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Die Geschichte von dem Mann, der seine Frau für seine Geliebte hält, oder, anders gewendet, die Geschichte von der verschmähten Ehefrau, die sich als eine andere ausgibt, um ihren Mann zu verführen: Der "Bettschwindel" ist ein altes und zugleich äußerst wandlungsfähiges Motiv der Kulturgeschichte. Die Geschichte ist denn auch mehr als ein Motiv, sie ist ein Mythos. Und diesem liegt ein Paradoxon zugrunde bzw. ein unauflöslicher Widerspruch zwischen wahrer Identität und Maskerade, zwischen der"verborgenen" Wahrheit und dem "oberflächlichen" Schein. Auf diesen Widerspruch sowie die mit dem…mehr

Produktbeschreibung
Die Geschichte von dem Mann, der seine Frau für seine Geliebte hält, oder, anders gewendet, die Geschichte von der verschmähten Ehefrau, die sich als eine andere ausgibt, um ihren Mann zu verführen: Der "Bettschwindel" ist ein altes und zugleich äußerst wandlungsfähiges Motiv der Kulturgeschichte. Die Geschichte ist denn auch mehr als ein Motiv, sie ist ein Mythos. Und diesem liegt ein Paradoxon zugrunde bzw. ein unauflöslicher Widerspruch zwischen wahrer Identität und Maskerade, zwischen der"verborgenen" Wahrheit und dem "oberflächlichen" Schein. Auf diesen Widerspruch sowie die mit dem Mythos aufgeworfenen Fragen der Glaubwürdigkeit des von ihm Erzählten, der in ihm vorherrschenden Gender-Asymmetrie sowie der Erklärungskraft der "Ende gut, alles gut"-Moral gehen sowohl Lorraine Daston in ihrem Kommentar zu Donigers Vortrag ein wie beide in ihrer nachfolgenden Diskussion. Den Abschluß des Bandes bilden zwei weitere Texte Wendy Donigers, in denen zum einen die sexuelle Maskerade,
zum anderen das Thema von Gleichheit und Differenz in Mythos und Mythenforschung abgehandelt werden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.04.2000

Sie will ja
Gattinnenlist nicht nur in Sevilla

Schon in der hinduistischen Mythologie taucht es auf, die hebräische Bibel kennt es, und im alten Japan war es nicht weniger beliebt: das Motiv von der Ehefrau, die ihrem untreuen Mann vortäuscht, dessen Geliebte zu sein. Boccaccio und Margarete von Navarra haben das erotische Schelmenstück in ihren Erzählungen aufgegriffen, Shakespeare spielt mit ihm wiederholt in seinen Stücken, Mozart ließ sich von ihm zu einer Oper inspirieren, und Oscar Wilde hat ihm ebenso wenig widerstehen können wie Hugo von Hofmannsthal. Woher bezieht die Geschichte vom Ehemann, der sich schließlich als betrogener Betrüger wieder erkennen muss, ihren besonderen Reiz?

Die amerikanische Religionswissenschaftlerin und Indologin Wendy Doniger geht dieser Frage in ihrer kleinen, mit einem Kommentar von Lorraine Daston versehenen Abhandlung nach. Sie ist aus der Berliner Reihe "Erbschaft unserer Zeit" hervorgegangen, deren Ziel es ist, namhafte Wissenschaftler den "Wissensstand der Epoche" in Einzelvorträgen umreißen zu lassen. Was hat ein Vortrag über das zwar amüsante, dem ersten Blick nach aber doch eher belanglose Motiv in einem solchen ambitionierten Unternehmen zu suchen, mag man sich fragen. Hätte es nicht vielleicht doch Wichtigeres gegeben?

Wendy Doniger belehrt den Leser schnell eines Besseren. Indem sie sich der Methode der vergleichenden Mythenforschung bedient, zeigt sie, dass die weltweite Verbreitung und Popularität der Geschichte vom Mann, der sich selbst Hörner aufsetzt, offensichtlich darauf beruht, dass in ihr einige universale Einsichten in den Kampf der Geschlechter zum Ausdruck kommen. Bei den meisten Kulturen wird Männern im Bereich der Sexualität ein Maß an Freiheit eingeräumt, das man den Frauen versagt. Im Blick auf die Asymmetrie der Geschlechter erscheint die sexuelle Maskerade als eine List, deren sich die Ehefrau bedient, um ihren Mann der Untreue zu überführen, ihn lächerlich zu machen und zugleich wieder für sich zu gewinnen.

Wird das Motiv allerdings in sein Gegenteil verkehrt, nimmt die Geschichte zumeist ein anderes Ende. Ist es nämlich der Mann, der in die Rolle des Liebhabers schlüpft, dann läuft sie in der Regel darauf hinaus, dass die Ehefrau durch ihr Widerstreben Treue zu beweisen hat. Den Hintergrund bildet in diesem Fall die nicht erst den alten Römern geläufige Erkenntnis, dass die Mutterschaft gewiss, die Vaterschaft aber immer ungewiss ist. Treue und Untreue von Mann und Frau werden fast überall mit verschiedenen Ellen bemessen.

