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»Maaz befreit Frauen vom Rollenklischee der allgütigen Mutter. Endlich sind Mütter Menschen, die sich zu ihrer Schattenseite bekennen dürfen. Pflichtlektüre für alle...!« Julia Onken
Lilith wurde von Adam verstoßen, Eva aus seiner Rippe geschaffen. Die beiden mythischen Frauenfiguren verkörpern Prinzipien des Weiblichen, die bis heute nicht versöhnt sind. Das ist die Ursache für ein verlogenes Bild von Mütterlichkeit mitsamt seinen negativen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft: Lebensgemeinschaften zerbrechen immer häufiger, Frauen erleben sich in ihrer Rolle als Mutter um wesentliche…mehr

Produktbeschreibung
»Maaz befreit Frauen vom Rollenklischee der allgütigen Mutter. Endlich sind Mütter Menschen, die sich zu ihrer Schattenseite bekennen dürfen. Pflichtlektüre für alle...!« Julia Onken

Lilith wurde von Adam verstoßen, Eva aus seiner Rippe geschaffen. Die beiden mythischen Frauenfiguren verkörpern Prinzipien des Weiblichen, die bis heute nicht versöhnt sind. Das ist die Ursache für ein verlogenes Bild von Mütterlichkeit mitsamt seinen negativen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft: Lebensgemeinschaften zerbrechen immer häufiger, Frauen erleben sich in ihrer Rolle als Mutter um wesentliche Aspekte ihrer Weiblichkeit betrogen, Eltern stehen den Wünschen und Ansprüchen ihrer Kinder oft hilflos gegenüber.

In vielen Beziehungsstörungen Erwachsener spiegelt sich eine grundsätzliche Störung des Mutter-Kind-Verhältnisses wider, Resultat eines Bildes von Mütterlichkeit, das von der Gestalt der ihre eigenen Bedürfnisse unterordnenden und aufopferungsbereiten Eva geprägt istund der Realität heute nicht mehr entspricht.

Der Lilith-Komplex, also die Tabuisierung dieses Aspekts und die daraus resultierende Schuld, ist kulturell tief verankert, wird in der frühen Mutter-Kind-Beziehung reaktiviert und damit weiter getragen.
Autorenporträt
Hans-Joachim Maaz,seit 40 Jahren praktizierender Psychiater und Psychoanalytiker, war lange Zeit Chefarzt der Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik des Diakoniekrankenhauses Halle 
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2003

Unvorstellbar ungeheuerlich
Hans-Joachim Maaz und Luigi Zoja deuten Väter und Mütter aus

Zweimal ein Anti-Ödipus. Hans-Joachim Maaz sieht im Mythos der Lilith die andere Seite der Weiblichkeit repräsentiert. Der Mann hat Eva bekommen. Aus seiner Rippe geschaffen, ist sie ihm unterworfen, Objekt seiner Lust, Betreuerin seiner Kinder. Ihr Wunsch nach Gleichberechtigung und ihr Unmut über die Mutterpflichten wurden verleugnet. Abgespalten jedoch und ins Dämonische übersteigert, leben sie im Bilde Liliths als lüsterne Verführerin und grausame Kindsmörderin fort. Luigi Zoja erinnert an Hektors Geste - so der Titel des italienischen Originals. Von der Schlacht heimkehrend, will Hektor seinen Sohn begrüßen. Doch im Panzer der Männlichkeit befangen, vergißt er, den Helm abzunehmen, und sein Sohn fürchtet sich. Dann nimmt er den Helm ab, hebt seinen Sohn in die Höhe und bittet die Götter, daß es später heiße: Der ist viel besser als sein Vater.

Anti-ödipal sind beide Untersuchungen darin, daß sie Freuds Konzeption von Analyse überschreiten. Maaz möchte zu einer "multimodalen tiefenpsychologischen Therapiepraxis" voranschreiten. Die Verletzungen frühester Kindheit seien nicht im Gespräch aufzuklären, erst Imaginationen in Bildern und Musik gewährten einen Zugang zum präverbalen Unbewußten, auch der Körperkontakt scheint zu den neuen Methoden zu gehören. Zoja ist ein prominenter Jungianer, der in seinem Buch die Entwicklung archetypischer Vaterbilder über die Antike und die Menschenaffen hinaus bis ins Reich der ersten Säugetiere verfolgt. Hier soll umgekehrt die Kenntnis der kollektiven Geschichte dem Individuum zu Selbsttransparenz verhelfen.

