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Ein Mörder, der sich selbst tötet, hinterlässt in uns eine Leere. Er maßt sich nicht nur an, Richter und Henker derer zu sein, die er tötet, sondern er entzieht sich unserem Urteil, unserem Recht, unserem Wunsch, etwas von seiner Tat zu begreifen und uns mit ihm auseinanderzusetzen. Wie können wir ihn verstehen? Was ist wirklich neu am neuen Terrorismus, der uns spätestens seit dem 11. September 2001 in Atem hält? Geht es darum, eine besonders gewaltbereite Form von Religion zu identifizieren, eine neuartige, persönliche Pathologie, einen genetischen Defekt, eine Form von Gehirnwäsche, durch…mehr

Produktbeschreibung
Ein Mörder, der sich selbst tötet, hinterlässt in uns eine Leere. Er maßt sich nicht nur an, Richter und Henker derer zu sein, die er tötet, sondern er entzieht sich unserem Urteil, unserem Recht, unserem Wunsch, etwas von seiner Tat zu begreifen und uns mit ihm auseinanderzusetzen. Wie können wir ihn verstehen? Was ist wirklich neu am neuen Terrorismus, der uns spätestens seit dem 11. September 2001 in Atem hält? Geht es darum, eine besonders gewaltbereite Form von Religion zu identifizieren, eine neuartige, persönliche Pathologie, einen genetischen Defekt, eine Form von Gehirnwäsche, durch die junge Menschen zu Killermaschinen trainiert werden?Wolfgang Schmidbauer hat sich immer für die Hintergründe und Abgründe jener menschlichen Eigenschaft interessiert, die man "Idealismus" nennt. In diesem Buch geht er einer besonders aktuellen und brisanten Form der narzisstischen Störung nach: dem apokalyptischen Narzissmus, der sich zum explosiven Narzissmus der "menschlichen Bombe" steigern kann. Mit Blick auf die neuerliche Welle von Selbstmordattentaten konzentriert sich Schmidbauer auf die Frage, wie es kommt, dass Menschen zu solchen Taten fähig sind. Er zeigt, dass wir mehrere Motive berücksichtigen müssen, wenn wir sie ohne Scheuklappen und Vorurteile beantworten wollen.
Autorenporträt
Dr. phil. Wolfgang Schmidbauer, geb. 1941, studierte Psychologie und promovierte 1968 über 'Mythos und Psychologie'. Er lebte dann einige Jahre als Autor in Italien. 1972 gründete er mit Kollegen ein Institut für analytische Gruppendynamik und wenig später die Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse. 1977 prägte er in dem Bestseller 'Die hilflosen Helfer' den Begriff des Helfer-Syndroms. Heute arbeitet Wolfgang Schmidbauer als Autor und Psychoanalytiker in eigener Praxis in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.12.2003

Den Psycholog' nie etwas trog
Selbstmordattentäter sollen hysterisch und verführbar sein: Schein der Männlichkeit

Wolfgang Schmidbauer: Der Mensch als Bombe. Eine Psychologie des neuen Terrorismus. Rowohlt Verlag, Reinbek 2003. 270 Seiten, 19,90 [Euro].

Je mehr Bildung, Information, mediale Durchdringung der Umwelt, desto größer auch das Risiko der Selbsttraumatisierung, meint der Autor - freilich wendet er sich mit dieser Feststellung nicht an unsere Bildungspolitiker. Er bereitet damit nur zwei seiner Grundthesen vor. Erstens: Terroristen sind im Grunde nicht schwer zu verstehen. Zweitens: Jeder Mensch ist sozusagen potentiell eine Bombe. Die Worte "im Grunde" und "sozusagen" übernehmen dabei eine ganz wichtige Funktion. Sie machen nämlich diese Thesen in ihrem Kern und an ihren Rändern unscharf.

Solche Unschärfe gehört zu den Markenzeichen einer tiefenpsychologisierenden Zeitdiagnose. Die Nachfrage danach ist beträchtlich, gerade auch unter denen, die sich selbst als gebildet, informiert und am medialen Durchdringen der Umwelt beteiligt einschätzen. In der Regel und zum Glück führt der Konsum solcher Zeitdiagnosen nicht zur Selbsttraumatisierung. Aber zuweilen macht er doch süchtig nach weiteren Texten dieses Genres, denn sie vermitteln das trügerische Gefühl, über die vorgeführten und beredeten Sachverhalte ein tiefes Wissen erlangt zu haben.

