Ein Kulturpessimist rechnet ab
Das Buch erschien 1978, also 5 Jahre vor Koestlers Tod. Es enthält nach eigenen Angaben eine Zusammenfassung seiner Arbeiten über die Wissenschaft vom Leben.
Arthur Koestler, Kulturphilosoph und vielseitiger Schriftsteller, war der Meinung, dass der Mensch im
Wesentlichen „ein krankes biologisches Produkt“ sei. (11) Wenn man den Zustand der Menschheit sieht,…mehrEin Kulturpessimist rechnet ab
Das Buch erschien 1978, also 5 Jahre vor Koestlers Tod. Es enthält nach eigenen Angaben eine Zusammenfassung seiner Arbeiten über die Wissenschaft vom Leben.
Arthur Koestler, Kulturphilosoph und vielseitiger Schriftsteller, war der Meinung, dass der Mensch im Wesentlichen „ein krankes biologisches Produkt“ sei. (11) Wenn man den Zustand der Menschheit sieht, im Hinblick auf Eigenschaften wie Gier, Hass und Verblendung und daraus resultierenden Verbrechen wie Krieg, Vergewaltigung und Ausbeutung, möchte man das fast glauben.
Koestlers Ausführungen stehen unter dem Einfluss von Hiroshima. Er beschreibt im Prolog das Pathologische unserer Natur („Töten von Artgenossen“ etc.) und geht dort bereits ausführlich auf die Ursachen ein. Die Menschheit hält er für psychisch krank. Er möchte, dass Mittel eingesetzt werden, die es dem rationalen Verstand ermöglichen, sich über die archaischen Teile des Gehirns (Instinkte, Emotionen, biologische Triebe) hinweg zu setzen, mit dem Ziel, den krassen Fehler der Evolution zu korrigieren und den Übergang vom Wahnsinnigen zum Menschen einzuleiten. (31)
Nach dieser Einführung stellt sich die Frage, ob man das Buch überhaupt weiter lesen sollte. Eine Vernunftherrschaft, bei der die Emotionen durch Medikamente überlagert oder gar ausgeschaltet werden ist Koestlers Ziel?
Koestler fordert ein neues Verständnis der Wissenschaft, mit welchem er sich in den Folgeseiten auch beschäftigt. Er stellt im ersten Teil die Holarchie vor, eine ganzheitliche Theorie, die besagt, dass die Strukturen der Welt über hierarchisch angeordnete Holons erklärt werden können.
Die Holarchie bildet keinen Ersatz für den Reduktionismus, kann aber als Ergänzung verstanden werden. Die Grundüberlegungen sind nicht wirklich neu, denn auch bislang waren hierarchisch angeordnete Entwicklungsstufen bekannt.
Der Fehler in Koestlers Denken besteht darin, der Evolution, also einem Entwicklungs- und Anpassungsrozess, bei dem das Überleben der Arten Priorität hat, Fehler zu unterstellen. Die Menschheit der Gegenwart existiert, weil die Entwicklung so verlaufen ist, wie sie verlaufen ist.
Koestler unterscheidet bei den Holons eine selbstbehauptende Tendenz (der Ganzheit) und eine integrative Tendenz (der Teilheit). (72) Mit diesem Ansatz lässt sich gesellschaftliches Verhalten erklären. Die Tragödie des Menschen besteht darin, dass die integrativen Tendenzen übermächtig geworden sind. Kriege werden nicht geführt, weil der Mensch zu aggressiv ist, sondern weil er seine Verantwortung abgibt, um einer größeren Sache (Nation, Religion, Diktator etc.) blind zu dienen. Die Experimente von Milgram lassen genau diese Schlussfolgerung zu.
Die Verantwortung wird an eine komplexere Einheit abgegeben. Diese Eigenschaften der Natur sind systemimmanent. Es handelt sich dabei nicht um einen fatalen Defekt (108), sondern um den Preis für den Aufbau komplexer Strukturen.
In weiteren Teilen des Buches kritisiert Koestler die synthetische Evolutionstheorie mit Argumentationsketten, die auch aus anderen wissenschaftskritischen Büchern bekannt sind, ohne eine naturalistische Alternative aufzuzeigen.
„Irrläufer“ ist eine menschliche Wertung, die Stammtischniveau hat, naturwissenschaftlich aber nicht greifbar ist. Entsprechendes gilt auch für die „Krone der Schöpfung“.
Das Buch kann ich nicht empfehlen. Wer das Buch liest, sollte Hintergrundwissen zu den behandelten Themen haben, um die Spreu vom Weizen trennen und Koestlers Thesen in eine Gesamtschau einordnen zu können.