Anti-ödipal sind sie vor allem darin, daß sie den Quell psychischen Leids anders verorten. Die Mutter, die sich ihre Lilith-Anteile nicht eingesteht, wird dem Kind durch kleine Gesten immerfort zu verstehen geben, daß es ungewollt ist. Das Kind wird sich dann als lästig und störend empfinden. Und da die Mutter zugleich immer auch fürsorglich, möglicherweise aus schlechtem Gewissen überfürsorglich ist, wird das Kind glauben, am Unglück oder den Launen der Mutter die Schuld zu tragen. Vielleicht etwas ungeordnet führt Maaz fallbeispielreich vor, welche Deformationen die vielleicht etwas dramatisch präsentierten "unvorstellbaren Ungeheuerlichkeiten" der normalen Kindheit erzeugen. Grundsätzlich kennt er dabei drei Typen. Kinder unzufriedener Mütter fühlen sich überflüssig, unfähig und machen sich oft bewußt eklig, um ihr Selbstbild zu bestätigen. Unterversorgte Kinder neigen zu Süchten (Essen, Trinken, Sex, Arbeit, Geld). Verwöhnte Kinder werden zickig, allürenhaft, labil.

Väter, die Hektor nicht folgen, gibt es zweierlei. Solche, die den Helm nicht abnehmen, und solche, die ihn gar nicht erst aufsetzen. Die ersten erschrecken ihre Kinder, die anderen sind ihnen kein Vorbild mehr. Vaterschaft ist für Zoja anders als die Mutterschaft nichts wesentlich Biologisches. Der Vater muß ausdrücklich die Verantwortung übernehmen für das Kind. Dann kann er das Kind in die Vermittlung zwischen Natur und Kultur, Familie und Gesellschaft einüben. Die modernen Väter aber regredieren immer mehr zu bloßen Erzeugern, die später ihren Kindern bestenfalls gute Freunde sein wollen. Die Kinder wenden sich dann, wie bei Alexander Mitscherlich wirkungsmächtig analysiert, auf der Suche nach Autorität der peer-group zu oder bleiben - als treibende Mitglieder der Konsumgesellschaft - auf die Ebene der primären Bedürfnisse fixiert.

Was ein Mann, eine Frau, ein Vater, eine Mutter, was eine Familie ist, muß immer wieder neu bestimmt werden. Psychologie und Soziologie sind dabei eine wichtige Hilfe, indem sie uns aufklären, wo das Übliche liegt und welche Verwerfungen es erzeugt. Zumindest im Bürgertum mag für lange Zeit die ödipale Situation die Regel gewesen sein. Zwischen der Poesie der Intimität und der Prosa des Berufslebens galt es einen Ausgleich zu finden. Vielleicht hat sich das geändert, zumindest in den Kreisen, aus der die Klientel der Therapeuten stammt. Das Leitbild der selbstbestimmten Frau macht den Müttern, ob sie nun berufstätig sind oder gerade nicht, auf ganz neue Weise ein schlechtes Gewissen. Und die Lockerung der familiären Bande schwächt in Konflikten die Position des Vaters. Maaz wie Zoja wollen aus diesen Befunden ausdrücklich keine konservativen Konsequenzen gezogen sehen. Es komme vielmehr darauf an, daß die Mütter sich ihren Unmut bewußt machen und die Väter ihre Verantwortung. Die Übersetzung von Zojas Buch aus dem Italienischen ist übrigens sehr angenehm zu lesen.

GUSTAV FALKE

Hans-Joachim Maaz: "Der Lilith-Komplex". Die dunklen Seiten der Mütterlichkeit. C. H. Beck Verlag, München 2003. 201 S., br., 14,90 [Euro].

Luigi Zoja: "Das Verschwinden der Väter". Aus dem Italienischen von Rita Seuß. Walter Verlag, Düsseldorf, Zürich 2002. 294 S., 21 Abb., geb., 28,- [Euro].

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