgeformt zu werden, so dass es einer Erweiterung des weihnachtlichen Grundrepertoires gar nicht bedarf.
Der Sammelband „Der liebe Gott geht auf Reisen” enthält denn auch vorwiegend Variationen zum wohl bekannten Motiv- und Figurenkreis rund um Christi Geburt. Die drei Könige haben es dem Autor besonders angetan, ferner der Esel, das verachtete und geplagte heilige Lasttier. Auch wirft Knellwolf gern voyeuristische Blicke hinter die Himmelstür, wo Gott, dem er „ein weises, zugleich unternehmungslustiges und irgendwie trotziges Aussehen” attestiert, mit seinen Erzengeln allerlei Debatten führt. Ein wenig Kriminalistisches muss sein, denn immerhin hat der Verfasser mit dem Erzählband „Tod in Sils Maria” schon so etwas wie einen Klassiker der Krimiliteratur vorgelegt. Maria und Joseph sind ein gemäßigt modernes Liebespaar, die Großeltern Jesu mischen mit, und der eine oder andere Outlaw wird durch den Geist der Weihnacht zum Guten bekehrt.
Unaufdringlich sind die Geschichten, aber auch entschieden weniger aufregend, als wir uns jenes Ereignis vor zweitausend Jahren denken möchten, und am Ende wird manch einer die Parodie herbeisehnen wie den Schnaps nach einer Überdosis Marzipan. Was sagte Pfarrer Otto Waalkes, nachdem er sich auf der Party als „Mann des Glaubens” vorgestellt hatte? „Ich glaube, hier gibt es nichts mehr zu trinken.”
KRISTINA MAIDT-ZINKE
ULRICH KNELLWOLF: Der liebe Gott geht auf Reisen. Weihnachtsgeschichten. Verlag Nagel & Kimche, München 2004. 158 Seiten, 12,90 Euro.
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"Ulrich Knellwolf weiß durch spannende, doppelbödige Geschichten bestens zu unterhalten. Doch haben seine Bücher eine tiefere Dimension: Es geht in ihnen um jene menschliche Verstrickung, die mit der Geschichte von Kain und Abel begann." Die Welt
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
In ihrer knappen Kritik zeigt sich Kristina Maidt-Zinke eigentlich ganz angetan von diesen Geschichten rund um Weihnachten, die der Schweizer Theologe und Schriftsteller Ulrich Knellwolf erzählt. Sie findet es sehr "sympathisch", dass sich der Autor weder um einen "locker-flockigen" Ton noch um eine Annäherung an den "Zeitgeist" bemüht, sondern seine Geschichten um die drei Heiligen Könige, den Esel der Heiligen Familie und Maria und Joseph eher "unaufdringlich" erzählt. Allerdings lässt die Rezensentin durchblicken, dass sie sich ein bisschen mehr Spannung und Aufregung in diesen "Variationen zum wohlbekannten Motiv- und Figurenkreis" hätte vorstellen können und am Ende sehnt sie sich nach einer "Parodie" wie nach einem "Schnaps" nach allzu süßem Essen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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