Der Versuch einer ganzheitlichen Sicht
„Von denen, die versucht haben, diese Seiten bis ans Ende zu lesen, werden viele das Buch unbefriedigt und nachdenklich schließen und sich fragen, ob ich sie in einer Welt der Tatsachen, der Metaphysik oder des Traumes herumgeführt habe.“ (Teilhard de
Chardin)
Bei diesem Buch handelt es sich um den Versuch einer zusammenfassenden Weltschau. Pierre…mehrDer Versuch einer ganzheitlichen Sicht
„Von denen, die versucht haben, diese Seiten bis ans Ende zu lesen, werden viele das Buch unbefriedigt und nachdenklich schließen und sich fragen, ob ich sie in einer Welt der Tatsachen, der Metaphysik oder des Traumes herumgeführt habe.“ (Teilhard de Chardin)
Bei diesem Buch handelt es sich um den Versuch einer zusammenfassenden Weltschau. Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955) war gleichzeitig Naturwissenschaftler und Theologe, was auch sein Lebenswerk bestimmte. Er beschäftigte sich mit dem Ursprung des Kosmos, der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Lebens und präsentierte eine ganzheitliche Darstellung des Universums. Der Preis für diese Synthese ist hoch. Seine Ausführungen stehen einerseits im Widerspruch zum biblischen Fundamentalismus und überschreiten andererseits den Rahmen der etablierten Naturwissenschaften. Er verknüpfte auf visionäre Weise Kausalität und Sinn miteinander, baute eine Brücke zwischen empirischen Forschungen und Offenbarungen und befand sich damit – bildlich gesprochen - zwischen allen Stühlen.
Zahlreiche Autoren haben Gedanken von Teilhard de Chardin in ihre Werke einfließen lassen. So beeinflusste er maßgeblich die New Age- Bewegung. Fritjof Capra beschreibt in „Wendezeit“ (S. 338) Ähnlichkeiten mit seiner Systemlehre. Nach Teilhard de Chardin verläuft die Evolution in Richtung zunehmender Komplexität, die wiederum von einem entsprechenden Aufstieg des Bewusstseins begleitet wird und ihren Höhepunkt in der menschlichen Spiritualität erreicht. Diese Auffassung einer Teleologie - muss man deutlich sagen - steht nicht im Einklang mit den Naturwissenschaften. Kritiker sehen in dem Buch daher eine Art Naturphilosophie. Kritik kam auch seitens der Kirche. Für die Kirche stellte seine evolutionäre Synthese eine Bedrohung traditioneller Theologie dar. Das führte dazu, dass viele seiner Werke zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht werden durften.
Hoimar von Ditfurth schreibt in „Im Anfang war der Wasserstoff“ (S. 246), dass sich die Entwicklung der Welt in kosmischen Maßstäben abspielt und dass sie nicht zum Stillstand kommen würde, wenn die Menschheit eines Tages aus ihr ausschiede. Dies steht im Gegensatz zu Teilhard de Chardins Ausführungen (S. 285), dass Leben einmal und nur einmal fähig war, die Schwelle zum Ich-Bewusstsein zu überschreiten. Hoimar von Ditfurth bezeichnet diese Sicht als anthropozentrische Missdeutung, da sie davon ausgeht, dass sich Leben und Bewusstsein im ganzen Universum nur auf der Erde gebildet haben könnten.
Unabhängig davon, wie man persönlich zu Teilhard de Chardins Thesen steht, handelt es sich um ein zentrales Werk, mit dem sich an Ursprungsfragen interessierte Menschen auseinandersetzen können. Eine ganzheitliche Beschreibung, in die die Erkenntnisse der Evolution und auch der Glaube an einen transzendenten Endpunkt der Evolution einfließen, hat es meines Wissens in Kontinentaleuropa vor Teilhard de Chardin nicht gegeben. Wer mehr über die Wirkung von Teilhard de Chardins Thesen wissen möchte, findet Antworten in dem 1966 erschienenen Tagungsband „Perspektiven Teilhard de Chardins“, herausgegeben von Helmut de Terra.