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Der Dichter William Shakespeare hat nichts zu tun mit dem Schauspieler und Geldverleiher William Shakspere aus Stratford-upon-Avon. Hinter dem literarischen Pseudonym Shake-speare verbirgt sich der gebildete Aristokrat Edward de Vere, Earl of Oxford, der am Hofe von Queen Elizabeth I. ein- und ausging. Die Dramen des "Speerschwingers" Shake-speare wurden dementsprechend nicht für das Globe Theatre, sondern für die englische Hofbühne geschrieben. Der Autor Ben Jonson gab Shakespeares Werke heraus und sorgte bewußt dafür, daß dem Strohmann William Shakspere eine Büste gesetzt wurde. Diese…mehr

Produktbeschreibung
Der Dichter William Shakespeare hat nichts zu tun mit dem Schauspieler und Geldverleiher William Shakspere aus Stratford-upon-Avon. Hinter dem literarischen Pseudonym Shake-speare verbirgt sich der gebildete Aristokrat Edward de Vere, Earl of Oxford, der am Hofe von Queen Elizabeth I. ein- und ausging. Die Dramen des "Speerschwingers" Shake-speare wurden dementsprechend nicht für das Globe Theatre, sondern für die englische Hofbühne geschrieben. Der Autor Ben Jonson gab Shakespeares Werke heraus und sorgte bewußt dafür, daß dem Strohmann William Shakspere eine Büste gesetzt wurde.
Diese erstaunlichen Behauptungen sind nicht Teil eines Romans, sondern einer wissenschaftlich fundierten Biographie, die romanhafter nicht sein könnte.
Kurt Kreiler hat den "Fall Shakespeare" neu aufgerollt. Im Gegensatz zu den bisherigen Verfechtern der "Oxford"-These arbeitet er nicht mit Vermutungen, sondern schafft Indizien herbei. Er erfindet nicht, sondern bringt Dokumente zum Sprechen. Shakspere, Bacon und Marlowe - haben das Nachsehen.
Dieses Buch ist das erste, das den Menschen hinter "Shakespeare" vor Augen stellt. Der Mann, der Shakespeare erfand räumt auf mit einer der langlebigsten Mystifikationen bzw. Fälschungen der Geschichte.
Autorenporträt
Kreiler, Kurt
Kurt Kreiler, geboren 1950 in München, promovierter Germanist, lebt als Essayist, Herausgeber, Hörspielautor und Übersetzer in Köln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.01.2010

Wer bin ich - und wenn ja, wie viele nicht?

Mit Sherlock Holmes auf Shakespeares Spuren: Kurt Kreiler sucht nach der angeblich wahren Identität des großen Dramatikers und vermischt munter Detektivarbeit und Klatschgeschichten, Verschwörungstheorien und Räuberpistölchen.

Mit William Shakespeare verhält es sich genau konträr zu Sherlock Holmes. Der Meisterdetektiv passt derart gut in seine Welt spätviktorianischer Kultur, leicht dekadent, feinsinnig, genialisch und dennoch dem Empirischen knallharter Fakten zugetan, dass er einfach keine ausgedachte Kunstfigur, Produkt eines bezahlten Schreiberlings, sein darf. Seit Anbeginn seiner Ermittlungsarbeit pilgern daher Leser und Verehrer scharenweise in die Baker Street, um Spuren seiner wahren Existenz zu sichten, und werden nicht enttäuscht: Lupe, Geige, Büchersammlung, Teeservice und weitere vertraute Gegenstände bezeugen dort die Tätigkeit des Meisters genau so, wie wir sie aus den treuen Niederschriften Doktor Watsons kennen. Gewiss werden in zweihundert Jahren allerhand Spürnasen die Fährte aufnehmen und nachweisen, dass ein gewisser Arthur Conan Doyle sich gänzlich unverdient als literarischer Verfasser aufzuspielen suchte - wohl nur, um sich etwas vom Ruhm zu borgen.

Shakespeare hingegen passt vielen Verehrern einfach nicht: Zu wenig kunstsinnig und kultiviert und vor allem viel zu provinziell erscheint ihnen der brave Handschuhmachersohn aus Stratford. Nach allem, was das umfängliche Werk erzählt, muss es sich bei dessen Autor, so geht seit 1856 die Kunde, gewiss um einen anderen gehandelt haben. Zwar hat es ganze 240 Jahre gedauert, bis dieser Verdacht ruchbar wurde, dafür ist immerhin die Zahl der Kandidaten, die man hinter ihm als Pseudonym vermutet hat, derart bemerkenswert gewachsen, dass jeder sich den passenden ganz nach Bedarf aussuchen kann.

