Anfang des 19. Jahrhunderts stolpert ein junger ungarischer Student während seines Studiums in Göttingen über die Theorie, die Ungarn stammten von einem Hiung-nu genannten Volk im Himalaya ab, über das in einem buddhistischen Kloster in der verbotenen Stadt Lhasa Aufzeichnungen existierten. Er setzt sich in den Kopf, diese Aufzeichnungen zu finden, lernt 16 Sprachen - einschließlich des Tibetischen - und begibt sich 1818 zu Fuß auf eine Reise, von der er nie zurückkehren wird.
In seiner fesselnd erzählten Geschichte nimmt Edward Fox uns mit auf die strapaziöse und abenteuerliche Reise des Alexander Csoma de Kirös zum Dach der Welt.
In seiner fesselnd erzählten Geschichte nimmt Edward Fox uns mit auf die strapaziöse und abenteuerliche Reise des Alexander Csoma de Kirös zum Dach der Welt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.03.2006Der Himmel über dem Kellerloch
Die Geschichte der Suche nach dem Ursprung der ungarischen Sprache in Tibet
Als die Theologie die Herrschaft über den Geist verlor und Geschichtswissenschaft und Philologie an ihre Stelle traten, überließ sie ihren Nachfolgern ein höchst problematisches Erbe: die Sehnsucht nach dem Ursprung, nach dem Anfang der deutschen Sprache, nach dem echten Homer, nach der Wirklichkeit hinter den Mythen. Viele Tausende Forscherleben wurden für die Beantwortung solcher Fragen hingegeben, aber für keinen Forscher wurde der Weg so lang, so beschwerlich und doch so großartig wie für den kleinen Ungarn Alexander Szoma de Korös.
Im Jahr 1784 im heutigen Rumänien geboren, ein lernbegieriger Asket wie wenige, studierte er in Göttingen, unter anderem bei Johann Gottfried Eichhorn, lernte 17 Sprachen und machte sich um 1820 auf, den Ursprung der Ungarn und ihrer Sprache in Tibet zu finden. Gelungen ist es ihm nicht, aber bei seinem Versuch entstand nicht nur die erste tibetanische Grammatik (in einem Erdloch, in sechzehn Monaten Isolation mit einem Mönch), sondern eine Reise ohne gleichen. Der Amerikaner Edward Fox hat diese Lebensgeschichte nun aufgezeichnet, angemessen nüchtern und doch spannend bis zur letzten Zeile.
tost
Edward Fox
Der Mann, der zum Himmel ging.
Aus dem Englischen von Caroline Einhäupl. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2006. 90 Seiten, 13,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Die Geschichte der Suche nach dem Ursprung der ungarischen Sprache in Tibet
Als die Theologie die Herrschaft über den Geist verlor und Geschichtswissenschaft und Philologie an ihre Stelle traten, überließ sie ihren Nachfolgern ein höchst problematisches Erbe: die Sehnsucht nach dem Ursprung, nach dem Anfang der deutschen Sprache, nach dem echten Homer, nach der Wirklichkeit hinter den Mythen. Viele Tausende Forscherleben wurden für die Beantwortung solcher Fragen hingegeben, aber für keinen Forscher wurde der Weg so lang, so beschwerlich und doch so großartig wie für den kleinen Ungarn Alexander Szoma de Korös.
Im Jahr 1784 im heutigen Rumänien geboren, ein lernbegieriger Asket wie wenige, studierte er in Göttingen, unter anderem bei Johann Gottfried Eichhorn, lernte 17 Sprachen und machte sich um 1820 auf, den Ursprung der Ungarn und ihrer Sprache in Tibet zu finden. Gelungen ist es ihm nicht, aber bei seinem Versuch entstand nicht nur die erste tibetanische Grammatik (in einem Erdloch, in sechzehn Monaten Isolation mit einem Mönch), sondern eine Reise ohne gleichen. Der Amerikaner Edward Fox hat diese Lebensgeschichte nun aufgezeichnet, angemessen nüchtern und doch spannend bis zur letzten Zeile.
tost
Edward Fox
Der Mann, der zum Himmel ging.
Aus dem Englischen von Caroline Einhäupl. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2006. 90 Seiten, 13,90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.03.2006Der erleuchtete Ungar
Edward Fox singt das Lied vom heiligen Alexander Csoma
Dietmar Henze, unbestechlich wie stets, schreibt in seiner großen "Enzyklopädie der Entdecker und Erforscher der Erde" unter dem Eintrag "Csoma, Alexander" als Resümee: "Die Geographie ließ er unbereichert." Das dürfte so ziemlich das einzige sein, was man dem ungarischen Sprachforscher ankreiden kann, wenn man dessen Lebenswerk als Teil der weltweiten Entdeckungsgeschichte bilanziert.
