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- Zwei Welten? Das Buch thematisiert christliche und islamische Weltanschauung im Mittelalter sowie ihre (gemeinsamen) Ursprünge in der Antike.
- Spannendes Material: Arabische Karten und Zeichnungen aus alten Handschriften, die in unserem Kulturraum bislang selten oder gar nicht rezipiert sind, werden in den Kontext der damaligen westlichen Weltsicht gestellt, so werden Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede anschaulich.
Das mittelalterliche Weltbild war ein klar strukturiertes, hierarchisches System, ausgerichtet auf die Erde und die Menschen. Diese geozentrische Sicht geht auf antike,
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Produktbeschreibung
- Zwei Welten? Das Buch thematisiert christliche und islamische Weltanschauung im Mittelalter sowie ihre (gemeinsamen) Ursprünge in der Antike.
- Spannendes Material: Arabische Karten und Zeichnungen aus alten Handschriften, die in unserem Kulturraum bislang selten oder gar nicht rezipiert sind, werden in den Kontext der damaligen westlichen Weltsicht gestellt, so werden Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede anschaulich.

Das mittelalterliche Weltbild war ein klar strukturiertes, hierarchisches System, ausgerichtet auf die Erde und die Menschen. Diese geozentrische Sicht geht auf antike, vor allem griechische Vorbilder zurück; neben Platon und Aristoteles spielte vor allem Ptolemäus eine wichtige Rolle. Interessant ist dabei die zeitversetzte Rezeption von Ptolemäus in islamischer und christlicher Welt: Während die antiken Autoren im 9. Jahrhundert bereits annähernd vollständig ins Arabische übersetzt wurden, finden im lateinischen Westen erst ab dem 12. Jahrhundert, im Zusammentreffen christlicher und islamischer Kultur in Spanien, die antiken Schriften als Übersetzung aus dem Arabischen im christlichen Abendland Verbreitung.

Der reich illustrierte Band sucht nachzuvollziehen, inwiefern antike Vorstellungen das mittelalterliche Weltbild geprägt haben. Anhand zahlreicher Beispiele zeigt er dann, wie sich das Bild der Welt im lateinischen Abendland und im arabischen Orient entwickelte und welchen Niederschlag es hier wie dort in Karten, insbesondere Weltkarten, fand.

Nicht nur der Vergleich von christlicher und islamischer Vorstellung von Welt und Kosmos, ihre gegenseitige Befruchtung und schließlich mit dem Zeitalter der Entdeckungen und das Aufkommen der Portolane auseinander driftende Entwicklung, macht den Band interessant. Gelungen ist auch die Präsentation der Karten: Analog zu einzelnen Karten sind auf abgesofteten Parallelkarten die Inhalte transkribiert, Namen, Ortsbezeichnungen und Legenden erklärt.

Welches Bild von Welt und Kosmos hatten das lateinische Abendland und der islamische Orient im Mittelalter? Anhand ausgewählter Karten verdeutlicht das Buch, wie antike Traditionen die islamische und christliche Weltsicht prägten und welches geographische Wissen die christlich-westliche und die islamisch-östliche Welt im Mittelalter hatten.
Autorenporträt
Evelyn Edson lehrt Geschichte und Geisteswissenschaften am Piedmont Virginia Community College. Publikationen u. a.: "Mapping Time and Space: How Medieval Mapmakers Viewed Their World" (1997).
Emilie Savage-Smith unterrichtet am St. Cross College und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Orientalischen Institut der Universität Oxford. Publikationen u. a.: "Islamicate Celestial Globes: Their History, Construction, and Use" (1985).
Anna-Dorothee von den Brincken war Archivarin und lehrte seit 1972 an der Universität zu Köln, seit 1982 auf einer Professur für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.09.2005

Als man sich noch zutraute, das Weltganze zu würdigen
Kosmisch: Bildzeugnisse für alle Aspekte von Himmel und Erde in der christlichen und muslimischen Kultur des Mittelalters

Das Universum des Mittelalters war ein begrenzter Raum, in dem sich hierarchisch angeordnete Planetensphären um die Erde und den Menschen als Mittelpunkte lagerten. Christen und Muslime teilten diese Kosmologie, die im Westen Europas auf die lateinische Übersetzung des Philosophen Platon zurückging (Cicero), der islamischen Welt hingegen eher in den Werken griechischer Wissenschaft, vor allem des Mathematikers Ptolemaios, begegnet war. Der Mensch selbst galt als winziges Abbild des Weltganzen (Mikrokosmos) und war zugleich, da alles mit allem zusammenhing, unverloren in einem höchst komplexen Beziehungsnetz. Planeten bestimmten das Land seiner Herkunft, die Tierkreise sein Geschick von Geburt an, die Säfte seines Körpers, die in ihren Eigenschaften mit den Elementen Feuer und Luft, Wasser und Erde unterhalb der Mondsphäre korrespondierten, formten in ihrer Zusammensetzung seine Persönlichkeit und Erscheinung, gaben ihm Gesundheit oder machten ihn krank.

