Es gibt kaum etwas, was so schwer zu erschüttern ist wie alltagspsycholo gische Überzeugungen darüber, was Männer sind, was sie antreibt und was sie denken. Offensichtlich existiert ein tief verwurzeltes Bedürfnis, Männer und Frauen als "Gattungswesen" klar voreinander unterscheiden zu können und ihnen "von Natur aus" gegensätzliche Eigenschaften und Merkmale zuzuschreiben. Dieser tief verwurzelten Neigung, Geschlechtsunterschiede auf eine wie auch immer geartete "Natur" zurückzuführen, ist zu verdanken, dass biologische Argumentationen selbst dann, wenn es sich um reine Speku lationen handelt, von Massenmedien begierig aufgegriffen und zu ver kaufsträchtigen Schlagzeilen aufgerüstet werden, während die sozialwis senschaftliche Geschlechterforschung der letzten Jahrzehnte eher wie ein Störfaktor in der öffentlichen Meinung und in unserem Weltbild wirkt. Tatsächlich bestehen aber seit den fünfziger Jahren gesicherte Er kenntnisse darüber, dass die biologische Festlegung von Verhaltens- und Erlebensunterschieden zwischen Männern und Frauen systematisch über schätzt wird. Dabei ist nicht in Abrede gestellt, dass die Anatomie der Körper und beispielsweise hormonelle Prozesse das Empfinden und Han deln der Individuen beeinflussen. Vieles spricht aber dagegen, dass es Sinn macht, von einer vorsozialen und quasi "rein" biologischen Körper lichkeit auszugehen. Je vorurteilsfreier und genauer wir Männer und Frauen in unterschiedlichen Kulturen und sozialen Milieus betrachten, desto deutlicher wird, dass wir es bei allen Fragen des Geschlechts mit komplexen sozialen Prozessen und Zusammenhängen zu tun haben, die gesellschaftliche Vorstellungen genauso beeinflussen wie das Denken, Handeln und Fühlen der Individuen.
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