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In einer Zeit, in der die Schere zwischen den Bedürfnissen und den vorhandenen Ressourcen immer weiter auseinander zu klaffen droht, wird der Ruf nach knappheitsgerechten Verteilungsmechanismen immer lauter. Namentlich die Ökonomik reklamiert für sich den Anspruch, einen sinnvollen Beitrag zur Optimierung der staatlichen Verteilungsordnung erbringen zu können. Mario Martini geht den komplexen Fragen grundrechtlicher wie finanzverfassungsrechtlicher Natur nach, die eine Implementierung des Marktes als Instrument staatlicher Verwaltung des Mangels aufwirft. Ihre Bandbreite reicht von der…mehr

Produktbeschreibung
In einer Zeit, in der die Schere zwischen den Bedürfnissen und den vorhandenen Ressourcen immer weiter auseinander zu klaffen droht, wird der Ruf nach knappheitsgerechten Verteilungsmechanismen immer lauter. Namentlich die Ökonomik reklamiert für sich den Anspruch, einen sinnvollen Beitrag zur Optimierung der staatlichen Verteilungsordnung erbringen zu können. Mario Martini geht den komplexen Fragen grundrechtlicher wie finanzverfassungsrechtlicher Natur nach, die eine Implementierung des Marktes als Instrument staatlicher Verwaltung des Mangels aufwirft. Ihre Bandbreite reicht von der Gemeinwohlorientierung des Zuteilungsmechanismus, der Steuerungsverantwortung des Parlaments über die Gefahren staatlicher Pleonexie, der Vereinbarkeit mit dem Gedanken des Steuerstaates sowie dem finanzverfassungsrechtlichen Äquivalenzprinzip bis hin zu Fragen der Gleichheit in der Zeit und der Risikozuordnung zwischen Staat und Grundrechtsträgern. Ausgehend von dem Gedanken, dass die Wahl des Marktes als Handlungsinstrument den Staat nicht der Verantwortung für die Verteilungsergebnisse enthebt, rekonstruiert der Autor die Grundrechte als verfassungsrechtliche Grenze der Risikozuweisung. Die Ergebnisse werden auf die wichtigsten denkbaren Referenzbereiche marktwirtschaftlicher Primär- und Sekundärallokation heruntergebrochen, insbesondere Frequenzen, Umweltnutzungsrechte, Start- und Landerechte, Rohstoffabbaurechte oder Außenwirtschaftsgenehmigungen.
Autorenporträt
Geboren 1969; Studium der Rechtswissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; 1999 Promotion; 2006 Habilitation; wissenschaftlicher Assistent an der Bucerius Law School, Hamburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2008

Der Staat als Auktionator
Schon Goethe versteigerte nobelpreisverdächtig

"Wer zuerst zu der Mühle kommt, mahlt zuerst." Dieses gewohnheitsrechtliche Zuteilungsverfahren wurde schon vom sächsischen Ritter Eike von Repgow im Sachsenspiegel, dem ältesten deutschen Rechtsbuch des Mittelalters, beschrieben. Heutzutage wird das Prioritätsprinzip nicht mehr ausschließlich, aber noch vielfach angewandt, etwa bei der Vergabe von Taxikonzessionen, Internetadressen oder Spenderorganen.

Der Staat und seine Beauftragten müssen in vielen Situationen entscheiden, wie sie knappe Güter verteilen. In der Gesellschaft wird das "first come, first serve"-Prinzip nicht selten als gerecht empfunden und dem Allokationsmodell des Marktes vorgezogen, obwohl der Preismechanismus als Zuteilungsmodell regelmäßig zu effizienteren Ergebnissen führen würde.

Das gilt auch für weitere angeblich gerechte Erstverteilungsverfahren: So verlangt das Kopfprinzip, jedem Antragsteller die gleiche Leistung zu gewähren. Das ist einfach und transparent. Doch nicht erst durch das EG-Agrarsubventionsrecht ist diese "Gießkanne" in Verruf geraten und wird heute immer seltener angewandt. Eine nach wie vor nicht unerhebliche Rolle spielt dagegen das Losprinzip in der Rechtsordnung. Bei der Verteilung knapper Studienplätze spielt der Zufall ebenso eine Rolle wie im Telekommunikationsrecht oder nach Wahlen im Falle einer Stimmengleichheit der Bewerber.

