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Unglaubliche Dinge geschehen im Moskau der dreißiger Jahre. Berlioz, der Vorsitzende einer Literaturgesellschaft, und Besdomny, ein junger Lyriker, diskutieren an einem Frühlingsabend über die Nichtexistenz Christi. In ihr Gespräch mischt sich ein Fremder, ein Ausländer offenbar, der beiläufig erwähnt, daß er nicht nur mit Kant gefrühstückt habe, sondern auch beim zweiten Verhör Jesu durch Pontius Pilatus zugegen gewesen sei. Die Verblüffung der beiden kennt keine Grenzen, als der Fremde ihnen zudem eröffnet, daß Berlioz noch am selben Abend der Kopf vom Rumpf getrennt würde. Und seine Worte bewahrheiten sich . . .…mehr

Produktbeschreibung
Unglaubliche Dinge geschehen im Moskau der dreißiger Jahre. Berlioz, der Vorsitzende einer Literaturgesellschaft, und Besdomny, ein junger Lyriker, diskutieren an einem Frühlingsabend über die Nichtexistenz Christi. In ihr Gespräch mischt sich ein Fremder, ein Ausländer offenbar, der beiläufig erwähnt, daß er nicht nur mit Kant gefrühstückt habe, sondern auch beim zweiten Verhör Jesu durch Pontius Pilatus zugegen gewesen sei. Die Verblüffung der beiden kennt keine Grenzen, als der Fremde ihnen zudem eröffnet, daß Berlioz noch am selben Abend der Kopf vom Rumpf getrennt würde. Und seine Worte bewahrheiten sich . . .
Autorenporträt
Michail Bulgakow wurde am 15. Mai 1891 in Kiew geboren und starb am 10. März 1940 in Moskau. Nach einem Medizinstudium arbeitete er zunächst als Landarzt und zog dann nach Moskau, um sich ganz der Literatur zu widmen. Er gilt als einer der größten russischen Satiriker und hatte zeitlebens unter der stalinistischen Zensur zu leiden. Seine zahlreichen Dramen durften nicht aufgeführt werden, seine bedeutendsten Prosawerke konnten erst nach seinem Tod veröffentlicht werden. Seine Werke liegen im Luchterhand Literaturverlag in der Übersetzung von Thomas und Renate Reschke vor.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2014

Der Tanz der toten Seelen

Hier wird nicht gelesen, hier entstehen Räume: Klaus Buhlert macht aus Michail Bulgakows "Meister und Margarita" ein grandios leichtfüßiges Hörspiel.

Von Christian Deutschmann

Härter hätte es ein System nicht treffen können, als ihm, zu dessen ehernen Grundpfeilern der Atheismus gehört, den Satan auf die gesicherte Bude rücken zu lassen. Wo er Würdenträger blamiert, Gewissheiten ins Wanken bringt und der Staatsmacht am Ende die Hosen herunterzieht. Es ist der verstörende Griff ins Metaphysische, der Michail Bulgakows "Meister und Margarita" über das Satirische hinaus zum stärksten Gegengift gegen Realität und Doktrin des Sowjetsozialismus werden ließ, aber auch bewirkte, dass uns der Roman heute noch packt.

Unterschiedlich seine Karriere in West und Ost. Nicht auf Anhieb mochten sich Westleser, in der Bundesrepublik erschien der Roman zehn Jahre später als in der DDR, mit ihm anfreunden. Denn statt erwarteter "Darstellungen" eines hässlichen Sowjetimperiums begegneten ihnen Episoden, in denen die Vernunft außer Kraft gesetzt ist. Da verschwinden Menschen, verwandeln sich, werden unsichtbar und können fliegen; unter die Akteure mischt sich ein sprechender und bösartiger Kater; ein Varieté wird erst zum Spuk und dann zum Albtraum; Funktionäre landen in der Irrenanstalt, in einer Wohnung treffen sich Gestorbene zum Ball, zwei Liebende finden über irdische Grenzen hinaus zueinander. Und dann noch ein Roman im Roman: die Begegnung des Prokurators Pontius Pilatus mit Jeschua Ha-Nozri in Jerschalajim, dessen Kreuzigung und schließlich die Beseitigung des Verräters Judas. Alles andere als ein "Dissidenten"-Stoff, vielmehr ein Verwirrspiel nach Schelmenart, das von der Alltagssatire ins Elysium führt.

Auf Anhieb begeistert waren die Leser im Osten. Sie entzückte bereits der Plot, der darauf beruht, dass einer Welt von diktiertem Fortschrittsglauben Grenzen gesetzt werden und der "Böse" einem geschundenen Literaten zu Unsterblichkeit und Liebesglück verhilft. Gebildete konnten sich an Goethe-Anleihen freuen: Der titelgebende "Meister" (ebenjener Literat) ist eine Faustgestalt, und aus Mephistopheles, bei Goethe auch Junker Voland genannt, wird Woland, während Margarita die Gretchen-Tragödie emanzipatorisch wendet. Mühelos aber lasen die Fürsprecher, die das Buch rasch fand, die subversive Parabel heraus, die Gut und Böse neu sortiert und sich in der Jesus-Pilatus-Geschichte zu einem grandiosen Gegenbild zum Stalin-Imperium steigert.

