Die attraktive Brigid bittet Sam Spade und seinen Partner Archer um Hilfe, weil sie Angst vor einem gewissen Thursby hat. Am selben Abend wird Archer umgebracht. Auch Thursby taucht als Leiche auf. Spade beginnt ein Verhältnis mit Brigid, obwohl er weiß, daß sie nicht ehrlich zu ihm ist. Er erfährt, daß sie - und nicht nur sie - hinter einer wertvollen Skulptur aus dem 16. Jahrhundert her ist: dem Malteser Falken.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.01.2006 Band 1
Nichts ist so, wie es scheint
Dashiell Hammetts „Der Malteser Falke”
Immer wieder diese Augen: Privatdetektiv Sam Spades „gelbgraue Augen”, „schmal und stechend”, beherrschen die Szene, sehen alle Schwächen seiner Gegenspieler und verraten nichts von seinen Plänen und Gefühlen. Ich mag es sehr, wenn der Theaterzuschauer die Augen der Schauspieler sehen kann, aber in diesem ersten richtigen Detektivroman der Geschichte, in dem so oft von den Augen die Rede ist, weiß der Leser trotzdem nie, woran er ist. In schnellen, harten Szenen wird ein Fall durchgespielt, der ihn voltenreich von einer Verblüffung in die nächste wirft.
Zum ersten Mal habe ich diese großartigen Dialoge vor vielen Jahrzehnten gelesen, und ich bin immer wieder fasziniert von der Story, die wie ein atemberaubendes Theaterstück vom perfekten Timing der Szenen lebt. Als junger Regisseur in England habe ich jede Woche eine Inszenierung herausgebracht. Da lernt man nicht nur schnelles Arbeiten, sondern entwickelt auch dynamische Szenenwechsel, die die Zuschauer mitreißen. So ist es auch in diesem Roman, der ebenso gut ein Drehbuch sein könnte - kein Wunder, dass die Verfilmung mit Humphrey Bogart solchen Erfolg hatte. Kaum sind Sam Spade und sein Partner eingeführt, wird dieser schon erschossen. Kaum hat Sam Spade die Polizei abgewimmelt, schließt ihn die Witwe in die Arme und fragt seelenruhig: „Hast du ihn umgebracht?” Kaum lernt der Leser Spades Klientin kennen - jung, hübsch, verängstigt -, schon entpuppt sie sich als Gangsterbraut, die wie diverse andere Verbrecher hinter einer wertvollen Skulptur, dem Malteser Falken, her ist und dafür über Leichen geht. Keiner ist, was er scheint, keinem kann man trauen, alle spielen ihre Rollen - eine einzige Paranoia, sehr modern.
Auch der Detektiv ist keineswegs so, wie ihn der Leser erwartet: zum Glück kein Held, sondern eine taktierende, undurchsichtige Figur ohne moralische Skrupel; einer, der sich nicht in die Karten sehen lässt bis zum Schluss, ständig Zigaretten dreht und beim Verhör mal eben fünf Gläser Rum kippt. Selbst das Happy End, in dem Spade überraschenderweise sein Berufsethos beschwört, ist eine ganz unsichere Sache, weil wir nie wissen, ob er nur zum Schein auf die Gangster eingegangen ist oder selbst den Deal wollte. Dashiell Hammett zeigt sich mit diesem Krimi als aufregender Dramatiker.
Der Text gilt als Begründung des Realismus im Kriminalroman, aber ich bin mir trotz der realistischen Milieu-Schilderungen nicht sicher, ob man das so sagen kann. Denn realistisch heißt hier nicht, dass dem Leser oder Zuschauer die Interessen der Figuren psychologisch erklärt werden, dass jemand für das Milieu verantwortlich gemacht wird. Solche Texte machen Spaß, weil sie sich nicht mit moralischen Skrupeln aufhalten, dafür aber den Leser voller Fragen zurücklassen. Deshalb sind sie bis heute nicht in die Jahre gekommen. Irgendwann ist einmal von Spades Sockenhaltern die Rede - und erst dann stellt man verblüfft fest, dass das so moderne Buch schon von 1930 ist.