Welche Faszination aber nach wie vor von diesem Forscher ausgeht, belegt nicht nur, daß Henze ihn überhaupt in sein Werk aufnimmt, obwohl er doch eigentlich nichts darin verloren hat. Auch der literarische Lebensbericht, den der Autor Edward Fox vor fünf Jahren über Csoma publizierte und der jetzt auf deutsch erschienen ist, spricht auf jeder Seite von dem Mirakel dieser Forscherexistenz.
Csoma, als Szekler Ungar 1784 in Siebenbürgen geboren, scheint sich als Sohn von Bauern aus der Provinz seine Schulbildung hart erkämpft zu haben, und entsprechend ernst nahm er das Studium am Collegium Bethlenianum - einer Ausbildungsstätte für calvinistische Priester, die er zunächst als Schüler besuchte und an der er dann Lehrer wurde.
Was dort später von ihm berichtet wurde, trägt den Charakter einer Heiligenlegende (die Fox auch genüßlich referiert), indem sich schon früh Eigenschaften an ihm gezeigt haben sollen, für die er später berühmt wurde: Bienenfleißig sei er gewesen, ungemein genügsam und unkommunikativ bis über beide Ohren - insofern war das Collegium, das er mit 31 Jahren und acht Sprachen mächtig wieder verließ, die ideale Ausbildungsstätte für einen Forscher, der später jahrelang in einer winzigen unbeheizten Hütte am Fuß des Himalaja hocken sollte, um buddhistische Texte zu studieren.
Und vor allem, und auch dies erinnert in seiner zielgerichteten frühen Festlegung auf das große Ganze an die Viten frommer Männer: Csoma beschloß, den Ursprung der Ungarn dort zu erforschen, wo er der Legende nach zu suchen war, in Zentralasien. Das in Europa sprachlich isolierte Volk sei, so eine beliebte These des 18. Jahrhunderts, einst aus dem Fernen Osten gekommen, und irgendwo dort, sei es am Ufer des Kaspischen Meeres, sei es in China, lebten vielleicht abgeschieden noch ein paar Menschen ungarischer Zunge.
Csoma bricht dann tatsächlich auf, lernt weitere Sprachen (er wird es insgesamt auf sechzehn bringen), reist mehr zu Fuß als zu Pferd, findet ein paar Förderer, erarbeitet das erste tibetisch-englische Wörterbuch samt tibetischer Grammatik und erweist sich auch für den Buddhismus des Landes als so aufnahmebereit, daß er ein Jahrhundert später offiziell als Bodhisattva, als Erleuchteter, anerkannt wird.
Vielleicht ist das manchmal ein bißchen zu blumig geraten, wenn Fox Csoma als "hervorragendsten Vertreter" seines Volkes feiert, den heute "jeder Ungar" verehre, zudem stören unnötige Wortwiederholungen, von denen man nicht weiß, ob sie dem Autor oder der nicht immer flüssigen deutschen Übersetzung anzulasten sind, die im übrigen konsequent "Transsilvanien" statt "Siebenbürgen" schreibt. Der Faszination, die man mühelos für dieses Leben und das schmale Buch entwickeln wird, nimmt das nichts. Und daß Csoma wie billig auf einer Reise stirbt, die ihn nun endlich mit den versprengten Ungarn Asiens vereinen sollte, mag man sogar als gnädig empfinden. Denn anzukommen, ohne sich in der Heimatsprache verständigen zu können, wäre wirklich eine Enttäuschung gewesen.
TILMAN SPRECKELSEN
Edward Fox: "Der Mann, der zum Himmel ging". Aus dem Englischen übersetzt von Caroline Einhäupl. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2006. 96 S., geb., 13,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Edward Fox singt das Lied vom heiligen Alexander Csoma
Dietmar Henze, unbestechlich wie stets, schreibt in seiner großen "Enzyklopädie der Entdecker und Erforscher der Erde" unter dem Eintrag "Csoma, Alexander" als Resümee: "Die Geographie ließ er unbereichert." Das dürfte so ziemlich das einzige sein, was man dem ungarischen Sprachforscher ankreiden kann, wenn man dessen Lebenswerk als Teil der weltweiten Entdeckungsgeschichte bilanziert.