Natürlich konnte das in Bulgakows Heimat nicht gutgehen, und so spricht schon die Entstehungs- und Editionsgeschichte des Buchs für sich. Geschrieben zwischen 1928 und 1940, erlebte es in Russland erst 1966, in der DDR zwei Jahre später eine zunächst "gereinigte" Veröffentlichung. Unbestritten und längst historisch die Verdienste von Herausgeber Ralf Schröder und Übersetzer Thomas Reschke: der eine mit einem listig die Oberen schmeichelnden Nachwort; der andere mit einer philologisch gediegenen, doch heute zuweilen verstaubt anmutenden Fassung. Es ist der Ton, der die Musik macht: Das verrät Alexander Nitzbergs 2012 erschienene und sogleich weithin gerühmte Neuübersetzung. Sie ist aus gänzlich anderem Geist geschaffen als die vorherige: unbefangen, sprachspielerisch, von großem, auch brutalem Charme und modern collagierend. Klaus Buhlerts für den Bayerischen Rundfunk geschaffene zehnstündige Hörfassung folgt ihm darin, gibt dem Werk eine Leichtfüßigkeit, die kaum glauben macht, dass sich so viele an diesem Roman die Zähne ausgebissen haben. Da wird nicht gelesen, sondern entstehen Räume. Ob wir in einer Moskauer Wohnung, dem Statthalterpalast in Jerschalajim oder am Himmel über Moskau sind - unsere Ohren, für derartige Imaginationen ohnehin eher geschaffen als Augen, unterscheiden nicht.

Klaus Buhlert befreit den Roman von der Führungsrolle eines vorlesenden Erzählers, macht diesen zum Augenzeugen auch übersinnlicher Vorkommnisse, während die Akteure nicht "spielen", sondern wie zu sich selbst reden und zuweilen wie ferne Erinnerungs-Echos in den Erzählpart eingreifen. Eine akustische Show das Ganze, durch Clownerien angereichert, in denen auf Russisch wie Deutsch das Gehörte paraphrasiert wird. Zum Mitspieler wird aber auch die Musik, die ebenso knapp wie gestisch den burlesken Charakter aufgreift, kleine Zäsuren schafft und uns so immer wieder Atem holen lässt.

Durchweg vorzüglich und jeweils auf einen unverwechselbaren Ton gestimmt das neunundzwanzigköpfige Ensemble. Da werden Personen neu gruppiert, lässt etwa Margarita (Valery Tscheplanowa), im Roman eher schematisch gezeichnet, durch eine wunderbare Mischung von kesser Göre und reifer Liebender aufhorchen. Karl Markovics gibt leicht flatternd das Ängstlich-Verzagte seines Meisters, und Thomas Thiemes Woland ist graue Eminenz, verharrt ganz in tonlos dumpfer Statik. Kein Wunder: Der oder das Böse agiert ja nicht, sondern "ist". Grandios die Varietészene, der der Erste Erzähler (Michael Rotschopf) wie ein Reporter beiwohnt, im staunenden Präsens fast stammelnd. Aber auch die Kreuzigung des Jeschua, die beim Zweiten Erzähler (Manfred Zapatka) ein atemraubender Botenbericht wird. Die Liebe, die Bulgakow bei aller grausamen Detailfreude auch seinem so hämisch gezeichneten Moskauer Personal entgegenbringt, lässt auch Buhlert spüren: indem er naheliegender Karikierung entsagt, lebende Wesen schafft und damit jede mikrofongezähmte Studioroutine hinter sich lässt.

Bei alledem ergeht es dem Hörer wie Margarita, die plötzlich fliegen kann und auf einem Satansfest mit Gleichmut den eigenartigsten Dingen begegnet. Diese Fassung jedenfalls hat Drive, entwickelt einen Sog, der uns mühelos an letzte Dinge heranführt. Der Traum von Gerechtigkeit und Frieden; dazu Ausbruch, Entgrenzung, die Überwindung eines stupiden, weil regulierten Alltags qua Zauber und Phantasie; und ganz nebenbei auch der Blick auf ein anderes Russland: Wer würde behaupten, uns gehe das alles nichts mehr an?

Michail Bulgakow: "Meister und Margarita".

Bearbeitung, Komposition und Regie: Klaus Buhlert. Der Hörverlag, München 2014. 12 CDs, zus. 604 Min., 49,99 [Euro].

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"Dieses Buch ist wie ein Rausch" Die Weltwoche