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Alle Reden vom Lernen und von der Bildung. Aber jene Beziehung, aus der unser Wissen und unsere Kultur jahrhundertelang hervorging, ist dabei fast in Vergessenheit geraten: das Verhältnis zwischen dem Meister und seinem Schüler. George Steiner zeigt anhand der Beziehungen zwischen Sokrates und Platon, Jesus und seiner Jünger, Tycho Brahe und Johannes Kepler und anderen, dass sie der Ausgangspunkt aller bedeutenden Errungenschaften der Kunst, der Literatur, der Religion und der Philosophie sind.

Produktbeschreibung
Alle Reden vom Lernen und von der Bildung. Aber jene Beziehung, aus der unser Wissen und unsere Kultur jahrhundertelang hervorging, ist dabei fast in Vergessenheit geraten: das Verhältnis zwischen dem Meister und seinem Schüler. George Steiner zeigt anhand der Beziehungen zwischen Sokrates und Platon, Jesus und seiner Jünger, Tycho Brahe und Johannes Kepler und anderen, dass sie der Ausgangspunkt aller bedeutenden Errungenschaften der Kunst, der Literatur, der Religion und der Philosophie sind.
Autorenporträt
George Steiner, geb. 1929 in Paris, hat seit 1994 den Lord-Weidenfeld-Lehrstuhl für Komparatistik an der Universität Oxford inne.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2004

Schönes Scheitern

GEORGE STEINER hat schon viele allseits gelehrte Bücher geschrieben, und er ist darüber so berühmt geworden, daß er sich selbst und anderen zu einem Meister geworden ist, und er hat, vielleicht deswegen, nun ein Buch über den Meister und seine Schüler geschrieben. Das Buch selber nimmt nicht den Rang eines Meisterwerks ein, doch es ist damit so wie mit einer Leiter, die zu kurz ist: Wichtig ist ja manches Mal schon, daß die Leiter an der richtigen Stelle steht, damit man sich unten Gedanken machen kann, wie man da wirklich hinaufkommt. So verdanken wir George Steiner die Anregung, über das besagte Verhältnis nachzudenken. Ähnlich - kurze Leiter, richtiger Baum der Erkenntnis - erging es uns mit den Gedanken zum Bösen, die Susan Neiman ausgebreitet hat. Das Böse kommt oft genug viel zu gut weg und gerät uns vielleicht aus den Augen, weshalb es hilfreich ist, daß Neiman dem Bösen ein ganzes Buch gewidmet hat. Hilfreich ist auch das opulente Buch von Umberto Eco. Es führt den Leser durch die fruchtbaren Landschaften des Schönen, wobei sich der Titel immer mehr bewahrheitet, daß es sich letztlich um eine Geschichte der Schönheiten handelt, die Männer begehren.