Welche Faszination aber nach wie vor von diesem Forscher ausgeht, belegt nicht nur, daß Henze ihn überhaupt in sein Werk aufnimmt, obwohl er doch eigentlich nichts darin verloren hat. Auch der literarische Lebensbericht, den der Autor Edward Fox vor fünf Jahren über Csoma publizierte und der jetzt auf deutsch erschienen ist, spricht auf jeder Seite von dem Mirakel dieser Forscherexistenz.
Csoma, als Szekler Ungar 1784 in Siebenbürgen geboren, scheint sich als Sohn von Bauern aus der Provinz seine Schulbildung hart erkämpft zu haben, und entsprechend ernst nahm er das Studium am Collegium Bethlenianum - einer Ausbildungsstätte für calvinistische Priester, die er zunächst als Schüler besuchte und an der er dann Lehrer wurde.
Was dort später von ihm berichtet wurde, trägt den Charakter einer Heiligenlegende (die Fox auch genüßlich referiert), indem sich schon früh Eigenschaften an ihm gezeigt haben sollen, für die er später berühmt wurde: Bienenfleißig sei er gewesen, ungemein genügsam und unkommunikativ bis über beide Ohren - insofern war das Collegium, das er mit 31 Jahren und acht Sprachen mächtig wieder verließ, die ideale Ausbildungsstätte für einen Forscher, der später jahrelang in einer winzigen unbeheizten Hütte am Fuß des Himalaja hocken sollte, um buddhistische Texte zu studieren.
Und vor allem, und auch dies erinnert in seiner zielgerichteten frühen Festlegung auf das große Ganze an die Viten frommer Männer: Csoma beschloß, den Ursprung der Ungarn dort zu erforschen, wo er der Legende nach zu suchen war, in Zentralasien. Das in Europa sprachlich isolierte Volk sei, so eine beliebte These des 18. Jahrhunderts, einst aus dem Fernen Osten gekommen, und irgendwo dort, sei es am Ufer des Kaspischen Meeres, sei es in China, lebten vielleicht abgeschieden noch ein paar Menschen ungarischer Zunge.
Csoma bricht dann tatsächlich auf, lernt weitere Sprachen (er wird es insgesamt auf sechzehn bringen), reist mehr zu Fuß als zu Pferd, findet ein paar Förderer, erarbeitet das erste tibetisch-englische Wörterbuch samt tibetischer Grammatik und erweist sich auch für den Buddhismus des Landes als so aufnahmebereit, daß er ein Jahrhundert später offiziell als Bodhisattva, als Erleuchteter, anerkannt wird.
Vielleicht ist das manchmal ein bißchen zu blumig geraten, wenn Fox Csoma als "hervorragendsten Vertreter" seines Volkes feiert, den heute "jeder Ungar" verehre, zudem stören unnötige Wortwiederholungen, von denen man nicht weiß, ob sie dem Autor oder der nicht immer flüssigen deutschen Übersetzung anzulasten sind, die im übrigen konsequent "Transsilvanien" statt "Siebenbürgen" schreibt. Der Faszination, die man mühelos für dieses Leben und das schmale Buch entwickeln wird, nimmt das nichts. Und daß Csoma wie billig auf einer Reise stirbt, die ihn nun endlich mit den versprengten Ungarn Asiens vereinen sollte, mag man sogar als gnädig empfinden. Denn anzukommen, ohne sich in der Heimatsprache verständigen zu können, wäre wirklich eine Enttäuschung gewesen.
TILMAN SPRECKELSEN
Edward Fox: "Der Mann, der zum Himmel ging". Aus dem Englischen übersetzt von Caroline Einhäupl. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2006. 96 S., geb., 13,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ein bisschen liest sich diese literarische Biografie Alexander Csomas von Edward Fox wie eine Heiligenvita, meint Tilman Spreckelsen, den das fleißige und asketische Leben des ungarischen Sprachforschers durchaus fasziniert. Csoma, der im frühen 19. Jahrhundert nach den Ursprüngen der Ungarn in Zentralasien suchte, erstellte das erste tibetisch-englische Wörterbuch und wurde später Buddhist, teilt der Rezensent mit, dem diese Lebensgeschichte allerdings etwas zu "blumig geraten" ist. Auch die Übersetzung könnte seiner Meinung nach "flüssiger" sein und bei mancher störenden "Wortwiederholung" weiß der Rezensent nicht, ob sie der Autor oder die Übersetzerin zu verantworten hat. Diese Mängel können aber der "Faszination", die von dieser Forscherpersönlichkeit ausgeht, keinen Abbruch tun, versichert Spreckelsen interessiert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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