Dass das Gut demjenigen zukommt, der die mit der Zuteilung verfolgten Ziele am besten befriedigen kann, ist natürlich nicht gesichert. Bleibt das sogenannte Pro-rata-Verfahren. Hier meldet jeder Interessent seinen Bedarf an. Überschreitet der Gesamtbedarf die Kapazität, wird die Zuteilungsmenge anteilig bei allen gekürzt. Anwendung findet dies bei kontingentierten Außenwirtschaftsgenehmigungen oder bei der Ausschreibung von Wertpapieren im Mengentenderverfahren der Bundesbank. Das Verfahren begünstigt denjenigen, der einen überhöhten Antrag stellt. Es besteht ein Anreiz zur Manipulation.

Mario Martini zeigt die vielen Nachteile der traditionellen Zuteilungsverfahren auf und plädiert in seiner ausnahmslos überzeugenden Arbeit für den verstärkten Einsatz von Versteigerungen. Denn: "Der ihnen immanente Preismechanismus induziert einen Wettbewerb der Bieter, der sie zur wahrheitsgemäßen Offenbarung ihrer Effizienzpotentiale veranlasst." Dabei sei die Vickrey-Auktion, benannt nach dem amerikanischen Ökonomen William Vickrey, anderen Auktionsarten vorzuziehen. Bei ihm haben die Bieter die Möglichkeit, einmalig ein geheimes Gebot abzugeben. Der Gewinner - also der Bieter, der das höchste Gebot abgegeben hat - zahlt aber nicht den von ihm gebotenen Preis, sondern den Preis des zweithöchsten Gebots. Der Sinn des Verfahrens erschließt sich erst auf den zweiten Blick.

Eine Vickrey-Auktion verändert das Bieterverhalten der Teilnehmer. Es gelingt ihr, strategische Überlegungen über Mitbewerber auszuschalten, und führt zum Anreiz, ein Gebot abzugeben, welches der wahren eigenen Zahlungsbereitschaft entspricht. Vickrey erhielt für diese Erkenntnis 1996 den Nobelpreis. Doch schon 1797 benutzte Goethe eine Zweitpreisauktion, um sein Manuskript "Hermann und Dorothea" zu verwerten. Er wollte herausfinden, wie sein "tatsächlicher Marktwert" als Autor war.

Versteigerungen sind oft sinnvoll; aber, so warnt Martini, auch teuer und kompliziert. Nicht immer führen sie zudem dazu, dass derjenige das Gut erhält, der es am effizientesten nutzt. Manchmal erwirbt es derjenige, der die optimistischsten Erwartungen an seinen Wert hat. Zu diesem Dilemma kommt ein zweites hinzu: Nicht alle Marktinteressenten haben gleiche Chancen, an der Auktion teilzunehmen. Spenderorgane nur noch für Reiche? Martini verlangt dem Staat ab, ein Mindestmaß an Chancengleichheit zwischen den Interessenten herzustellen.

Damit hebt sich der an der LMU München tätige Privatdozent von der "Chicago School of Economics" ab und unterstützt leidenschaftlich die Gedanken der Sozialen Marktwirtschaft. Wie können der Staat oder seine Beauftragten am besten entscheiden, welche Zuordnungsregel sie wann anwenden? Keinesfalls dürfen sie vom Gedanken der fiskalischen Einnahmeerzielung getrieben sein, in der Regel daher von der Effizienz des Ergebnisses, in vielen Fällen auch von der Bedürftigkeit der Antragsteller. Dies genauer zu bestimmen, ist Aufgabe der Politik. Vermutlich sind deshalb die Gesetzbücher heute so viel länger als der Sachsenspiegel aus dem 13. Jahrhundert.

JOCHEN ZENTHÖFER

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