Die japanische Gartenkunst mit ihrer Sensibilität für Natürliches und ihrem Verständnis für das Raumgefüge beeinflusst den Westen seit langem. Doch jetzt entstehen in Japan Entwürfe, die die Tradition neu interpretieren und zu modernen, oft überraschenden privaten und öffentlichen Gärten werden. Viele der Anlagen sind bisher nirgends veröffentlicht worden und vermitteln dem Landschaftsplaner wie dem Besitzer kleiner Grundstücke und Höfe eine Fülle an Gestaltungsideen für Gärten von höchst ästhetischer Ausstrahlung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2003Blüten-Wonne, Blatt für Blatt
Heute pflück' ich ein paar Blumen und rette die Welt: Der Frühling ist da! Wer jetzt noch keinen Garten hat, sollte sich schnell einen anlegen. Zur Inspiration eine Auslese der neuen Bücher. (avm)
Jäger der Fetthenne.
Den Job möchte man nicht geschenkt gehabt haben. Fluchen jedenfalls konnten sie alle, die abenteuerlustigen Pflanzenjäger, die sich im 18. und 19. Jahrhundert durch Dschungel, Steppen und tropische Regenwälder schlugen. Auf der Suche nach Pflanzen, die reiche Europäer absolut unentbehrlich fanden, weil sie eben gerade Mode waren: Orchideen, Fuchsien und Päonien.
Unterwegs auf den Philippinen, in Vietnam oder in Kolumbien, die Orte alles "gottverdammte Löcher", die Herbergen "bloße Hütten ohne Möbel und Komfort". Mit der Axt und der Machete mußten sich die Pflanzenjäger und ihre Helfer den Weg durch die wuchernde Vegetation schlagen, immer durch das diffuse Dämmerlicht aus Blättern und Schlingpflanzen. Bis die Kisten mit der Beute im sammelnärrischen Europa ankamen, konnte noch manches schiefgehen. Zum Beispiel vergammelten Tausende Orchideen in den Lagerhäusern oder in Schiffsbäuchen. So etwas trieb die Preise für Vanda sanderiana oder Phalaenopsis noch weiter in die Höhe. Bis zu 700 Pfund wurde für eine Rarität gezahlt. Wilhelm Micholitz, der ehrgeizige Sachse, war nur einer von ihnen. Sein Briefwechsel mit dem Londoner Arbeitgeber Frederick Sander ist ein Dokument der aufgeheizten Pflanzen-Hausse Ende des 19. Jahrhunderts.
Ein Buch, das Botanik-Freaks und Sortenfans gleichermaßen mit Aha-Erlebnissen versorgt. Ganz unschuldig wirft man nach dieser Lektüre den Blick nicht mehr auf Hortensien, Mohn und Lilien, die nur dank solcher Strapazen bei uns heimisch werden konnten. Die beiden Autorinnen zeichnen die Rückschläge und Erfolgserlebnisse von acht Pflanzenjägern nach - darunter Adelbert von Chamisso ("Peter Schlemihl"), der auf seiner Weltumsegelung unter anderem in Kalifornien den gelben Mohn entdeckte, oder der Augenarzt Philipp von Siebold, der Fetthenne und Blauregen aus Japan herausschmuggelte.
Kej Hielscher und Renate Hücking: "Pflanzenjäger. In fernen Welten auf der Suche nach dem Paradies". Piper Verlag, 268 Seiten, 19,90 Euro.
Weniger ist mehr.
Zugegeben, es ist nicht zwingend, japanische Gärten unwiderstehlich zu finden. Kapriziöse Fleckchen sind es, die laufend geharkt werden müssen: rechts um das Wasserbecken, links in konzentrischen Kreisen um den mythischen Stein herum. Und an jedem Kirschzweig rankt sich Symbolik hoch, getreu der Lehre jener alten Tee-Meister, für die der Garten fern aller weltlichen Unreinheit der Ort geistiger Läuterung ist. Jetzt liegt ein Band vor, der dem japanischen Garten seine Verklärung nimmt. Das liegt nicht nur an den Fotos, die für sich genommen schon eine Art Meditation sind.
