Viktor ist Schriftsteller. Als solcher liebt er die Frauen, denn ohne sie fällt ihm nichts ein. Seine Seitensprünge, behauptet er gerne, sind dringend benötigte Inspirationsquellen, nichts anderes. Als seine Ehefrau Ellen ihm geschickt eine Affäre nach der anderen verdirbt, gerät Viktor in eine ernsthafte Schreibkrise, die beider Ehe in größere Turbulenzen stürzt, als es die Liebschaften je gekonnt hätten...
"Der Liebessalat" ist eine wunderbar aberwitzige und turbulente Komödie über die amourösen Abenteuer und Verwicklungen im Leben des Schriftstellers Viktor Goldmann. Dieser, ein Seelenverwandter Woody Allens, versucht mit aller Kraft, das Leben nicht zu ernst und tragisch zu nehmen und die Liebe in all ihren Facetten zu erforschen und auszukosten. Bei den Frauen rennt er damit offene Türen ein. Es sind eher seine (wenigen) männlichen Freunde, die Bedenken gegen seinen Lebenswandel anmelden. Doch am Ende ist es Viktor, der mitsamt seinen Ansichten gestärkt aus allen Anfechtungen hervorgeht...
"Der Liebessalat" ist eine wunderbar aberwitzige und turbulente Komödie über die amourösen Abenteuer und Verwicklungen im Leben des Schriftstellers Viktor Goldmann. Dieser, ein Seelenverwandter Woody Allens, versucht mit aller Kraft, das Leben nicht zu ernst und tragisch zu nehmen und die Liebe in all ihren Facetten zu erforschen und auszukosten. Bei den Frauen rennt er damit offene Türen ein. Es sind eher seine (wenigen) männlichen Freunde, die Bedenken gegen seinen Lebenswandel anmelden. Doch am Ende ist es Viktor, der mitsamt seinen Ansichten gestärkt aus allen Anfechtungen hervorgeht...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.08.2002Schreiben? Nur aus frischer Liebe!
Überall Damen: Joseph von Westphalen wirft Bügelbretter um
In einem Selbstinterview anläßlich seines neuen Romans "Der Liebessalat" teilt der Schriftsteller Joseph von Westphalen seinen Lesern mit, er habe an diesem 479 Seiten starken Opus fast doppelt so lange geschrieben wie am letzten Band seiner bekannten Duckwitz-Trilogie mit ähnlichem Umfang, nämlich ein halbes Jahr.
Vielleicht hätte der Autor besser daran getan, es bei fünf Wochen und den ersten 100 Seiten zu belassen. Dann nämlich hätten wir eine sehr hübsche, sehr amüsante und flotte Geschichte von der Lesereise des Schriftstellers Viktor Goldmann nach Hannover lesen können, bei der er erstens im ICE die kesse junge Nasenring-Tina kennenlernt, zweitens nachts im Hotel die alte Lesereisenliebe Sabine wiedertrifft, die sich einst bei ihm einschmeichelte, indem sie sich ihm mit ebenjener lila Lederhose präsentierte, die er einer seiner Romanfiguren verpaßt hatte; und dazwischen macht, drittens, unser reisender Literat noch die Bekanntschaft einer seiner abendlichen Zuhörerinnen, Rebecca, die ihn mit in die eheliche Wohnung nimmt und hinfort, zunächst nur verbal und später telefon-oral, seine wilde Tscherkessin wird. Dazwischen denkt er aber auch noch an eine Christiane, mit der er in Erfurt "auch eine Nacht auf dem Bett gelegen hatte", an seine zwei Exfrauen Ella und Ira und an seine derzeitige Frau Ellen, und vor allem erinnert er sich immer wieder an die Zürcher Italienischlehrerin seiner Ellen, Penelope Wagner, die er zwar noch nie gesehen hat, aber um so intensiver liebt - das ganze Buch hindurch. Überhaupt liebt Viktor am heftigsten jene Frauen, die gerade nicht zugegen sind, und wenn er so seine Liebesobjekte imaginiert, erledigt er seine Männerphantasien notfalls auch mit ein paar schnellen Handgriffen.
