Wie dachten frühneuzeitliche Menschen über den Frieden, wie über den Krieg, wie über diejenigen, die sich »neutral« aus Kriegen heraushalten wollten? War der Frieden ein Wert an sich? Wurde der Krieg in diesen so wenig friedlichen Jahrhunderten als Normalzustand empfunden? Begünstigte das Konzept der »Ehre« eine kriegerische Grunddisposition der Eliten? Lassen sich Entwicklungstrends im Verlauf der Frühen Neuzeit ausmachen, beispielsweise eine Säkularisierung der Rede über Krieg und Frieden? Wann verdichteten sich Verhaltenserwartungen zu völkerrechtlichen Normen, die das Verlässlichkeitsdilemma internationaler Politik etwas zu dämpfen vermochten? Solchen und weiteren Fragen ist diese umfassende Studie in vormodernen Flugschriften, politologischen Abhandlungen, völkerrechtlichen Publikationen und Akten auf der Spur.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.11.2014Locker gewalzt
Axel Gotthards Studie über
Neutralität in der Frühen Neuzeit
Der Historiker Axel Gotthard, 55, ist in seiner Zunft bekannt für eine flotte Feder. Er hat das Schreiben bei Tageszeitungen wie dem Reutlinger Generalanzeiger und der Gmünder Tagespost geübt. Heute lehrt er unter der Ordinaria Birgit Emich Neuere Geschichte in Erlangen, er forscht in der Frühen Neuzeit und er rezensiert ebenso häufig wie pointiert. Wer von Gotthard verrissen wird, braucht ein dickes Fell. Nun ist er wieder selbst als Autor in Erscheinung getreten: „Der liebe vnd werthe Fried“, eine Studie über „Kriegskonzepte und Neutralitätsvorstellungen in der Frühen Neuzeit“, wie der Untertitel heißt.
Keine Frage, ein interessantes Thema – und ein vielversprechender Autor, der im Vorwort davon schwärmt, wie er als junger Mann im Stuttgarter Hauptstaatsarchiv „tageslichtfreie Fron zwischen dicken Kerkerwänden“ leistete und aus den unbearbeiteten Archivalien Sand rieselte. Das Resultat umfasst 964 Seiten. Doch darin besteht das Problem dieser Arbeit: dass sie etwas breit ausgewalzt ist. Gotthards an sich lockerer Stil wird dadurch zäh, dass er den Lesern jede Volte seiner durch fleißiges Quellenstudium inspirierten Gedankengänge darbieten zu müssen glaubt. „Kaum habe ich versucht, einige Konturen zu ziehen, kommen mir schon wieder Bedenken“, leitet er einen Exkurs des Kapitels „Zur Säkularisierung des Krieges“ ein. Dieser Exkurs mündet dann in Betrachtungen zu islamischem Terror („funktionale Äquivalente für Militärattacken unter den Rahmenbedingungen asymmetrischer Kriegführung“) und der Nato-Intervention im Kosovo.
Gotthard gefällt es, aktuelle Bezüge herzustellen und mit Überschriften wie „Die ,Balance of Power‘, oder: ein Running Gag der Geschichte der Internationalen Beziehungen “ aufzutrumpfen, dass sich dagegen jeder konventionell schreibende Historiker alt vorkommen muss, wenn er den Stil des Kollegen nicht als etwas selbstverliebt abtut. Konzis ist das nicht, was aber nicht konzis ist, wirkt oft: redundant.
Die Neutralität? War zu Zeiten der Glaubenskriege bei vielen geradezu verpönt. Wenn sich ein Fürst für neutral erklärte, war sein Territorium noch lange nicht vor marodierenden Söldnerheeren sicher. Ein Feldherr wie Tilly ignorierte solche Etiketten, wenn er seine Krieger versorgen musste.
RUDOLF NEUMAIER
Axel Gotthard: Der liebe vnd werthe Fried. Kriegskonzepte und Neutralitätsvorstellungen in der Frühen Neuzeit. Böhlau-Verlag, Köln-Weimar-Wien 2014. 964 Seiten, 128 Euro.
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Axel Gotthards Studie über
Neutralität in der Frühen Neuzeit
Der Historiker Axel Gotthard, 55, ist in seiner Zunft bekannt für eine flotte Feder. Er hat das Schreiben bei Tageszeitungen wie dem Reutlinger Generalanzeiger und der Gmünder Tagespost geübt. Heute lehrt er unter der Ordinaria Birgit Emich Neuere Geschichte in Erlangen, er forscht in der Frühen Neuzeit und er rezensiert ebenso häufig wie pointiert. Wer von Gotthard verrissen wird, braucht ein dickes Fell. Nun ist er wieder selbst als Autor in Erscheinung getreten: „Der liebe vnd werthe Fried“, eine Studie über „Kriegskonzepte und Neutralitätsvorstellungen in der Frühen Neuzeit“, wie der Untertitel heißt.
Keine Frage, ein interessantes Thema – und ein vielversprechender Autor, der im Vorwort davon schwärmt, wie er als junger Mann im Stuttgarter Hauptstaatsarchiv „tageslichtfreie Fron zwischen dicken Kerkerwänden“ leistete und aus den unbearbeiteten Archivalien Sand rieselte. Das Resultat umfasst 964 Seiten. Doch darin besteht das Problem dieser Arbeit: dass sie etwas breit ausgewalzt ist. Gotthards an sich lockerer Stil wird dadurch zäh, dass er den Lesern jede Volte seiner durch fleißiges Quellenstudium inspirierten Gedankengänge darbieten zu müssen glaubt. „Kaum habe ich versucht, einige Konturen zu ziehen, kommen mir schon wieder Bedenken“, leitet er einen Exkurs des Kapitels „Zur Säkularisierung des Krieges“ ein. Dieser Exkurs mündet dann in Betrachtungen zu islamischem Terror („funktionale Äquivalente für Militärattacken unter den Rahmenbedingungen asymmetrischer Kriegführung“) und der Nato-Intervention im Kosovo.
Gotthard gefällt es, aktuelle Bezüge herzustellen und mit Überschriften wie „Die ,Balance of Power‘, oder: ein Running Gag der Geschichte der Internationalen Beziehungen “ aufzutrumpfen, dass sich dagegen jeder konventionell schreibende Historiker alt vorkommen muss, wenn er den Stil des Kollegen nicht als etwas selbstverliebt abtut. Konzis ist das nicht, was aber nicht konzis ist, wirkt oft: redundant.
Die Neutralität? War zu Zeiten der Glaubenskriege bei vielen geradezu verpönt. Wenn sich ein Fürst für neutral erklärte, war sein Territorium noch lange nicht vor marodierenden Söldnerheeren sicher. Ein Feldherr wie Tilly ignorierte solche Etiketten, wenn er seine Krieger versorgen musste.
RUDOLF NEUMAIER
Axel Gotthard: Der liebe vnd werthe Fried. Kriegskonzepte und Neutralitätsvorstellungen in der Frühen Neuzeit. Böhlau-Verlag, Köln-Weimar-Wien 2014. 964 Seiten, 128 Euro.
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