Platz ist in Japan kostbar, und das merkt man den Entwürfen an: Da ist der Stufengarten im Souterrain oder ein Innenhöfchen auf 7,5 Quadratmetern. Oder ein grünes Refugium en miniature im elften Stock zwischen Hochhaus-Blöcken. Die westliche Langnase staunt und lernt: Raum für einen Garten ist in der kleinsten Hütte. Eine Spur Kiesel, ein lakengroßes Stück Rasen, Trittsteine und eine kleine Säule als Blickfang - das Japan-Gefühl mag nicht allen Zen-Ansprüchen genügen, fordert aber die Phantasie zur Beschränkung. Hartriegel, Ahorn und Scheinkamelien sind häufig anzutreffende Arten, während die Farbskalen sich meist auf den Dreiklang Schwarz-Grau-Grün beschränken. Fehlen tut das Bunte nicht.
Michiko Rico Nosé (Text), Michael Freeman (Fotos): "Der moderne japanische Garten". Deutsche Verlags-Anstalt, 178 Seiten, 49,90 Euro.
Für Gartenträumer.
Schon mit dem kürzlich erschienenen Band "Die geheimen Gärten von Paris" haben die Autoren Alexandra d'Arnoux und Bruno de Laubadère sowie die Fotografin Deidi von Schaewen die Augen dafür geöffnet, daß Gartenglück nicht immer nur in Englisch buchstabiert werden muß. Jetzt hat das Trio nachgelegt. Und dabei wahrlich nicht gekleckert. Unglaublich, dieses Schreberglück à la française: ein Birnbaum mit richtigem Nistkasten, davor ein Beet mit wilden Bechermalven, ein ordentlich berankter Zaun - und dahinter ragt majestätisch der Eiffelturm auf. Muß das nicht wunderbar sein, frühmorgens über diese Terrasse zu schlurfen, den Becher mit Milchkaffee in der Hand, und zuzuschauen, wie da unten Paris langsam erwacht?
Die Dächer der französischen Hauptstadt, ihr Spiel von Nähe und Ferne, das Licht zu den unterschiedlichen Tageszeiten, der naß glänzende Schiefer und die warmen Sandtöne haben Regisseure wie Romanautoren gleichermaßen inspiriert; jetzt zeigt sich, daß diese abgehobenen Ebenen auch in gärtnerischer Hinsicht ergiebig sind. Kleine Warnung für Romantiker: Nicht alle, aber doch die meisten Beispiele unterwerfen sich dem strikt französischen Konzept, daß die Natur sich stets dem Willen des Gestalters zu unterwerfen habe - als jardin en miniature, als Bühne und magischer Ort, an dem Vorder- und Hintergrund ineinander aufgehen. Die Effekte lassen nichts zu wünschen übrig: Wilder Wein, der sich um Schornsteine rankt. Ein Zinkkübel, von Lavendel überquellend. Oder Tränende Herzen, die sich über ein Balkongitter in Montparnasse werfen. Und wenn abends der Straßenlärm allmählich verebbt, lassen sich die Vögel zum Notturno herab. Dies ist alles andere als ein Ratgeber - sondern mehr eine Lektüre für urbane Gartenträumer.
Alexandra d'Arnoux, Bruno de Laubadère: "Dachterrassen und Balkone". Fotos von Deidi von Schaewen. Deutsche Verlags-Anstalt, 176 Seiten, 39,90 Euro.
Pflanzen-Kunst.
Es gibt professionelle Gärtner und semiprofessionelle Gärtnerinnen. Unter den Gärtnerinnen wiederum gibt es kleinliche, großzügige, ängstliche und mutige. Sind Künstlerinnen bessere Gärtnerinnen? Nicht unbedingt. Aber wer sich laufend mit ästhetischen und formalen Fragen beschäftigt, findet sicher auch für sperrige, langweilige oder schattige Gärten ungewöhnliche Lösungen. So zumindest dachte es sich die Autorin Charlotte Seeling.
