Die Bestimmung des Menschen Nur wenige Wissenschaftler würden sich mit diesem Thema befassen, da es die (sogenannte) Wissenschaftlichkeit verläßt und zur Spekulation wird. (Ich als Nichtwissenschaftler brauche da keine Hemmungen zu haben.) Trotzdem ist diese Spekulation nicht ohne Fundament, sondern hat ihre Wurzeln in ganz bekannten Tatsachen. Sie will auch nicht dem von Hoimar von Ditfurth bekämpften "Mittelpunktswahn" verfallen, sondern sich nur mit den Verhältnissen auf unserer Erde befassen. Außerdem wird nicht bestritten, daß die Natur ihren Versuch "Mensch" eines Tages beenden und an einer anderen Stelle des Tierreiches fortsetzen kann. (Diesen Gedanken äußerte schon vor über 50 Jahren mein Biologielehrer.) Hoimar von Ditfurth weist in seinem Buch "Innenansichten eines Artgenossen" darauf hin, daß mehrere Faktoren (Gravitation, Expansionsbewegung des Kosmos, Kernbindungskräfte u.a.) nicht sehr viel anders hätten sein dürfen, damit unsere Erde und das Leben auf ihr entstehen konnten (S. 239-241). Vom Leben auf anderen Himmelskörpern, das wahrscheinlich auch vorhanden ist, soll hier nicht die Rede sein. Die Natur folgt Gesetzen, die früher mechanistisch gedeutet wurden, heute aber zum Teil eher unter dem Blickwinkel der Wahrscheinlichkeit (Heisenbergs Unschärferelation) gesehen werden. Diese Gesetze lassen sich durch die Mittel der Technik immer genauer erforschen, und in Formeln ausdrücken. Der menschliche Geist, der dies vermag, muß wohl nach ähnlichen Grundsätzen beschaffen sein und arbeiten, sonst könnte er diese Naturgesetze nicht in immer stärkerem Maße erkennen und ergründen (Goethe: "Wär nicht das Auge sonnenhaft, wie könnten wir das Licht erblicken?"). Der Ablauf dieser Gesetze ist kalt, empfindungs- und gefühllos. Erst die Seele brachte eine neue Qualität, die Welt der Gefühle (Faust I: "Die uns das Leben gaben, herrliche Gefühle, erstarren in dem irdischen Gewühle"). Zuerst aber entstand als eine ganz neue Qualität das Leben. Es unterliegt zwar auch den Naturgesetzen, hat aber viel größere Möglichkeiten der Entwicklung durch eine neue Form der Energieverwendung (Konrad Lorenz: Leben ist ein energiegewinnender Prozeß). Dazu kam die Fähigkeit der Vermehrung (Zellteilung, Knospung usw.) und der Weiter- bzw. Höherentwicklung. Besonders nach der Entstehung der Zweigeschlechtlichkeit war eine größere Vielfalt an Arten und Individuen vorhanden, die für die Entwicklung eine breitere Grundlage bot. Die Auslese ließ diesen Prozeß nicht ausufern, sondern regelte ihn bzw. schränkte ihn ein. Wenn man diese Entwicklung vom Einzeller über Vielzeller bis zu den hochentwickelten Formen betrachtet, bei denen sich dann die Entstehung der Individualität zeigt, kann man meines Erachtens gar nicht an einer Höherentwicklung zweifeln, obwohl manche Forscher sich in diesem Punkt nicht festlegen wollen. Sehen wir im Menschen das (vorläufig) letzte und höchstentwickelte Glied dieser Lebensreihe, stellen sich folgende Fragen: Warum hat sich diese Entwicklung vollzogen? (Grund) Wohin führt sie? (Ziel) Was ist letzten Endes die "Bestimmung" des Menschen? (Zweck) Ich habe in den vorhergehenden Seiten versucht, die Tatsachen herauszustellen, die den Menschen als weitgehend eigenständiges (freies) Wesen gegenüber Pflanzen- und Tierwelt erweisen: seine Denkfähigkeit, sein soziales, geschichtliches, kulturelles Wesen usw.. Damit ist aber noch nicht beantwortet, was für seine "Bestimmung" am bedeutendsten ist. Es muß eine Wesensart, eine Erscheinungsform sein, die bis dahin in der Natur (unserer Erde) noch nicht vorhanden war. Ich behaupte, daß es die Seele des Menschen ist. Konrad Lorenz sagt (K. Lorenz/Franz Kreuzer: Leben ist Lernen, Serie Piper) auf S. 77: "Es ist eine Geisteskrankheit der heutigen Menschheit zu glauben, daß nur das reale Existenz habe, was sich in der Sprache der exakten Naturwissenschaften ausdrücken und quantitativ verifizieren läßt. Das heißt: Alles Emotionale, Gefühl für Schönes und Gutes, für Emotionen schlechthin- das ist alles nicht real, das sind Illusionen." Damit bezieht Konrad Lorenz sich auf das Gebiet des Seelischen, ohne es so zu definieren. (Siehe meinen Versuch: Der Geist als Zerstörer der Seele). Wie das Leben und das Ich-Bewußtsein, das für mich auch zum seelischen Bereich gehört, auf die Erde gekommen sind, versucht Konrad Lorenz durch Fulgurationen (lat. fulgur "Blitz") zu erklären. Er nimmt an, daß es zwei Superfulgurationen gegeben hat: nämlich die bei der Entstehung des Lebens überhaupt und die im Übergang zum Ich-Bewußtsein (Leben ist Lernen, S. 61). Die Welt der Gefühle, Mitgefühl und Mitleid, alles das gehört zum seelischen Bereich. Wenn ein Mensch um seinen gestorbenen Ehepartner trauert, wenn sich Eltern um ihre Kinder sorgen oder ängstigen, wenn andere sich über die Geburt ihres Kindes freuen, wenn man Mitleid empfindet und jemandem hilft, wenn ein Mensch über sich selbst nachdenkt (Lorenz: Ich-Bewußtsein) und sein Verhalten bereut, wenn man vor Freude über etwas Schönes fast vergehen möchte, immer ist die Seele beteiligt. Alle echten Religionen fordern ein solches verantwortliches Verhalten in Liebe und Güte, sie fordern den Weg vom Ich zum Du und zum Wir. Darin sehen sie die "Bestimmung" des Menschen. So ist sicher auch das Bibelwort zu verstehen; "Er schuf Menschen nach seinem Bilde." Der Mensch soll sich zum Göttlichen hin entwickeln, er soll die kalten Naturgesetze menschlich überwinden und die Schöpfung mit menschlicher Wärme erfüllen! Hat der Mensch diese "Bestimmung" erreicht? Nein er hat sich als "Fehlschlag der Natur" erwiesen, er hat seine Aufgabe nicht gelöst, sondern ist im Gegenteil dabei, die Seele zu zerstören und das Leben (auf unserer Erde) zu vernichten. Dann wird die Natur vielleicht das gescheiterte Experiment an einer anderen Stelle wiederholen. Dann wäre "ein großer Aufwand vertan" (Faust II), der "Mittelpunktswahn" des homo sapiens ausgelöscht, die Natur aber würde zur Tagesordnung übergehen.
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