Bonaventura von Bagnoregio (1221-1274) hat ein wenig bekanntes und kaum wissenschaftlich behandeltes Werk hinterlassen: seinen Kommentar über das Lukasevangelium. Diese Arbeit weist nach, dass dieser Kommentar in der Tradition der monastischen Theologie Bernhards von Clairvaux steht. Die Analyse zeigt, dass es ein wichtiges Zeugnis dafür ist, dass diese Theologie in der Universitätstheologie des 13. Jahrhunderts fortlebt. Der Kommentar geht aus Bonaventuras Vorlesung an der Universität Paris hervor. Leider ist davon keine Nachschrift vorhanden, der überlieferte Text ist die von Bonaventura sorgfältig ausgearbeitete abschließende Fassung seiner Auslegung. Der historische Hintergrund des Kommentars wird an Hand zweier Themen beleuchtet: der Auseinandersetzungen im Rahmen des Mendikantenstreites und der Rezeption und Aufnahme der Ideen des kalabrischen Abts Joachim von Fiore. Zwei Elemente bilden den 'Grundton' des Denkens von Bonaventura in diesem Kommentar: die vom Ordensstifter Franziskus von Assisi ausgehenden Impulse und die Tradition der monastischen Theologie Bernhards von Clairvaux. Der Inhalt des Kommentars wird an Hand von sechs Themen vorgestellt: die Ausgangspunkte des Kommentars, der Prediger, der Zuhörer, die Predigt, die Heilige Schrift und die Christologie. Um den Kommentar im Rahmen der Theologie Bonaventuras zu würdigen, ist versucht worden die genannten Themen auch aus anderen Schriften Bonaventuras zu beleuchten. Dabei sind vor allem die spirituellen Schriften, die verschiedenen Collationes und die Textpredigten herangezogen worden.