Mit den heiligen Büchern der Christen und Muslime, vor allem mit der Genesis und dem Koran, ließ sich Platons Schöpfungslehre recht gut vereinbaren, und für ihre religiöse Praxis war ihnen die Rechenkunst der Alten von Nutzen. Beide Religionen benötigten zur Fixierung ihrer Festkalender die Kenntnisse von Sonnen- und Mondjahr. Im Christentum bildete deshalb die Komputistik, die Wissenschaft von der Zeitrechnung, schon seit dem frühen Mittelalter einen hochentwickelten Schwerpunkt der Gelehrsamkeit.

Im Islam war die Kenntnis der Geographie ebenso wichtig. Zur Verrichtung der täglichen Gebete sollten sich die Gläubigen nach dem heiligen Stein der Kaaba orientieren, und um ihre Verpflichtung zu einer Pilgerfahrt nach Mekka zu erfüllen, waren sie auf Karten mit Richtungs- und Entfernungsangaben angewiesen, mochten diese auch primitiv und ungenau sein. Ein nüchterner, fast zweckrationaler Grundzug blieb der muslimischen Kartographie immer eigen, während die Christen im Westen, zumal ihnen Ptolemaios erst spät bekannt wurde, ihre Planzeichnungen der bewohnten und unbewohnten Erde mit Menschen und Ungeheuern, ja dem ganzen Geschehen des Heils und der Helden beleben konnten. Gott selbst, meist in Gestalt des zum Weltenrichter erhobenen Heilandes, umfaßte den Kreis der Erde, von der das Mittelalter wußte, daß sie tatsächlich eine Kugel und keineswegs eine Scheibe war.

Erst Ende des dreizehnten Jahrhunderts entstanden im Westen mit den "Portulanen" Karten, die sich praktisch verwenden ließen, indem sie die direkten Verbindungen von Hafen zu Hafen markierten; allerdings scheinen diese Seekarten nur zu Hause oder an Land studiert und eher nicht auf die Reise mitgenommen worden zu sein. Zwar ist bekannt, daß der Ursprung der Portulane beim Mittelmeerhandel lag (Venedig), doch ließ sich eine Anleihe der Christen bei arabischen Vorbildern bis heute nicht nachweisen. Auch der in diesem Zusammenhang erforderliche Gebrauch des Kompasses, den die Chinesen schon Jahrtausende kannten, dürften den "Abendländern" eher die Normannen als die Araber vermittelt haben. Einen gemeinsamen Weg zur modernen Kartographie haben Christen und Muslime (Türken) erst seit dem fünfzehnten Jahrhundert eingeschlagen, als die "Geographie" des Ptolemaios eine Renaissance erlebte, bei der die Muslime durch die Christen beeinflußt wurden.

Den mittelalterlichen Kosmos nicht bloß beschränkt auf die lateinische Überlieferung darzustellen, sondern dabei die Traditionen und Zeugnisse des Islam gleichrangig einzubeziehen war das Anliegen der beiden anglophonen Autorinnen Evelyn Edson und Emilie Savage-Smith, denen sich für die deutsche Buchausgabe die Kölner Mediävistin Anna-Dorothee von den Brincken beigesellte. In seiner transkulturellen Anlage demonstriert das Werk eindrucksvoll die grundsätzliche christlich-muslimische Übereinstimmung im Kosmosdenken bis zur kopernikanischen Revolution, welche allerdings im Islam nicht vor Ende des achtzehnten Jahrhunderts durchgedrungen ist. Neben den teilweise eleganten, teilweise materialsatten Abhandlungen bietet das Buch hervorragende Bildzeugnisse für alle Aspekte von Himmel und Erde, und es ist schade, daß die deutsche Version den schönen englischen Untertitel "Picturing the Universe" durch das fade "Karten der christlichen und muslimischen Welt" ersetzt hat.