Und sie wurde fündig. Zum Beispiel im Fabrikhöfchen der Malerin Claire Basler, in dem sich ein Potager in großer Farbenfreude breitgemacht hat. Zum Beispiel im 93 Hektar großen Gartenland des amerikanischen Documenta-Stars Jenny Holzer, durch das eine von Phlox gesäumte Bahnlinie führt. Oder bei der Bildhauerin Michaele Schweeger in Tirol, die Storchschnabel, Schwertlilien und Stockrosen wuchern läßt, daß es eine Lust ist. Sorgen muß man sich hingegen um Sylvie Fleurie machen, die Schöpferin des legendären vergoldeten Einkaufswagens: Nicht mehr lange, und ihre Villa magica wird völlig von Passionsblumen, Malven und Winden aller Art verschlungen sein.
Bei diesem Thema war die Gefahr groß, daß das Buch ins Prätentiös-Demonstrative abgleitet - mit jedem Garten als Pseudo-Louisiana. Gebannt wurde sie dank des strengen Blicks der Autorin zum einen und zum anderen wegen der grünen Freiluft-Ateliers selbst: Jedes davon hat seine eigene Logik und Linie. Ganz en passant läßt sich auch noch die eine oder andere Anregung pflücken.
Charlotte Seeling: "Der Garten der Künstlerin. 33 Porträts". Mit Fotos von Corinne Korda und Carina Landau. Gerstenberg Verlag, 200 Seiten, 49,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Heute pflück' ich ein paar Blumen und rette die Welt: Der Frühling ist da! Wer jetzt noch keinen Garten hat, sollte sich schnell einen anlegen. Zur Inspiration eine Auslese der neuen Bücher. (avm)
Jäger der Fetthenne.
Den Job möchte man nicht geschenkt gehabt haben. Fluchen jedenfalls konnten sie alle, die abenteuerlustigen Pflanzenjäger, die sich im 18. und 19. Jahrhundert durch Dschungel, Steppen und tropische Regenwälder schlugen. Auf der Suche nach Pflanzen, die reiche Europäer absolut unentbehrlich fanden, weil sie eben gerade Mode waren: Orchideen, Fuchsien und Päonien.
Unterwegs auf den Philippinen, in Vietnam oder in Kolumbien, die Orte alles "gottverdammte Löcher", die Herbergen "bloße Hütten ohne Möbel und Komfort". Mit der Axt und der Machete mußten sich die Pflanzenjäger und ihre Helfer den Weg durch die wuchernde Vegetation schlagen, immer durch das diffuse Dämmerlicht aus Blättern und Schlingpflanzen. Bis die Kisten mit der Beute im sammelnärrischen Europa ankamen, konnte noch manches schiefgehen. Zum Beispiel vergammelten Tausende Orchideen in den Lagerhäusern oder in Schiffsbäuchen. So etwas trieb die Preise für Vanda sanderiana oder Phalaenopsis noch weiter in die Höhe. Bis zu 700 Pfund wurde für eine Rarität gezahlt. Wilhelm Micholitz, der ehrgeizige Sachse, war nur einer von ihnen. Sein Briefwechsel mit dem Londoner Arbeitgeber Frederick Sander ist ein Dokument der aufgeheizten Pflanzen-Hausse Ende des 19. Jahrhunderts.
Ein Buch, das Botanik-Freaks und Sortenfans gleichermaßen mit Aha-Erlebnissen versorgt. Ganz unschuldig wirft man nach dieser Lektüre den Blick nicht mehr auf Hortensien, Mohn und Lilien, die nur dank solcher Strapazen bei uns heimisch werden konnten. Die beiden Autorinnen zeichnen die Rückschläge und Erfolgserlebnisse von acht Pflanzenjägern nach - darunter Adelbert von Chamisso ("Peter Schlemihl"), der auf seiner Weltumsegelung unter anderem in Kalifornien den gelben Mohn entdeckte, oder der Augenarzt Philipp von Siebold, der Fetthenne und Blauregen aus Japan herausschmuggelte.
