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Schon die ersten Meldungen über die Entschlüsselung des menschlichen Genoms waren mit der Behauptung verknüpft, die Biowissenschaften führten geradewegs zur Selbstabschaffung des Menschen. Dieser These tritt das vorliegende Buch mit einer pointierten Argumentation entgegen. Es verteidigt den humanen Impuls der Forschung, eröffnet neue Perspektiven für die interdisziplinäre Arbeit der Wissenschaften und macht deutlich, welche politischen Konsequenzen zu ziehen sind. Zuvor aber setzt sich Volker Gerhardt, der unter anderem dem nationalen Ethikrat angehört, mit dem weltanschaulichen Streit um die embryonale Stammzellenforschung auseinander.…mehr

Produktbeschreibung
Schon die ersten Meldungen über die Entschlüsselung des menschlichen Genoms waren mit der Behauptung verknüpft, die Biowissenschaften führten geradewegs zur Selbstabschaffung des Menschen. Dieser These tritt das vorliegende Buch mit einer pointierten Argumentation entgegen. Es verteidigt den humanen Impuls der Forschung, eröffnet neue Perspektiven für die interdisziplinäre Arbeit der Wissenschaften und macht deutlich, welche politischen Konsequenzen zu ziehen sind. Zuvor aber setzt sich Volker Gerhardt, der unter anderem dem nationalen Ethikrat angehört, mit dem weltanschaulichen Streit um die embryonale Stammzellenforschung auseinander.
Autorenporträt
Volker Gerhardt wurde 1944 geboren. Er promovierte 1974 und habilitierte 1984. 1985 war er Professor für Philosophie in Münster, 1986 hatte er eine Gastprofessur an der Universität Zürich, von 1988 bis 1992 war er Leiter des Instituts für Philosophie an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Seit Oktober 1992 ist er Professur für Praktische Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, leitet den DFG-Beirat zur Förderinitiative Bioethik und gehört dem Nationalen Ethikrat an. 1999 hat er mit der Selbstbestimmung eine lebenswissenschaftlich fundierte Begründung der Ethik vorgelegt, der 2001 mit der Individualität die Skizze eines neuen Systems der menschlichen Welterfahrung folgte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.11.2001