rtg

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.10.2004

Vollendete geistige Besitzergreifung, das ist keine kleine Sache
Verzauberung ist sein Geschäft: Mit George Steiner auf dem Lampionfest der Geistesaristokraten. Da geht es hoch her, und schon mancher, der aus den Wüsten von Pisa kam, hat vom pädagogischen Eros ein Gläschen zu viel getrunken
Eine voluminöse Antwort auf unsere Bildungskatastrophe hat soeben Hans Magnus Enzensberger mit seiner Humboldt-Edition gegeben. Eine schlanke und elegante kommt jetzt von George Steiner. Eingeladen, die sehr ehrenvollen Charles Eliot Norton Lectures 2001/2002 an der Harvard University zu halten, hat der Literaturwissenschaftler ein Thema gewählt, das ihm seit langem am Herzen liegt. Steiner sprach über das, was man die „Urszene” der abendländischen Bildung nennen könnte, die direkteste, wirkungsvollste und gefährlichste Form der Übertragung und Weitergabe von Wissen: das Verhältnis zwischen einem „Meister”, einem inspirierten Lehrer, und seinen Schülern oder Jüngern. Es ist ein ideales Thema für den subtilen Leser, um darüber mit leichter Hand die Fülle seiner Bildungsperlen auszustreuen; ein wunderbares Thema, um den alten, verführerischen Steiner-Ton, diese unendlich süße Mischung aus 7 Teilen Enthusiasmus und 3 Teilen Resignation anzuschlagen. Man sieht sie förmlich daliegen, die Hörer von Harvard, wie der verhexte Stallknecht von Baldung Grien. Es ist wie bei Brendel oder Glenn Gould: einmal verzaubert, immer verzaubert.
Verzauberung ist in gewisser Weise das Sujet des Buches. Mit souveräner Geste umfasst George Steiner das gesamte Lehrerkollegium des Abendlandes. Wirklich angetan haben es ihm aber nicht die Kollegen von der GEW oder die Pauker aus der Bildungsprovinz. Was ihn elektrisiert, sind die Charismatiker vom Schlage eines Sokrates oder Jesus, die in Mythen und in Gleichnissen reden und ihre glutäugigen Jünger kirre machen. „Der Meister und seine Schüler” ist sicherlich das schönste Buch über charismatische Machtausübung seit Hans Ulrich Wehler und daneben ein gelehrtes Capriccio über den sichersten Weg aus der Bildungskrise: Nimm deinen Dante, schmeiß die Software weg, und folge mir nach. Und hör mir gut zu: Zur Urszene der Bildung gehört die Mündlichkeit. Nur sie verschafft uns die „reale Gegenwart” des Geistes, auf die George Steiner seit jeher schwört.
Pädagogischer Eros: Wer immer den strapazierten Begriff erfunden haben mag, er trifft das Zentrum von Steiners Vorlesungen. Der „Meister” glänzt nicht allein durch Kenntnis und didaktisches Vermögen, ihn umgibt auch der Nimbus von Verbot und Begehren. Die Kunst, zum Wissen zu verführen, umschließt ein Wissen von der Verführung. Zielstrebig und mit ostentativer Verachtung für die Regeln des politisch korrekten Spiels läuft Steiner in die Häfen von Hellas ein, wo auf den Kais die Epheben lungern. Ohne Knaben läuft die Chose nicht. Aber was erwarten sich eigentlich die schönen Jungs von Athen von einer Nacht an der Seite des hässlichen Sokrates? Das ist die Frage. Sie könnte es sein, wenn Steiner nicht so geschickt den Rückzug anträte. No sports. Nur kein wirklicher Sex. Wenn hier Hand angelegt wird, gilt es dem Geist der Studenten oder Jünger: „Ernsthaft zu lehren heißt, Hand an das zu legen, was in einem Menschen das lebenswichtigste ist. Es heißt, Zugang zum Mark und zum Innersten der Integrität eines Kindes oder eines Erwachsenen zu suchen.”
Aber auch Harvard wimmelt von begriffsstutzigen Fummlern, und deshalb wiederholt Steiner seine Lehre vom brisanten pädagogischen Sex mit der Seele so lange, bis auch dem Letzten dämmert, dass the real thing, die wirklich gefährliche Sache, sich nicht auf dem Sofa des Professors, sondern im Kopf des Schülers abspielt. „Selbst vollendete körperliche Besitzergreifung”, lesen wir und unsere penetrierte Seele ahnt, was hier gemeint ist, „ist ein geringes im Vergleich zu dem furchterregenden Geschehen, dass jemand die Hand an das Innerste eines anderen menschlichen Wesens, an seine Entfaltung legt, wie es im Zuge des Lehrens geschieht.”
Nach diesem ziemlich furchterregenden Geschehen zeigt der nächste Satz wieder Steiner auf der Höhe seiner stilistischen Brillanz: „Ein Meister ist der eifersüchtige Liebhaber dessen, was sein könnte.” Pädagogischer Eros - vor „Erotismus” müsste man sich bei einer Übersetzung fürchten, die es fertig bringt, vom „Asketizismus des Sokrates” zu reden - pädagogischer Eros treibt es mit der Zukunft einer jungen Seele, sie will ihr eine Form vorschreiben und jeden Gedanken an Verhaltensalternativen austreiben. Das könnte man jetzt auch mit Foucault oder Luhmann und in Termini der Macht ausdrücken, auch die Macht belegt ja nicht nur die Körper mit Beschlag. Aber mit den Rattenfängern des Poststrukturalismus und Konstruktivismus will der Liebhaber der realen Präsenz nichts zu tun haben.
