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Georges Simenon
Gebundenes Buch
Der Mann, der den Zügen nachsah / Ausgewählte Romane Bd.10
Roman
Aus d. Französ. v. Linde Birk
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Abends um acht war Kees Popingas Schicksal noch nicht besiegelt, es wäre also noch nicht zu spät gewesen. Kees Popinga hat genug davon, Kees Popinga zu sein. Und nachdem die Firma in Groningen, in der er sein ganzes Leben lang gearbeitet hat, bankrottgeht und der von ihm
bewunderte Firmenchef mit der Kasse verschwindet, gibt es für Kees kein Halten mehr: Einmal richtig leben und lieben, das will er, egal wie hoch der Preis dafür ist."
bewunderte Firmenchef mit der Kasse verschwindet, gibt es für Kees kein Halten mehr: Einmal richtig leben und lieben, das will er, egal wie hoch der Preis dafür ist."
Georges Simenon, geboren 1903 in Liège/Belgien, begann nach abgebrochener Buchhändlerlehre als Lokalreporter. Nach einer Zeit in Paris als Privatsekretär eines Marquis wohnte er auf seinem Boot, mit dem er bis nach Lappland fuhr, Reiseberichte und erste 'Maigret'-Romane verfassend. Schaffenswut und viele Ortswechsel bestimmten 30 Jahre lang sein Leben, bis er sich am Genfersee niederließ, wo er nach 75 'Maigret'-und über 120 'Non-Maigret'-Romanen, statt Romane zu schreiben, ausgreifende autobiographische Arbeiten diktierte. Er starb am 4. September 1989 in Lausanne.
Produktdetails
- Verlag: Diogenes
- Originaltitel: L' homme qui regardait passer les trains
- 2., überarb. Aufl.
- Seitenzahl: 272
- Erscheinungstermin: 21. Januar 2011
- Deutsch
- Abmessung: 180mm x 113mm
- Gewicht: 272g
- ISBN-13: 9783257241105
- ISBN-10: 3257241100
- Artikelnr.: 29537999
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Unter den Non-Maigret-Romanen von Georges Simenon ist „Der Mann, der den Zügen nachsah“ einer der bekanntesten, der sogar mehrfach verfilmt wurde. Erzählt wird die Geschichte von Kees Popinga, der als Prokurist bei einer großen Reederei in Groningen arbeitet. Der …
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Unter den Non-Maigret-Romanen von Georges Simenon ist „Der Mann, der den Zügen nachsah“ einer der bekanntesten, der sogar mehrfach verfilmt wurde. Erzählt wird die Geschichte von Kees Popinga, der als Prokurist bei einer großen Reederei in Groningen arbeitet. Der 39jährige Familienvater lebt mit seiner Frau Eleonore, der Tochter Frida und dem Sohn Carl in einer ansehnlichen Villa, die er mit einer Hypothek abgesichert hat. Dafür hat er sich mit seinen letzten Ersparnissen an der Firma beteiligt.
Seit seiner Eheschließung vor sechzehn Jahren läuft sein Leben in festen, geregelten Bahnen, ein Tag gleicht dem anderen. Doch dann gerät diese Familienidylle schlagartig aus den Fugen. Die Firma, die in betrügerische Machenschaften verstrickt ist, geht bankrott und Popingas bisher bewunderter Chef Julius de Coster verschwindet mit der Firmenkasse.
Für den braven Angestellten fallen in diesem Moment alle moralischen Schranken, von einem Tag zum anderen bricht er aus seinem bürgerlich biederen Dasein aus. Er will einmal das Leben genießen und nicht der Mann sein, der immer nur den Zügen, die in verlockende Ferne fahren, nachsieht. Sie hatten schon immer in ihm eine unbestimmte Sehnsucht nach einem freien Leben geweckt.
Also nimmt Popinga den nächsten Zug nach Amsterdam. Hier trifft er Pamela, die ehemalige Geliebte seines Chefs, die im besten Hotel am Platze wohnt. Als Popinga jedoch am Morgen das Hotel und Amsterdam in Richtung Paris verlässt, ist Pamela tot. In der Seine-Metropole wird er bereits polizeilich gesucht, weil er im Verdacht steht, die Lebedame umgebracht zu haben. Auch die Zeitungen haben den Fall aufgegriffen und bezeichnen ihn als „Lustmörder“. Er schreibt an die Redaktion, um sich zu rechtfertigen, schließlich hat er die Frau nur aus Versehen getötet.
In Paris treibt Popinga sich in Nachtlokals und billigen Hotels herum, macht die Bekannt-schaft der Prostituierten Jeanne, die er ebenfalls bei einem Streit tötet. Schließlich will er seinem verkorksten Leben ein Ende bereiten und legt sich splitternackt auf ein Bahngleis … danach würde es keinen Kees Popinga mehr geben. Er wird aber entdeckt und landet in der geschlossenen Abteilung eines Irrenhauses.
Mit dem Lebensschicksal von Kees Popinga ist Georges Simenon eine ergreifende Charakterstudie gelungen. Der Roman erschien 1938 unter dem Originaltitel „L’homme qui regardait passer les trains“, während die deutsche Erstausgabe erst 1970 unter dem Titel „Der Mann, der die Züge vorbeifahren sah“ veröffentlicht wurde. Die vorliegende Übersetzung erschien erstmals 1997 im Diogenes Verlag und wurde für die vorliegende Edition der „Ausgewählten Romane“ überarbeitet.