Dieser Philosoph ist unheimlich

Es dürfte kein Argument geben, das in der Debatte um die Biopolitik nicht bereits gefallen wäre. Vor diesem Hintergrund eines fast vollständig abgeschrittenen Areals an moralischen, juristischen und politischen Positionen gibt es zwei Möglichkeiten, die vorliegenden Aufsätze des Philosophen Volker Gerhardt ("Der Mensch wird geboren". Kleine Apologie der Humanität. Verlag C.H. Beck, München 2001, 150 S., br., 24,90 DM) zu diskutieren. Einmal könnte man über sein Argument in der Sache nachdenken. Gerhardt hält dafür, von einem Menschen erst mit seiner Geburt zu sprechen und entsprechend den absoluten Schutz der Grundrechte erst geborenem Leben zukommen zu lassen. Alles andere laufe auf "Doppelmoral" heraus, die Gerhardt auf jeder Seite seiner Polemiken als unerträgliche Haltung attackiert. Man könnte über diese Position, die Gerhardt durch vielfältige Überlegungen zu kräftigen versucht, debattieren. So könnte man fragen, welchen Status er einem frühgeborenen Kind gegenüber einem gleichaltrigen, aber für ihn dann doch nur menschenähnlichen Wesen im Mutterleib zuschreiben möchte. Man könnte auch versuchen, eine kleine Apologie der Doppelmoral oder überhaupt der Mehrfachmoral zu schreiben, die Nachweis führen müßte, daß sich in ihnen vielleicht mehr als im folgerichtigen Schließen oder gar konsequenter Lebensführung Humanität zeigt. Man könnte dies alles, aber man will es nicht. Denn so anregend Gerhardts Thesen sind, solange sie sich an die Gegenstände der biopolitischen Debatte binden, so seltsam, um nicht zu sagen gespenstisch wird es, wenn der Philosoph von den Prämissen berichtet, die ihm seine Thesen erlauben. So heißt es etwa über Organspenden, daß der Mensch gewiß kein Ersatzteillager sein solle, man deshalb aber doch nicht Blutkonserven oder Transplantationen verbieten könne. So weit so gegenstandsnah. Und dann: "Die menschliche Zivilisation ist, wie man es früher gern dem Staat bescheinigte, ein großer Körper, in dem auch die ganz und gar auf ihre Eigenständigkeit gestellten Individuen als Organe fungieren." Das Individuum als Organ der Gesellschaft - möchte man mit jemandem, der so redet, wirklich über Humanität verhandeln? Oder Gerhardt spricht über ein mangelndes Zutrauen vieler in die Politik, das zu Zukunftsangst und dem Ruf nach Verboten wissenschaftlicher Innovation führe. Das mag so sein. Gerhardt fügt den Hinweis an, jeder könne an sich selbst erfahren, "daß die Zivilisierung des Lebens, die sich in der Politik vollzieht, von der Humanisierung seines eigenen Daseins nicht zu trennen ist. Es dürfte ihm dann nicht verborgen bleiben, daß ein fehlendes Vertrauen in die politische Zukunft mit einem geschwächten Selbstvertrauen zusammenhängt. Das Recht schützt nur den, der tätig darauf setzt." Und was, Herr Gerhardt, schlagen Sie vor, machen wir mit den Untätigen, denen mit dem schwächeren Selbstvertrauen als Ihres offenbar eines ist? Oder schließlich: Gerhardt spricht darüber, daß das Gebot, ein verantwortliches Leben zu führen, nicht nur unser eigenes, sondern auch die Lebensbedingungen heranwachsender Generationen betrifft. Denn unsere Eigenständigkeit hänge auch davon ab, daß wir uns als Teil einer "Generationenkette" erkennen. Dem kann man beipflichten, solange man noch nicht weiß, wie Gerhardt das meint. "Wir wachsen unter der Anleitung von Eltern und Lehrern heran, die am Ende sterben müssen, damit unsere Freiheit existentiell zum Tragen kommt." Und damit kein Zweifel am gerade Gehörten aufkommt, wiederholt der Autor sogleich, daß der Tod schrecklich für jene sei, die trauernd übrigbleiben "und doch haben die hinterbliebenen Individuen letztlich nur durch ihn die Chance, ein eigenes Leben zu führen." Der Philosoph Volker Gerhardt, Mitglied des Nationalen Ethikrats, ist also der Ansicht, daß Individuen Organe der Gesellschaft sind, das Recht nur den tätig darauf Setzenden schützt und die Eltern sterben müssen, damit, ja damit die Freiheit der Kinder existentiell zum Tragen kommt. Mit jemandem über Geographie zu diskutieren, der meint, die Erdrinde bestehe aus Knäckebrot, ist schwierig, aber nicht aussichtslos. Mit jemandem über Doppelmoral und Menschenwürde und Vernunft zu reden, der, wenn er frei über das spricht, was er eigentlich denkt, Sätze wie die zitierten hervorbringt, kann zu nichts führen. Wir nehmen uns die Freiheit, diesen Philosophen unheimlich zu finden.

JÜRGEN KAUBE

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Jürgen Kaube rezensiert dieses Buch und verweigert zugleich doch die Auseinandersetzung damit. Die Thesen - etwa Gerhardts Plädoyer gegen die Doppelmoral, die Vorstellung, dass der Mensch erst nach seiner Geburt vollgültiger Mensch wird - teilt der Rezensent wohl nicht, hielte sie aber noch für diskutabel. Für schlechterdings indiskutabel hält er jedoch die "Prämissen", von denen aus der Philosoph zu diesen Thesen gelangt. So definiert er etwa "das Individuum als Organ der Gesellschaft", behauptet (oder fordert?): "Das Recht schützt nur den, der tätig darauf setzt." Oder, und da hört sich für den Rezensenten, was begreiflich ist, alles auf, er äußert die Ansicht, dass Kinder erst mit dem Tod der Eltern in die Freiheit, ins "eigene Leben" entlassen würden. Sinnvoller als über diese Thesen zu diskutieren, wäre es, meint Kaube, die Auseinandersetzung mit einem zu suchen, "der meint, die Erdrinde bestehe aus Knäckebrot". Der Philosoph Volker Gerhardt jedoch ist Jürgen Kaube einfach nur "unheimlich".

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