Der Meister und Margarita von Michail Bulgakow hat seit seiner Veröffentlichung im Jahre 1966 weltweit Kritiker und Leser gleichermaßen begeistert und gilt bereits jetzt als Klassiker der russischen Literatur. Doch kann der Roman den Vorschusslorbeeren wirklich gerecht werden?
Vorbemerkungen
Eines vorweg: Es handelt sich um ein Buch, dass so vollgepackt mit phantastischen Motiven,…mehrDer Meister und Margarita von Michail Bulgakow hat seit seiner Veröffentlichung im Jahre 1966 weltweit Kritiker und Leser gleichermaßen begeistert und gilt bereits jetzt als Klassiker der russischen Literatur. Doch kann der Roman den Vorschusslorbeeren wirklich gerecht werden?
Vorbemerkungen
Eines vorweg: Es handelt sich um ein Buch, dass so vollgepackt mit phantastischen Motiven, autobiographischen Elementen und intertextuellen Bezügen ist, dass man beinahe alles hineininterpretieren kann. Die Betonung liegt auf das Wort „kann“ – auch ohne Hintergrundwissen handelt es sich um eine überaus unterhaltsame Lektüre.
Und keine Sorge, ich seziere den Roman an dieser Stelle auch nicht, sondern beschränke mich auf die wichtigsten Aspekte (es gibt auch keine Faust-Anspielungen mehr, versprochen).
Der Roman lässt sich grob in drei Handlungsabschnitte aufteilen, die keinem festen Schema zu folgen scheinen, zum Ende hin aber zu einem runden Abschluss geführt werden – dabei kann bereits jede Ebene für sich überzeugen.
Vielschichtige Handlung
Auf der ersten Ebene erwartet uns ein waschechter Fantasy-Schelmen-Roman (Leser der U- und E-Front dürfen gerne auch magischer Realismus sagen …). Rein oberflächlich handelt es sich um humorvoll-satirische bis bitterböse Episoden (man denke nur an die Wohnungssuche, die zweite Frischeklasse, der Auftritt im Varieté oder die zentrale Ball-Szene) im Zusammenhang mit dem Teufel Woland und seinem Gefolge (insbesondere der riesige Kater Begemot bleibt in Erinnerung). Dahinter verbirgt sich natürlich mehr oder weniger verdeckte Kritik an der Sowjetunion, Stalin und den parasitären bis einfältigen Bewohnern der Stadt.
Die zweite Ebene bewegt sich weg von der Gesellschaft hin zum Individuum und nimmt die namensgebenden Figuren in den Fokus. Neben der mehr oder weniger interessanten Liebesgeschichte faszinieren hier die beiden Hauptfiguren, die als einzige das bestehende System ablehnen und es dennoch nicht zu ihren Gunsten ausnutzen, sondern verzweifelt einen eigenen Weg suchen. Vor allem hier lassen sich viele autobiographische Anleihen finden.
Die dritte Ebene bildet eine Erzählung des Meisters, die sich mit der Beziehung von Pontius Pilatus und Jeschua (Jesus) beschäftigt und die Geschichte im Grunde genommen umklammert. Bevor hier irgendwelche Gefühle verletzt werden: Meines Erachtens wollte Bulgakow hier nicht zu religiösen Fragen Stellung beziehen, sondern ähnlich wie auf der ersten Ebene lediglich die Fehler im System Sowjetunion literarisch verarbeiten.
Handwerklich vielseitig
Handwerklich handelt es sich um einen erstaunlich modernen Roman. Bulgakow wird man sicherlich niemals mit einem Minimalisten wie Cechov verwechseln, aber seine Sätze sind immer zielführend und wir Leser fliegen geradezu durch die Seiten.
Auch sonst gibt es nichts, was Bulgakow nicht kann. Er beherrscht sowohl ernsthafte als auch unterhaltsame Szenen, kann lebendige und unterhaltsame Dialoge verfassen, Leser zum Nachdenken und Lachen bringen und wechselt spielerisch zwischen verschiedenen Perspektiven und Ebenen, ohne das große Ganze aus dem Blick zu verlieren.
Gelungene Schmuckausgabe
Mit der mir vorliegenden Ausgabe hat sich nun auch der Anaconda Verlag auf den wachsenden Markt der Schmuckausgaben gewagt. Uns erwartet ein leicht überdurchschnittlich großes Hardcover mit rotem Farbschnitt und farblich abgestimmten Lese- und Kapitalband. Eine Fadenheftung fehlt zwar, dies ist aber angesichts des günstigen Preises auch nicht anders zu erwarten gewesen.
Im liebevoll gestalteten Inneren finden wir noch zahlreiche Illustrationen von Alexander Fedorov, der diese eigens für eine russische Ausgabe angefertigt hatte. Das lesenswerte Nachwort der Übersetzerin Alexandra Berlina liefert nicht nur Einblicke in ihre Arbeitsweise, sondern besticht auch durch interessante Hintergrundinformationen zu Autor, Lektüre und Rezeption. Alles in allem handelt es sich also um eine gelungene Schmuckausgabe, der gerne noch weitere folgen dürfen.
Fazit
Der Meister von Margarita von Michail Bulgakow zählt völlig zu Recht zu den großen Klassikern der russischen Literatur. Inhaltlich vielschichtig, sprachlich brillant – Pflichtlektüre!