Manfred Orlick
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Geschickt kaschierte Trivialität
Die Literaturwelt kennt viele schillernde Persönlichkeiten unter den Schriftstellern, der belgische Verfasser der Maigret-Romane Georges Simenon gehört in deren erste Reihe. Als Vielschreiber reichte sein literarisches Spektrum vom Groschenroman …
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Geschickt kaschierte Trivialität
Die Literaturwelt kennt viele schillernde Persönlichkeiten unter den Schriftstellern, der belgische Verfasser der Maigret-Romane Georges Simenon gehört in deren erste Reihe. Als Vielschreiber reichte sein literarisches Spektrum vom Groschenroman über Kurzgeschichten und Erzählungen bis zu den erfolgreichen Kriminalromanen, die ihn berühmt und reich gemacht haben. Nicht gelungen ist ihm der Durchbruch zum anspruchsvollen Roman, zum echten literarischen Werk, wie er es selbst einst prophezeit hat: «Wenn ich vierzig bin, werde ich meinen ersten wirklichen Roman veröffentlichen, und wenn ich fünfundvierzig bin, werde ich den Nobelpreis erhalten haben.» Der zu jener Zeit, im Jahre 1938 veröffentlichte Roman «Der Mann, der den Zügen nachsah» war ein vergeblicher Versuch in diese Richtung. Kollegen und Kritiker sprachen von einem «Fall Simenon», dem Autor haftete trotz bewundernswertem Erzähltalent mit seinem riesigen Œuvre zeitlebens der Kolportageverdacht an.
Der vorliegende Krimi ist die psychologische Studie eines Mannes aus dem mittleren Bürgertum, den der betrügerische Konkurs seines Chefs völlig aus der Bahn wirft. Gutsituiert mit standesgemäßer Villa, braver Familienvater und gewissenhafter Prokurist der größten Firma für Schiffsbedarf in Groningen, heißt es im ersten Satz über ihn: «Abends um Acht war Kees Popingas Schicksal noch nicht besiegelt, es wäre also noch nicht zu spät gewesen.» Als das Undenkbare aber Gewissheit wird, entdeckt Kees den treulosen Unternehmer in einer Spelunke und wird von ihm ganz unverblümt über den Bankrott aufgeklärt. Er werde sich heute Nacht noch, einen Selbstmord vortäuschend, ins Ausland absetzen, zum Abschied drückt der Chef Kees ein wenig Bargeld in die Hand. Der beschießt, jetzt auch völlig ruiniert, denn all seine Ersparnisse steckten in der Firma, ebenfalls ein neues Leben zu beginnen, sich aus seinem drögen Alltag zu befreien.
Kees verschwindet klammheimlich Richtung Amsterdam, um dort die Lebedame Pamela aufsuchen, die von seinem Chef ausgehalten wurde. Die aber weist ihn ab, lacht ihn aus, er erwürgt sie daraufhin. Was folgt ist eine odysseeartige Flucht, die ihn nach Paris führt, wo er in der festen Überzeugung, intelligenter zu sein als seine Verfolger, als unauffällige Figur in den Menschenmassen der Metropole untertaucht. Allmählich steigert er sich tiefer in seinen Wahn hinein, die Zeitungsmeldungen, die er begierig liest, bezeichnen ihn als schon Paranoiker. In einem ausführlichen Leserbrief erklärt er sein Motiv: «Vierzig Jahre lang habe ich das Leben betrachtet wie ein armer kleiner Junge, der mit der Nase am Schaufenster einer Konditorei klebt und den anderen zusieht, wie sie Kuchen essen.» Was war mein Leben denn schon wert, fragt er sich, welchen Sinn hatte es? Am Ende lässt Simenon ihn ziemlich theatralisch nackt und ohne jede Habe als Selbstmörder scheitern, er landet in der Psychiatrie.
Die in einfachster Sprache erzählte Geschichte ist mäßig spannend, lässt den Leser aber durch das Stilmittel des inneren Monologs über weite Strecken an den Gedankengängen des als intelligent dargestellten Protagonisten teilhaben. Nüchterne Logik ist für das Handeln des hervorragenden Schachspielers Kees bestimmend, alles bleibt für den Leser nachvollziehbar, sogar beim Zusammenbruch am bitteren Ende. Darin mag für Viele der Reiz dieses Plots liegen, auch wenn das, was erzählt wird, vom Gehalt her im Grunde ziemlich banal ist. Stilistisch aber und damit literarisch im Sinne einer Kunstform ist das Ganze unterste Kategorie, mittelmäßige Kolportage, wie François Bondy schrieb, die wie Simenons gesamtes Werk im Zwielicht bleibe. Und so ist denn auch die Rezeption auffallend zwiespältig. Wer Kniffliges mag, sich lesend von einem Bistro zum anderen begeben und Paris in alle Himmelsrichtungen durchwandern will, der ist hier bestens bedient, literarische Gourmets hingegen werden dieser geschickt kaschierten Trivialität nichts abgewinnen können.
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