Dieses Buch ist aus mehreren Gründen für viele schwer zu lesen. Zum einen sind viele Dialoge in jiddisch geschrieben und zum anderen zeigt es eine Seite der KZ-Häftlinge über die nicht so gerne geschrieben wird: Um selbst zu überleben, werden auch Juden zu Verrätern und Tätern.
Worum geht’s
also?
Jakob Weinberg arbeitet als Zwangsarbeiter der KZ Auschwitz an den Geleisen der Bahn als eine…mehrDieses Buch ist aus mehreren Gründen für viele schwer zu lesen. Zum einen sind viele Dialoge in jiddisch geschrieben und zum anderen zeigt es eine Seite der KZ-Häftlinge über die nicht so gerne geschrieben wird: Um selbst zu überleben, werden auch Juden zu Verrätern und Tätern.
Worum geht’s also?
Jakob Weinberg arbeitet als Zwangsarbeiter der KZ Auschwitz an den Geleisen der Bahn als eine Kiste von einem Zug fällt, die Dosen mit Trockenmilch enthält. Da er allein zu schwach ist, die Kiste mit in die Baracke zu nehmen, helfen ihm mehrere Mitgefangene in der Hoffnung etwas davon abzubekommen. Noch bevor Jakob selbst von „seiner“ Trockenmilch nehmen kann, haben die anderen verhungernden Juden die Dosen unter sich aufgeteilt. Jakob fühlt sich betrogen. Es kommt zum Tumult, der weitreichende Folgen für Jakob haben wird.
Nach dem Krieg bildet sich die Legende vom Milchmann, der die gefundene Dosenmilch quasi selbstlos mit seinen Mitgefangenen geteilt hat. Jakob widerspricht nicht, obwohl er genau weiß, was wirklich passiert ist.
Weinberg lebt wieder in Deutschland, wird wohlhabend, hat nun erwachsene Kinder und nach dem Tod seiner Frau eine neue, die allerdings eine Schickse (also Nichtjüdin) ist. Doch glücklich ist er nicht. Die Schatten der KZ-Vergangenheit und die Ablehnung der Deutschen lassen sich nicht verdrängen. Als ihm der Arzt zu einer Biopsie rät, kommen seine Todesängste wieder hoch.
Völlig aus der Bahn wirft ihn das tödliche Attentat auf Israels Premierminister Yitzhak Rabin vom 4. November 1995, denn der Täter ist ein rechtsradikaler Jude.
Meine Meinung:
Autor Rafael Seligmann ist selbst Sohn von KZ-Überlebenden, die nach dem Krieg wieder nach Deutschland zurückkehren. Der Vater freiwillig, die Mutter nicht. Das ist in seinem autobiografischen Roman „Rafi, Judenbub“ nachzulesen.
Womit Seligmann aufräumt, ist das bis zur glorifizierten Selbstaufgabe stilisierte Leben der KZ-Häftlinge. Hier kommen Wahrheiten ans Tageslicht, über die nicht gerne gesprochen wird. Um das eigene Überleben zu sichern, werden noch schwächere geopfert. Der Kampf ums tägliche Stück schimmelige Brot macht die Menschen zu Todfeinden. Kapo gegen Barackenbewohner, Stärkere gegen Schwächere - so intensiv ist das noch selten beschrieben worden.
Darf das sein, dass Juden so denken und handeln wie Nazis? Dürfen Juden rechtsextrem sein?
Das Buch, das erstmals 1999 erschienen ist, zeigt deutlich, dass auch Juden keine homogene Gruppe sind. Da gibt es die säkularen, die gemäßigten und die ultra-orthodoxen. Da werden die aus Russland Vertriebenen verächtlich angesehen. Rafael Seligmann wird wegen des schonungslosen Aufzeigen der Interessenkonflikte zwischen den Juden untereinander als Nestbeschmutzer beschimpft.
Fazit:
Ein Buch das auch mehr als zwanzig Jahre nach seiner Entstehung polarisiert und zum Nachdenken anregt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.