Steiners ideale Lehrer erschaffen eine Realität diesseits der Bücher. Ihnen gelingt, was ein Schüler des französischen Philosophen Alain von seinem Meister berichtet hat: „Wir erlebten keine Darlegung der Ideen von Platon und Descartes, wir befanden uns in ihrer Gegenwart.” Steiner zelebriert das vertraute Gespräch, den intimen Umgang mit den ganz Großen der Weltliteratur, und um dies e contrario zu unterstreichen, darf sich gelegentlich auch ein Unbekannter oder halb Vergessener unter die festliche Versammlung mischen, in der wir Sokrates, Dante, Marlowe, Flaubert, Henry James e tutti quanti wandeln sehen. Wie charmant, an einem solchen, von den Lampions der Geistesaristokratie erhellten Abend plötzlich auf Knute Rockne zu stoßen, den berühmtesten coach des amerikanischen Football! Was tut so ein Sportsmann auf der Party der toten Dichter? Ganz einfach, so Steiner, der Mann war schulbildend wie kein zweiter, ein Meister von Meistern: „Welche andere paideia hat so überreiche Höchstleistungen hervorgebracht?”
Ziemlich genau in der Mitte seines Buches nähert sich George Steiner „dem Gravitationszentrum meiner Argumentation”. Nicht dass sein Libretto jetzt komplizierter würde, es wird nur raffinierter, und der Ton wechselt ganz nach Moll. Im Zentrum der Harvardvorlesungen steht eine Figur, der George Steiner schon einmal ein Buch gewidmet hat: Martin Heidegger. Ein sehr gutes Buch, nebenbei gesagt, weil Steiner Heidegger als Dichter gelesen und fruchtbar missverstanden hat. Im Kontext der neuen Studien über paideia und die Liebe zum Lehrer spielt Heidegger eine fatale Doppelrolle, als Liebesverräter und als Verführer. Gegenüber seinem Lehrer Edmund Husserl praktiziert er den Verrat, „eines der traurigsten Kapitel in der Geschichte des Geistes”, während er seine junge Studentin Hannah Arendt - aber diese Geschichte ist bekannt.
Es hat etwas Bezauberndes, an der Hand von George Steiner durch den totgesagten Park der pädagogischen Meisterschaft zu schweifen. Eine georgesch-gundolfische Höhenluft weht durch den alten Lorbeer. Gewiss, vieles in diesen Vorlesungen verdankt sich mehr dem Geist der „Schau” als akkurater Philologie. Steiner erträumt sich eine ideale Lehrerschaft, vor der nicht wenige gerade der großen Charismatiker versagen müssen. Nietzsche, der Erfinder des Oberlehrers Zarathustra, ist aus der Professur geschieden, Wittgenstein scheiterte als Dorfschullehrer, und Gundolf war ein lausiger Dozent. Aber das soll uns nicht daran hindern, Steiners Schalmeien durch die Wüste von Pisa zu folgen. Leser, lege Hand an dieses Buch!
George Steiner
Der Meister und seine Schüler
Aus dem Englischen von Martin Pfeiffer. Carl Hanser Verlag, München 2004. 222 Seiten, 21,50 Euro.
Sieh hin, mein Sohn, und lies! Gefährlich ist die Meisterschaft, und am gefährlichsten ist die Philologie. Das Bild eines Lehrers und seines Schülers malte Giovanni Do (1604-1656). Heute hängt es im Kunstmuseum von Bordeaux.
Foto: Musée des Beaux-Arts de Bordeaux
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"George Steiner hatte bei diesem Buch eine im Grundsatz gute Idee, findet Jürgen Kaube: Große Lehrer darstellen, um herauszufinden, was den großen Lehrer ausmacht. In der Ausführung freilich ist das Buch, daran lässt der Rezensent keinen Zweifel, durchweg misslungen. Die vorbildlichen Lehrer nämlich sind immer wieder nur "Charismatiker, Erotiker, Weise", genauer will Steiner es nicht wissen, nur in die Nähe von "Offenbarungskontexten" rückt er das meisterhafte Lehren. Auch sonst macht er nach Ansicht Kaubes alles falsch: Steiner schwärmt, ohne zu begeistern, und zwar in einem "in eigene Assoziationen verliebten Stil". Wenig erhellend sind seine "onkelhaften Randurteile". Der Rezensent hat eigentlich nur eine Erklärung dafür: Steiner hat selbst nie einen großen Lehrer gehabt, daher ist "die Begeisterung angelesen". Das Buch ist eine gute Idee, ein anderer sollte es nochmal schreiben, findet Kaube, und zwar besser.

© Perlentaucher Medien GmbH"
"Einer der wenigen Universalgelehrten unserer Zeit." Joschka Fischer

"Das Buch ist ein Lehrstück guter intellektueller Vermittlung, gebildet, verführerisch und kurzweilig." Reinhard Kreissl, Deutschlandradio, 15.8.04