Mag sein, daß ich noch ein paar Damen vergessen habe, die da in Hannover durch Viktors Kopf geisterten - nach und nach tauchen immer wieder neue auf. Die Erinnerungen an sie und die Verwicklungen mit ihnen füllen die dann folgenden 379 Seiten, die freilich längst nicht mehr den typischen Westphalen-Drive der Hannoverschen Lesereise haben; Westphalens "Liebessalat" ist eine wahre Nummernoper, freilich ohne jene Nummern, die man bei diesem Titel sogleich assoziiert.
Dieser "Liebessalat" will aber auch ein vertracktes literarisches Ironiegebäude sein; denn Viktor, hat man den Eindruck, erlebt all seine Liebessalat-Geschichten nur, um darüber zu schreiben; Frauen sind ihm weniger Sexual-, als vor allem ironisierbare Schreib- und Literaturobjekte. Weshalb denn auch die endlosen Liebesbriefe, die er ihnen handschriftlich oder per E-Mail schickt, von ihm sorgfältig kopiert und abgelegt werden. Oder Viktor fertigt Kurzfassungen seiner Korrespondenzen an, um sie in einem seiner nächsten Romane zu verarbeiten.
Aparter- ebenso wie merkwürdigerweise sammelt Viktor diese Notizen über seine vielen, meist verpaßten An- und Ungelegenheiten unter den Namen der adorierten Damen in Kartons auf Bügelbrettern, die das Gästezimmer in der Zürcher Wohnung von Viktor und Ellen füllen. Und so entsteht denn der "Liebessalat" auch tatsächlich, als Viktor eines der Bügelbretter nächtens umstößt und das kippende Brett andere Bügelbretter mitreißt. Wie eine subtile Selbstkritik des Autors klingt, was dann zu lesen ist: "Die Stapel mit den eben noch sorgfältig geordneten Liebesbeweisen lagen in einem wüsten Durcheinander auf dem Fußboden. Ein für Symbole empfänglicherer Mensch hätte diesem Bild der Zerstörung vielleicht die Botschaft entnehmen können, daß die Vielfrauen-Verwertungsmethode an ihrer dilettantisch organisierten Überfülle krankte."
Der Roman leidet nun zwar weder an dilettantischer Organisation noch an weiblicher Überfülle, wohl aber daran, daß man bei Viktors Rückkehr von der Lesereise nach Zürich die Masche des Schreibers und seiner Schriftstellerfigur gänzlich durchschaut hat und der Roman, bei allem Wirbel, den Joseph um Viktor zu entfachen sucht, doch durchzuhängen beginnt.
Immerhin gibt es später doch noch einige Überraschungen, freilich von unterschiedlichem Unterhaltungswert. Ganz witzig ist, wie Joseph von Westphalen seinen Roman mit einer amüsanten Mediensatire würzt, die vorführt, wie aus einem Roman schließlich jener Fernsehfilm wird, den sich die verschiedenen Produzenten und Geldgeber wünschen. Da gleitet unser Autor fast ab in einen televisionären Realismus.
Natürlich ist die Handlung des zum nie verfilmten Drehbuch verkommenen Romans jener von "Liebessalat" verteufelt ähnlich: "Ein Schriftsteller kann nur schreiben, wenn er frisch verliebt ist . . . Dummerweise ist er verheiratet, seine Frau nimmt es hin, denn er macht es diskret. Bisher ist alles gut gelaufen. Dann, durch ein Versehen, durch eine Terminverwechslung, ruft eine seiner Liebsten an, die Ehefrau ist am Apparat, die Liebste kommt ins Plappern, sagt ungeschickt etwas von einem Hotel, schon bietet ihr die Ehefrau des Schriftstellers freundlich das häusliche Gästezimmer an, und es wird nichts mit der Liebesnacht im Liebesnest. Als der Ehemann nach Hause kommt, haben sich die Frauen bereits befreundet, der Sex ist futsch, die Bombe entschärft . . . Eine Liebste nach der anderen wird von der Gattin kunstgerecht enterotisiert." Und der Schriftsteller? Der kann "keine Zeile mehr schreiben".