Delia Bacon, die einst die Schnitzeljagd eröffnete, wählte ihren Namensvetter Francis Bacon, den englischen Staatsmann und Philosophen, von dem sie abzustammen glaubte. Dagegen wird Edward de Vere, der 17. Earl of Oxford, seit 1920 im Spiel und derzeit wieder hoch im Kurs, von einer umtriebigen Schar getreuer Anhänger favorisiert, zu deren Sprachrohr sich vor zwei Jahrzehnten der Earl of Burford, selbst ein aktueller Spross des Hauses de Vere, aufgeschwungen hat. Zu den prominentesten Anhängern dieser These gehören nicht nur große Sherlock-Holmes-Adepten wie beispielsweise Sigmund Freud, sondern auch namhafte Shakespeare-Darsteller wie John Gielgud, Derek Jacobi oder Mark Rylance, bis vor drei Jahren Gründungsintendant von Shakespeare's Globe in London.

Mittlerweile ist die gut organisierte Oxford-Bewegung zwar mit eigenen Kongressen und Journalen in eine Phase der Normalbetriebsamkeit gelangt, in der sie sich in Mimikry zur akademisch etablierten Philologie üben muss, welche sie ansonsten streng verachtet und nach Kräften schmäht. Die eigentlich bewegte Zeit ihrer Verfasserschaftsrecherchen waren aber jene großen Jahre eines Sherlock Holmes, als kriminalistische Buchstabenermittler darangingen, allerhand Akrostichen und Anagramme aus diversen Shakespeare-Texten rauszufiltern und durch ingeniöse Strategien geheime Hinweise auf ihren wahren Urheber zu dechiffrieren. Der Kernbestand an spurenfähigem Material, das zur Autorenüberführung taugt, ist jedenfalls seit jener Zeit nicht wesentlich gewachsen und wird nur immer weiter ausgebreitet oder vehementer gegen Abweichler verteidigt. Darin mag wohl auch der Publizist und preisgekrönte Hörfunkautor Kurt Kreiler, der jetzt seine Version der Geschichte in schöner Aufmachung und mit viel Umschweif darbietet, das Hauptanliegen sehen.

So erschien beispielsweise im Jahr 2006 bei Liverpool University Press eine seriöse De-Vere-Biographie, die Oxfordianer nicht nur deshalb sehr erboste, weil die Shakespeare-Frage darin kaum einmal gestellt wird. Vielmehr wies ihr Autor, Alan Nelson, auf den schlichten Umstand hin, dass sämtliche poetischen Hinterlassenschaften, die von de Vere bekannt sind, doch sehr bescheiden und alles andere als genieverdächtig sind. Sollte der gute Graf also - ein ausschweifender Lebemann, den Frauen wie dem Kriegshandwerk von Herzen zugetan - seine mittelprächtigen bis schwachen Verse unter eigenem Namen, seine Meisterwerke aber, die uns heute noch bewegen, unter Pseudonym veröffentlicht haben? Das einzige Argument, warum überhaupt der ganze Aufwand einer vorgetäuschten Autorschaft zu treiben sei, ist seit 150 Jahren stets dasselbe: Ein Mann von Stand, der etwas auf sich halte, dürfe im sechzehnten Jahrhundert nicht als Autor populärer Unterhaltungsstücke gelten. Umgekehrt traut man dem Bürgersohn aus Stratford so viel Kunst und Kraft, so viel Weisheit und Lektüre, so viel Einsicht in die Hof- und Adelswelt, wie sie aus Shakespeares Stücken sprechen, nun einmal nicht zu. So muss der eine für den anderen herhalten. Was aber sind die Textbelege, die dafür zu finden sind?

Zum Beispiel dies: "Hey ho hollydaye", "hey ho the high hill", "hey ho Bonibell". Achtzehn solcher "hey ho's" finden sich in der August-Ekloge aus Edmund Spensers Pastoralzyklus "The Shepheardes Calender", der 1579 im Druck erschien und mit derlei Kennzeichen, wie Kreiler zu bedenken gibt, "in neckischer Weise den Tonfall des Narrenlieds" nachahmt, mit dem Shakespeares "Sommernachtstraum" endet: "with hey, ho, the wind and the rains". Spenser folge also Shakespeares Vorbild. Der Punkt ist entscheidend. Üblicherweise wird dieses Stück nämlich auf Mitte der 1590er Jahre datiert. Da Edward de Vere allerdings vierzehn Jahre älter als William Shakespeare war und 1604 zwölf Jahre vor ihm starb, steht und fällt die ganze Autortheorie damit, dass sämtliche Werke zehn bis zwanzig Jahre rückdatiert werden, um wenigstens notdürftig zur Lebenszeit des Earl zu passen.

Von dieser Art ist die Beweisführung. "Bekanntlich strahlten - oder stachen - Elizabeths Augen wie die Sonne", erfahren wir an anderer Stelle. Wenn daher in "Verlorene Liebesmüh" von strahlenden Sonnenaugen die Rede ist, erkennt Kreiler hier den untrüglichen Hinweis auf die Königin und liest das ganze Stück als Offenbarungstext biographischer Entschlüsselung. Von literarischer Topik oder einem Repertoire konventioneller Formulierungen, die alle Dichtung weniger individualisiert erscheinen lassen, als wir sie in postrhetorischer Ästhetik lesen mögen, darf solche Autorfahndung keine Kenntnis nehmen. Zum zentralen Auskunftstext, der auf diese Weise ohne Rücksicht auf sein theatrales Rollenspiel zur Auswertung gelangt, werden wieder einmal die Sonette, die schon den Romantikern als Schlüssel zu des Barden Seele galten. Mit dem Earl of Oxford als Verfasser richtet die erotische Beziehung zu dem schönen Jüngling, die darin zum Ausdruck kommt, sich gar auf dessen eigenen Schwiegersohn - eine recht pikante Spielart der notorischen Verwicklungen, von denen sie zu künden scheinen.