Wertvoll ist der Band vor allem deshalb, weil er durch seine vergleichende Anlage die Schwierigkeiten bei der Würdigung des Weltganzen im Mittelalter deutlich werden läßt. Wenn beispielsweise in beiden Kulturen der Astrologie ein herausragender Rang konzediert wurde, mußte das doch mit der jeweiligen Religion vereinbar sein. Die Christen konnten, wie der Kirchenvater Augustin, am Stern-Mensch-Bezug Anstoß nehmen, weil der sphärische Determinismus den freien Willen auf dem Weg zum Heil in Frage stellte, während die Muslime eher den Widerspruch zur umfassenden Allmacht Gottes empfanden. Und wie sollte man, wenn der Kosmos von Gott harmonisch geordnet war, die unsteten Kometen einordnen?

Der Engländer Robert Grossesteste vermutete 1196/97, daß ein Wandelstern aus irdischem Feuer bestehe und sich in die höheren Regionen verirrt habe. Unverkennbar war auch, daß die Fülle der schriftlichen Überlieferung nie befriedigend verarbeitet werden konnte. Wenn der heilige Johannes in seiner Offenbarung von vier Ecken der Welt sprach, blieb dies ein Motiv, das wohl niemals wiederaufgegriffen wurde. Ähnlich verstummten die Exegeten vor dem Wort des Korans, daß den sieben Himmeln auch sieben Erden entsprächen. Rätselhaft werden wohl immer viele Wege der Rezeption bleiben, die sich für moderne Forscher deutlich anzubieten schienen. Oder weiß jemand, weshalb die Araber zwar den "Almagest" des Ptolemaios für ihre mathematischen und astronomischen Forschungen mit Gewinn benutzten, den Entwurf des großen Alexandriners für einen Himmelsglobus aber beiseite ließen? Und wie soll man erklären, daß die Anregung des Kirchenvaters Hieronymus (gestorben 419/420), Jerusalem als Mittelpunkt der Welt aufzufassen, erst in der Oxford-Karte von 1100 aufgegriffen wurde und sich nicht vor Mitte des dreizehnten Jahrhunderts in der westlichen Christenheit durchsetzte?

Die Gunst vergleichender und interkulturell orientierter Geschichtsforschung liegt darin, die Fülle auf der einen Seite mit der Leere auf der anderen konfrontieren zu können und den Gründen für die scheinbar selbstverständlichen Fakten hie und da nachzusinnen. Aus diesen Möglichkeiten haben die drei Autorinnen wenig gemacht. Konvergenzen und Differenzen festzustellen und sich über die Variationen des Lebens zu freuen reicht nicht aus, wenn Historie klüger machen soll. Überhaupt fehlt die Anstrengung, den komparativ-transkulturellen Ansatz eingehender zu begründen. Allerdings schreiben Edson und Savage-Smith über das kosmologische Modell des Mittelalters, es habe die Christen und Muslime bis ins siebzehnte Jahrhundert so sehr befriedigt, daß die Abkehr von ihm "eine tiefe geistige und psychologische Verwirrung verursachte, von der wir uns noch nicht erholt haben". Man kann nur hoffen, daß sie damit nicht einer neuen Mittelalterromantik Vorschub leisten wollten, die diesmal sogar noch die Geschichte des vormodernen Islam einschließen sollte.

MICHAEL BORGOLTE

Evelyn Edson, Emilie Savage-Smith, Anna-Dorothee von den Brincken: "Der mittelalterliche Kosmos". Karten der christlichen und islamischen Welt. Aus dem Englischen von Thomas Ganschow. Primus Verlag, Darmstadt 2005. 128 S., 75 Abb., geb., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Insgesamt gelungen findet Rezensent Michael Borgolte dieses Buch über den mittelalterlichen Kosmos, das Evelyn Edson und Emilie Savage-Smith zusammen mit Anna-Dorothee von den Brincken vorgelegt haben. Er begrüßt, dass sich die Autorinnen dabei nicht auf die lateinische Überlieferung beschränkten, sondern gleichrangig die Traditionen und Zeugnisse des Islam einbeziehen. Das Werk demonstriere in seiner transkulturellen Anlage eindrucksvoll die grundsätzliche christlich-muslimische Übereinstimmung im Kosmosdenken bis zur kopernikanischen Revolution. Borgolte freut sich besonders über die "hervorragenden Bildzeugnisse für alle Aspekte von Himmel und Erde". Für "wertvoll" hält er das Werk vor allem deshalb, weil es durch seine vergleichende Anlage die Schwierigkeiten bei der Würdigung des Weltganzen im Mittelalter deutlich werden lässt. Allerdings hätte er sich gerade dort auch etwas mehr gewünscht. "Konvergenzen und Differenzen festzustellen und sich über die Variationen des Lebens zu freuen reicht nicht aus", so Borgolte, "wenn Historie klüger machen soll." Generell vermisst er auch die Anstrengung, den komparativ-transkulturellen Ansatz eingehender zu begründen.

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