So weit hat es Joseph von Westphalen offensichtlich nicht kommen lassen.
HEINZ LUDWIG ARNOLD
Joseph von Westphalen: "Der Liebessalat". Roman. btb, München 2002. 479 S., geb., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Überall Damen: Joseph von Westphalen wirft Bügelbretter um
In einem Selbstinterview anläßlich seines neuen Romans "Der Liebessalat" teilt der Schriftsteller Joseph von Westphalen seinen Lesern mit, er habe an diesem 479 Seiten starken Opus fast doppelt so lange geschrieben wie am letzten Band seiner bekannten Duckwitz-Trilogie mit ähnlichem Umfang, nämlich ein halbes Jahr.
Vielleicht hätte der Autor besser daran getan, es bei fünf Wochen und den ersten 100 Seiten zu belassen. Dann nämlich hätten wir eine sehr hübsche, sehr amüsante und flotte Geschichte von der Lesereise des Schriftstellers Viktor Goldmann nach Hannover lesen können, bei der er erstens im ICE die kesse junge Nasenring-Tina kennenlernt, zweitens nachts im Hotel die alte Lesereisenliebe Sabine wiedertrifft, die sich einst bei ihm einschmeichelte, indem sie sich ihm mit ebenjener lila Lederhose präsentierte, die er einer seiner Romanfiguren verpaßt hatte; und dazwischen macht, drittens, unser reisender Literat noch die Bekanntschaft einer seiner abendlichen Zuhörerinnen, Rebecca, die ihn mit in die eheliche Wohnung nimmt und hinfort, zunächst nur verbal und später telefon-oral, seine wilde Tscherkessin wird. Dazwischen denkt er aber auch noch an eine Christiane, mit der er in Erfurt "auch eine Nacht auf dem Bett gelegen hatte", an seine zwei Exfrauen Ella und Ira und an seine derzeitige Frau Ellen, und vor allem erinnert er sich immer wieder an die Zürcher Italienischlehrerin seiner Ellen, Penelope Wagner, die er zwar noch nie gesehen hat, aber um so intensiver liebt - das ganze Buch hindurch. Überhaupt liebt Viktor am heftigsten jene Frauen, die gerade nicht zugegen sind, und wenn er so seine Liebesobjekte imaginiert, erledigt er seine Männerphantasien notfalls auch mit ein paar schnellen Handgriffen.
Mag sein, daß ich noch ein paar Damen vergessen habe, die da in Hannover durch Viktors Kopf geisterten - nach und nach tauchen immer wieder neue auf. Die Erinnerungen an sie und die Verwicklungen mit ihnen füllen die dann folgenden 379 Seiten, die freilich längst nicht mehr den typischen Westphalen-Drive der Hannoverschen Lesereise haben; Westphalens "Liebessalat" ist eine wahre Nummernoper, freilich ohne jene Nummern, die man bei diesem Titel sogleich assoziiert.
Dieser "Liebessalat" will aber auch ein vertracktes literarisches Ironiegebäude sein; denn Viktor, hat man den Eindruck, erlebt all seine Liebessalat-Geschichten nur, um darüber zu schreiben; Frauen sind ihm weniger Sexual-, als vor allem ironisierbare Schreib- und Literaturobjekte. Weshalb denn auch die endlosen Liebesbriefe, die er ihnen handschriftlich oder per E-Mail schickt, von ihm sorgfältig kopiert und abgelegt werden. Oder Viktor fertigt Kurzfassungen seiner Korrespondenzen an, um sie in einem seiner nächsten Romane zu verarbeiten.
