Dezente Science-Fiction-Literatur
Der Autor Walter Tevis ist spätestens seit dem „Damengambit“ wieder in aller Munde. Sein Werk wird aktuell wiederentdeckt und neu übersetzt. Dazu gehört nun auch der Roman „Der Mann, der vom Himmel fiel“, der ursprünglich 1963 erschienen ist. Und man merkt dem Werk
den Zeitgeist der 60er Jahre an, z.B. wenn die Hauptfigur Thomas Jerome Newton über die Gefahr der…mehrDezente Science-Fiction-Literatur
Der Autor Walter Tevis ist spätestens seit dem „Damengambit“ wieder in aller Munde. Sein Werk wird aktuell wiederentdeckt und neu übersetzt. Dazu gehört nun auch der Roman „Der Mann, der vom Himmel fiel“, der ursprünglich 1963 erschienen ist. Und man merkt dem Werk den Zeitgeist der 60er Jahre an, z.B. wenn die Hauptfigur Thomas Jerome Newton über die Gefahr der Kriegsführung spricht. Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man das Buch liest.
Was das Buch in meinen Augen auszeichnet, ist die starke Hauptfigur des Außerirdischen Newton, der mysteriös wirkt. auf der einen Seite besitzt er eine den Menschen überlegene Intelligenz, doch auf der anderen Seite ist er körperlich so verletzlich und gebrechlich. Von Beginn an fragt man sich bei der Lektüre, was er vorhat, was sein Plan ist, welches Ziel er verfolgt. Das treibt die Handlung gut voran. Seine Fremdartigkeit wird nur recht dezent angedeutet, hin und wieder erfahren wir auch vage etwas über seine Heimatwelt. Das finde ich gut gemacht. Auch die psychischen Auswirkungen seines Aufenthalts auf der Erde kommen gut zum Ausdruck. Er vermisst seine Heimat, fühlt sich einsam, gibt sich dem Alkohol hin und wirkt in dieser Phase orientierungslos. Kurzum: Die Figur ist nicht statisch angelegt, sondern entwickelt sich. Das ist ebenfalls gelungen.
Auch die Figur des Nathan Bryce fand ich interessant angelegt, er schöpft schon früh Verdacht, dass es sich bei Newton um eine außergewöhnliche Person handeln muss. Später überschneiden sich dann auch die Wege von Newton und Bryce. Was mich während des Lesens aber etwas gestört hat, ich habe nie ganz ergründen können, was er denn nun eigentlich vorhat. Gleichzeitig treibt aber diese Uneindeutigkeit wieder die Handlung voran. Als Highlight des Buchs habe ich das Gespräch zwischen den beiden Protagonisten empfunden, in dem Newton Bryce seine Ziele offenlegt. Und hier zeigt sich, dass die Botschaft des Buchs durchaus Aktualitätsbezug aufweist.
Betty Jo hingegen blieb mir insgesamt zu blass. Wird das Kennenlernen mit Newton noch ziemlich ausführlich beschrieben, tritt sie danach für mich zu sehr in den Hintergrund. Das fand ich schade, hier wäre mehr drin gewesen.
Dass man wenig über das Innenleben der Figuren erfährt, liegt an der gewählten Erzählperspektive. Die Handlung wird aus einem distanzierten personalen Blickwinkel berichtet. Dadurch ist man nicht so nah dran an den Figuren und an ihren Gedanken und Gefühlen. Und gerade das lässt Leerstellen entstehen. Als Leser:in steckt man eher in der Beobachterrolle. Wie man das nun empfindet, muss jede/r für sich selbst beantworten. Für den einen mag genau das den Reiz beim Lesen ausmachen, ich hätte hingegen gern mehr über die Beweggründe von Newton und vor allem auch Bryce erfahren.
Das Ende des Buchs war für mich überraschend und zugleich irritierend. Der Umgang mit Newton und auch Newtons Handlungen waren nach meinem Dafürhalten nicht gänzlich plausibel. Das fand ich etwas schade.
Fazit: Ein Science-Fiction-Roman mit Aktualitätsbezug, in dem die Fremdartigkeit des Außerirdischen Thomas Jerome Newton nur sehr dezent thematisiert wird. Durch die gewählte Erzählperspektive ergeben sich einige Leerstellen. Klare Stärke des Werks: die Konzeption der Figur Newton. Es ist ein sehr gutes Buch, aber kein herausragendes. Deshalb vergebe ich 4 Sterne.