Das Motiv vom Bettschwindel und vom doppelten Betrug thematisiert darüber hinaus noch ein weit grundsätzlicheres Problem, nämlich das der körperlichen Erkenntnis. Der eigentliche Plot der Geschichte erscheint zunächst unwahrscheinlich. Sollte es tatsächlich möglich sein, dass das sexuelle Begehren die Wahrnehmung so eintrübt, dass man den Körper des vertrauten Partners im Zustand der Erregung nicht wieder zu erkennen vermag? Wendy Doniger zitiert einige in den Vereinigten Staaten gerichtsnotorisch gewordene Fälle, die diesen Schluss nahe legen. Es sind Geschichten von Männern, die sich erfolgreich in fremde Betten schlichen, indem sie sich als die vertrauten Ehemänner oder Liebhaber ihrer Opfer ausgaben. Wie weit dabei die Täuschung jeweils ging und welche Rolle die Unaufmerksamkeit, die Dunkelheit und vielleicht auch die unbewusste Einwilligung in das Betrugsmanöver spielten, ließ sich in den Verhandlungen nur schwer entscheiden. Doch wären die Frauen sicher nicht vor Gericht gegangen, wäre ihre Empörung nur vorgespielt gewesen. Umso beschämender scheint die Angelegenheit dagegen für das menschliche Unterscheidungsvermögen. In der Nacht sind wohl leider nicht nur alle Katzen grau.

Noch komplizierter wird die Sachlage in den Volkserzählungen, die von einem Dreifachbetrug handeln. So kennt zum Beispiel die indische Mythologie eine populäre Erzählung, die berichtet, wie der Gott Krishna sich in Gestalt eines Hirtenjungen einer Gruppe junger Mädchen nähert und sie zu verführen versucht, indem er sich als Krishna ausgibt. Weitere Variationen dieses Themas finden sich in Shakespeares Komödien ebenso wie in zahlreichen neueren Hollywoodfilmen: Eine als Mann verkleidete Frau gibt sich als Frau aus, ein echter Vampir übernimmt in einem Theaterstück die Rolle eines Vampirs und reißt seine Opfer auf offener Bühne. Doppelspiel und Maskerade erfahren hier eine nochmalige Verdoppelung. Eine Person gibt vor, die zu sein, die sie wirklich ist. Erzählungen dieses Typs stellen die Frage nach der Identität. In narrativer Form bringen sie laut Doniger offensichtlich ein philosophisches Paradox zum Ausdruck. Es ist der "oberflächliche Schein", der die "verborgene" Wahrheit enthüllt.

Doniger beleuchtet das Thema unter unterschiedlichen Aspekten, sie hütet sich aber davor, eine endgültige Antwort auf die Frage zu geben, woher die Faszination dieser Geschichten rührt. Zu Recht trägt sie damit der Einsicht Rechnung, dass Mythos und Literatur einen Wissensstand repräsentieren, der sich nicht ohne weiteres auf einen rationalen Diskurs reduzieren lässt. Selbst die scheinbar so simple Geschichte von der verschmähten Ehefrau als Geliebten erweist sich als so vielschichtig, dass sie sich letztlich jeder eindeutigen Interpretation entzieht.

KARL-HEINZ KOHL

Wendy Doniger: "Der Mann, der mit seiner eigenen Frau Ehebruch beging". Mit einem Kommentar von Lorraine Daston. Aus dem Amerikanischen von Christa Krüger und Robin Cackett. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999. 146 S., br., 16,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Hätte es nicht vielleicht doch Wichtigeres gegeben" als dieses Thema, fragt Karl-Heinz Kohl in seiner Kritik. Die Antwort liefert er gleich selbst mit der wohlwollenden Feststellung, dass die Autorin mit Hilfe der vergleichenden Mythenforschung zeige, dass sich in der Geschichte von der Ehefrau, die vortäuscht, die Geliebte ihres ungetreuen Ehemannes zu sein, einige "universale Einsichten in den Kampf der Geschlechter" wiederspiegeln. Donigers Untersuchung reicht von Beispielen aus der indischen Mythologie über Beaumarchais "Figaros Hochzeit" bis zu einigen realen Fällen in den USA, die vor Gericht verhandelt wurden. Positiv vermerkt Kohl auch, dass Doniger keine "endgültige Antwort" auf die Frage gebe, was eigentlich die Faszination dieser Geschichte ausmacht. Denn Literatur und Mythos, so Kohl, lassen sich nicht "auf einen rationalen Diskurs reduzieren".

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