Aparter- ebenso wie merkwürdigerweise sammelt Viktor diese Notizen über seine vielen, meist verpaßten An- und Ungelegenheiten unter den Namen der adorierten Damen in Kartons auf Bügelbrettern, die das Gästezimmer in der Zürcher Wohnung von Viktor und Ellen füllen. Und so entsteht denn der "Liebessalat" auch tatsächlich, als Viktor eines der Bügelbretter nächtens umstößt und das kippende Brett andere Bügelbretter mitreißt. Wie eine subtile Selbstkritik des Autors klingt, was dann zu lesen ist: "Die Stapel mit den eben noch sorgfältig geordneten Liebesbeweisen lagen in einem wüsten Durcheinander auf dem Fußboden. Ein für Symbole empfänglicherer Mensch hätte diesem Bild der Zerstörung vielleicht die Botschaft entnehmen können, daß die Vielfrauen-Verwertungsmethode an ihrer dilettantisch organisierten Überfülle krankte."
Der Roman leidet nun zwar weder an dilettantischer Organisation noch an weiblicher Überfülle, wohl aber daran, daß man bei Viktors Rückkehr von der Lesereise nach Zürich die Masche des Schreibers und seiner Schriftstellerfigur gänzlich durchschaut hat und der Roman, bei allem Wirbel, den Joseph um Viktor zu entfachen sucht, doch durchzuhängen beginnt.
Immerhin gibt es später doch noch einige Überraschungen, freilich von unterschiedlichem Unterhaltungswert. Ganz witzig ist, wie Joseph von Westphalen seinen Roman mit einer amüsanten Mediensatire würzt, die vorführt, wie aus einem Roman schließlich jener Fernsehfilm wird, den sich die verschiedenen Produzenten und Geldgeber wünschen. Da gleitet unser Autor fast ab in einen televisionären Realismus.
Natürlich ist die Handlung des zum nie verfilmten Drehbuch verkommenen Romans jener von "Liebessalat" verteufelt ähnlich: "Ein Schriftsteller kann nur schreiben, wenn er frisch verliebt ist . . . Dummerweise ist er verheiratet, seine Frau nimmt es hin, denn er macht es diskret. Bisher ist alles gut gelaufen. Dann, durch ein Versehen, durch eine Terminverwechslung, ruft eine seiner Liebsten an, die Ehefrau ist am Apparat, die Liebste kommt ins Plappern, sagt ungeschickt etwas von einem Hotel, schon bietet ihr die Ehefrau des Schriftstellers freundlich das häusliche Gästezimmer an, und es wird nichts mit der Liebesnacht im Liebesnest. Als der Ehemann nach Hause kommt, haben sich die Frauen bereits befreundet, der Sex ist futsch, die Bombe entschärft . . . Eine Liebste nach der anderen wird von der Gattin kunstgerecht enterotisiert." Und der Schriftsteller? Der kann "keine Zeile mehr schreiben".
So weit hat es Joseph von Westphalen offensichtlich nicht kommen lassen.
HEINZ LUDWIG ARNOLD
Joseph von Westphalen: "Der Liebessalat". Roman. btb, München 2002. 479 S., geb., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Was Viktor denkt und tut, denkt und macht auch Joseph von Westphalen, konstatiert Klaus Bittermann amüsiert. Kein großer Unterschied, so meint er, sei zwischen Westphalen und seinem literarischen Alter Ego festzustellen. Das gereicht dem Roman nicht zum Nachteil, betont er. Viktor alias Joseph seien große Frauenliebhaber und ihr ganzes literarisches Schaffen entspringe im Grunde dem Impuls nach neuen Liebschaften, neuen Begegnungen, aber eben auch nach "wahrer Leidenschaft, wahrer Begierde, wahrem Liebeskummer". All dies packt den Protagonisten, als sich eine Angebetete ihm verschließt oder zumindest nicht offenbart. Insofern steht dieser Roman, so der Rezensent, in der Tradition des Liebesbriefes, des Liebeswerbens, und erst am Ende werde dem Protagonisten klar, dass er einer fixe Idee aufgesessen ist. Der Roman ist insofern ein konventioneller psychologischer Roman, der gut funktioniere und ausgesprochen spannend ist, lobt Bittermann.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Der charmante Stänkerer Joseph von Westphalen ... läuft bekanntlich gerade in der kleinen Betrachtung zur großen Form auf. Sein Terrain ist die satirisch verminte Miniatur, das sarkastische Essay, die respektlose Glosse und das federleichte Feuilleton'." Becker, Nürnberger Nachrichten