Über die gegenwärtigen Erscheinungsformen des Terrorismus und seine Entstehungsgründe gibt es eine ausufernde Fachliteratur sowie eine große Zahl populärer Darstellungen. In den meisten Deutungen des Terrorismus wird auf die politisch leicht nutzbar zu machende Störungs- und Gewaltanfälligkeit moderner Gesellschaften hingewiesen, auf den Absolutheitsanspruch der politischen und kulturellen Ziele der Attentäter und auf die Kosten-Nutzen-Kalküle derjenigen, die ihnen ihre Einsatzbefehle geben. Die lange Geschichte des Terrorismus, gleichviel ob von oben oder von unten gesteuert, zeigt aber auch die Wiederkehr bestimmter Täterprofile. Das ist gewiß ein guter Grund, um sich zu fragen, ob es so etwas wie eine individuelle Disposition zum Terrorismus gibt. Diese Frage bekommt bei Schmidbauer, einem erfahrenen und mit etlichen Büchern bekanntgewordenen Psychoanalytiker, einen Rousseauschen Dreh. Es geht ihm um die Zeitdiagnose und also darum, kenntlich zu machen, wo und wie die Gegenwart die Menschen so krank macht, daß sie unter Umständen zu lebenden Bomben werden.

Mit dieser Fragestellung erweitert er seinen Untersuchungshorizont, in dem jetzt Mohammed Atta und der Amokschütze von Erfurt unvermittelt nebeneinanderstehen. Beide litten unter einem "explosiven Narzißmus", gegen den man durchaus hätte etwas tun können, wäre man diesem Leid rechtzeitig auf die Spur gekommen. Weil aber die Gesellschaften offenbar kein oder ein viel zu geringes Interesse daran haben, diesem Leid rechtzeitig auf die Spur zu kommen, deshalb mußte es so kommen, wie es kam und der Narzißmus explodierte.

Über das ganze Buch verstreut finden sich zahlreiche kritische Anmerkungen über den Zustand der Welt, welche die Schwächen eines solchen gleichermaßen selbstbewußten wie diffus argumentierenden Ansatzes noch um eine gewisse Gedankenflüchtigkeit vermehren. Da liest man über den Ressourcenverbrauch der Amerikaner, über Staatsverschuldung, friedlichen Polytheismus im Gegensatz zum Gewalt säenden Monotheismus und über Heimat als Garantie seelischer Grundversorgung. Alles hängt mit allem zusammen. Der Autor nimmt dabei - ein erprobter Trick - die Kritik an seinem Ansatz selbst vorweg: Das Dilemma der Tiefenpsychologie bestehe darin, daß sie von Metaphern lebt, und Metaphern seien eben etwas anderes als Erklärungen. Genau! Leider erschleichen sie sich aber auch in diesem Buch unversehens die Aura von Erklärungen, ja sie geben sich sogar als besonders wertvoll aus, weil die Tiefenschichten der menschlichen Seele (auch alles Metaphern) auslotend.

Trotz der vielen Abschweifungen stehen die islamistischen Selbstmordattentäter vom 11. September 2001 und die palästinensischen Selbstmordattentäter im Mittelpunkt des Buches. Die "Tiefenanalysen" von Atta oder auch Usama Bin Ladin fallen indes enorm oberflächlich aus. Aus Mangel an verläßlichen Daten muß den Analyse-Behauptungen dauernd ein "wahrscheinlich", ein "wie wir vermuten" oder, Ausdruck besonderer Unsicherheit, ein "höchstwahrscheinlich" beigesellt werden. Ein Stochern im Tiefennebel ist das, sonst nichts. Seine tiefenpsychologischen Erkenntnisse über den neuen Terrorismus faßt Schmidbauer in dem Satz zusammen: "Plakativ gesagt: Der Selbstmordattentäter ist ein hysterischer Mann, verführbar durch den Schein der Männlichkeit, und voller Angst vor der Realität einer reifen Beziehung." Sätze wie dieser - ihre Produktion gehört zu den Spezialitäten populärer Tiefenpsychologen - mögen kurzzeitig das Gefühl erwecken, nunmehr sei man über die eigentlichen Ursachen des Phänomens aufgeklärt. Nur anfangen kann man mit solchen Sätzen rein gar nichts.

WILFRIED VON BREDOW

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Wolfgang Schmidbauer leuchtet in seinem Buch "Der Mensch als Bombe" die Tiefenstrukturen von Selbstmordattentätern aus, berichtet der mit "lx" zeichnende Rezensent. Der Psychologe deute Selbstmordattentäter als Menschen, die ihr eigenes Leben so gering achteten, dass sie es für einen vermeintlich "höheren Zweck" wegzuwerfen bereit seien. Dahinter sehe er einen "explosiven Narzissmus", der erst in unserer Gegenwart möglich geworden sei. Die Möglichkeiten der Technik erlaubten den Selbstmordattentätern durch relativ kleine Bewegungen größte Zerstörungen auszulösen, um so ihr narzisstisch gestörtes Selbstwertgefühl zu steigern. Auch wenn Schmidbauer Bisweilen Technologiekritik übt, im Mittelpunkt seiner "Psychologie des neuen Terrorismus" steht laut Rezensent die Analyse des Selbstmordattentats als neuer Form der narzisstischen Störung.

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