Wie alle Oxfordianer muss Kreiler sein Hauptaugenmerk auf das Frühwerk legen und hiervon wiederum auf solche Stücke, die mit Figuren aus der höfischen Welt spielen, in der ein Graf sich auszukennen hat. Sämtliche Shakespeare-Dramen, die nachweislich nach 1604 entstanden sind, darunter immerhin so gewichtige wie "Der Sturm", müssen ebenso notgedrungen aus de Veres Schaffen ausgesondert werden wie alle, die sich intensiv mit plebejischen oder volkstümlich-märchenhaften Welten einlassen, weil sie zum Dünkel des Aristokratischen nun einmal nicht passen. Die Argumentation ist stets dieselbe: Die wahre Kunst, die unter Shakespeares Namen firmiert, wird derart hochgejubelt und in den Olymp gelobt, dass nur ein Mann von höchstem Stand als deren Schöpfer zugelassen werden kann. Was nicht in dieses Muster passt wie beispielsweise die späte Romanze "Pericles", ist dann "ein reichlich dummes und fades Stück", das weiter nicht zu interessieren braucht.

Dabei verfährt Kreiler nach dem bewährten Muster von Verschwörungstheorien: Wenn es Indizien für seine Hypothese gibt, sind es Indizien; wenn es aber keine gibt, sind es Beweise, denn Verschweigen deutet auf Verschwörung. Der Rest ist Geniekult. "Wir ahnen", heißt es dazu in bezeichnender Wortwahl, "dass dieses Werk nach Inhalt und Umfang nicht auf der Basis eines lebenslangen Dienstverhältnisses entstand, sondern auf der Grundlage geistiger und ökonomischer Selbstbestimmung." Mit solchen Glaubenssätzen weist die Oxford-Theorie sich hier erneut als späte Erbin romantischer Genie-Ästhetik aus, deren Vorstellung von künstlerischer Produktion einen entsprechend ausgewiesenen Produzenten fordert. Das ist sicher auch der Grund, warum gerade prominente Schauspieler, die an solchem Charisma berufshalber partizipieren müssen, sich zu ihren Anhängern erklären.

Ansonsten ist die vielbeschworene Faktenbasis, der Kreiler sich verpflichtet sieht, auch nach der Lektüre seines dicken Bandes weiterhin sehr dünn. In einer derart klatschsüchtigen Gesellschaft wie der elisabethanischen, die sich aufs Dokumentieren und Archivieren gut verstand und Geheimnisse oder Komplotte nur schmiedete, um sie bei passender Gelegenheit vorteilhaft aufdecken zu können, ist es schlechterdings undenkbar, dass ein so weitreichendes System der Täuschung und Verstellung, wie es die Oxford-Theorie verlangt, je dauerhaft funktioniert hätte, geschweige denn noch Hunderte von Jahren standhielte. Wer an dieser Gesellschaft interessiert ist und ein farbiges Kaleidoskop ihrer hochgestellten Lebenswelten sucht, der blättere in diesem Buch, das uns manch schöne Textbeispiele und amüsante Anekdoten präsentiert. Wer allerdings an spannender Ermittlungsarbeit sowie schlüssiger Beweisführung Interesse hat, der lese besser Sherlock Holmes. Und wer sich überhaupt für Shakespeare interessiert, der lese einfach weiter Shakespeare.

TOBIAS DÖRING

Kurt Kreiler: "Der Mann, der Shakespeare erfand". Edward de Vere, Earl of Oxford. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2009. 600 S., geb., 29,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Großen Eindruck hat Kurt Kreilers Biografie des elisabethanischen Aristokraten Edward de Vere, Earl of Oxford, bei Rezensent Ekkehart Krippendorff hinterlassen. Im Mittelpunkt sieht er nicht den seit 150 Jahren währenden Streit um die wahre Identität William Shakespeares. Im Gegenteil: Für den Autor ist längst entschieden, dass der Earl of Oxford der Schöpfer des Shakespeare'schen Werks ist. Kreiler gehe es vielmehr darum, dem Edward de Vere ein Gesicht zu geben und zu klären, was ihn dazu brachte, sich des unaufälligen Theatermanns Shakespeare zu bedienen, um seine Dramen aufzuführen und drucken zu lassen. Diese Aufgabe hat der Autor nach Ansicht Krippendorffs überzeugend gemeistert, seine Recherchen findet er rundum plausibel, die Biografie auch literarisch "anspruchsvoll".

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