PETER ZADEK
Dashiell Hammett
Foto: © Diogenes Verlag
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Nichts ist so, wie es scheint
Dashiell Hammetts „Der Malteser Falke”
Immer wieder diese Augen: Privatdetektiv Sam Spades „gelbgraue Augen”, „schmal und stechend”, beherrschen die Szene, sehen alle Schwächen seiner Gegenspieler und verraten nichts von seinen Plänen und Gefühlen. Ich mag es sehr, wenn der Theaterzuschauer die Augen der Schauspieler sehen kann, aber in diesem ersten richtigen Detektivroman der Geschichte, in dem so oft von den Augen die Rede ist, weiß der Leser trotzdem nie, woran er ist. In schnellen, harten Szenen wird ein Fall durchgespielt, der ihn voltenreich von einer Verblüffung in die nächste wirft.
Zum ersten Mal habe ich diese großartigen Dialoge vor vielen Jahrzehnten gelesen, und ich bin immer wieder fasziniert von der Story, die wie ein atemberaubendes Theaterstück vom perfekten Timing der Szenen lebt. Als junger Regisseur in England habe ich jede Woche eine Inszenierung herausgebracht. Da lernt man nicht nur schnelles Arbeiten, sondern entwickelt auch dynamische Szenenwechsel, die die Zuschauer mitreißen. So ist es auch in diesem Roman, der ebenso gut ein Drehbuch sein könnte - kein Wunder, dass die Verfilmung mit Humphrey Bogart solchen Erfolg hatte. Kaum sind Sam Spade und sein Partner eingeführt, wird dieser schon erschossen. Kaum hat Sam Spade die Polizei abgewimmelt, schließt ihn die Witwe in die Arme und fragt seelenruhig: „Hast du ihn umgebracht?” Kaum lernt der Leser Spades Klientin kennen - jung, hübsch, verängstigt -, schon entpuppt sie sich als Gangsterbraut, die wie diverse andere Verbrecher hinter einer wertvollen Skulptur, dem Malteser Falken, her ist und dafür über Leichen geht. Keiner ist, was er scheint, keinem kann man trauen, alle spielen ihre Rollen - eine einzige Paranoia, sehr modern.
Auch der Detektiv ist keineswegs so, wie ihn der Leser erwartet: zum Glück kein Held, sondern eine taktierende, undurchsichtige Figur ohne moralische Skrupel; einer, der sich nicht in die Karten sehen lässt bis zum Schluss, ständig Zigaretten dreht und beim Verhör mal eben fünf Gläser Rum kippt. Selbst das Happy End, in dem Spade überraschenderweise sein Berufsethos beschwört, ist eine ganz unsichere Sache, weil wir nie wissen, ob er nur zum Schein auf die Gangster eingegangen ist oder selbst den Deal wollte. Dashiell Hammett zeigt sich mit diesem Krimi als aufregender Dramatiker.
Der Text gilt als Begründung des Realismus im Kriminalroman, aber ich bin mir trotz der realistischen Milieu-Schilderungen nicht sicher, ob man das so sagen kann. Denn realistisch heißt hier nicht, dass dem Leser oder Zuschauer die Interessen der Figuren psychologisch erklärt werden, dass jemand für das Milieu verantwortlich gemacht wird. Solche Texte machen Spaß, weil sie sich nicht mit moralischen Skrupeln aufhalten, dafür aber den Leser voller Fragen zurücklassen. Deshalb sind sie bis heute nicht in die Jahre gekommen. Irgendwann ist einmal von Spades Sockenhaltern die Rede - und erst dann stellt man verblüfft fest, dass das so moderne Buch schon von 1930 ist.
PETER ZADEK
Dashiell Hammett
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»Dashiell Hammett schrieb für einen Cent pro Wort und erfand eine ganze Literatur. Moderner kann ein Klassiker nicht sein.« Wiglaf Droste