Kej Hielscher und Renate Hücking: "Pflanzenjäger. In fernen Welten auf der Suche nach dem Paradies". Piper Verlag, 268 Seiten, 19,90 Euro.
Weniger ist mehr.
Zugegeben, es ist nicht zwingend, japanische Gärten unwiderstehlich zu finden. Kapriziöse Fleckchen sind es, die laufend geharkt werden müssen: rechts um das Wasserbecken, links in konzentrischen Kreisen um den mythischen Stein herum. Und an jedem Kirschzweig rankt sich Symbolik hoch, getreu der Lehre jener alten Tee-Meister, für die der Garten fern aller weltlichen Unreinheit der Ort geistiger Läuterung ist. Jetzt liegt ein Band vor, der dem japanischen Garten seine Verklärung nimmt. Das liegt nicht nur an den Fotos, die für sich genommen schon eine Art Meditation sind.
Platz ist in Japan kostbar, und das merkt man den Entwürfen an: Da ist der Stufengarten im Souterrain oder ein Innenhöfchen auf 7,5 Quadratmetern. Oder ein grünes Refugium en miniature im elften Stock zwischen Hochhaus-Blöcken. Die westliche Langnase staunt und lernt: Raum für einen Garten ist in der kleinsten Hütte. Eine Spur Kiesel, ein lakengroßes Stück Rasen, Trittsteine und eine kleine Säule als Blickfang - das Japan-Gefühl mag nicht allen Zen-Ansprüchen genügen, fordert aber die Phantasie zur Beschränkung. Hartriegel, Ahorn und Scheinkamelien sind häufig anzutreffende Arten, während die Farbskalen sich meist auf den Dreiklang Schwarz-Grau-Grün beschränken. Fehlen tut das Bunte nicht.
Michiko Rico Nosé (Text), Michael Freeman (Fotos): "Der moderne japanische Garten". Deutsche Verlags-Anstalt, 178 Seiten, 49,90 Euro.
Für Gartenträumer.
Schon mit dem kürzlich erschienenen Band "Die geheimen Gärten von Paris" haben die Autoren Alexandra d'Arnoux und Bruno de Laubadère sowie die Fotografin Deidi von Schaewen die Augen dafür geöffnet, daß Gartenglück nicht immer nur in Englisch buchstabiert werden muß. Jetzt hat das Trio nachgelegt. Und dabei wahrlich nicht gekleckert. Unglaublich, dieses Schreberglück à la française: ein Birnbaum mit richtigem Nistkasten, davor ein Beet mit wilden Bechermalven, ein ordentlich berankter Zaun - und dahinter ragt majestätisch der Eiffelturm auf. Muß das nicht wunderbar sein, frühmorgens über diese Terrasse zu schlurfen, den Becher mit Milchkaffee in der Hand, und zuzuschauen, wie da unten Paris langsam erwacht?
Die Dächer der französischen Hauptstadt, ihr Spiel von Nähe und Ferne, das Licht zu den unterschiedlichen Tageszeiten, der naß glänzende Schiefer und die warmen Sandtöne haben Regisseure wie Romanautoren gleichermaßen inspiriert; jetzt zeigt sich, daß diese abgehobenen Ebenen auch in gärtnerischer Hinsicht ergiebig sind. Kleine Warnung für Romantiker: Nicht alle, aber doch die meisten Beispiele unterwerfen sich dem strikt französischen Konzept, daß die Natur sich stets dem Willen des Gestalters zu unterwerfen habe - als jardin en miniature, als Bühne und magischer Ort, an dem Vorder- und Hintergrund ineinander aufgehen. Die Effekte lassen nichts zu wünschen übrig: Wilder Wein, der sich um Schornsteine rankt. Ein Zinkkübel, von Lavendel überquellend. Oder Tränende Herzen, die sich über ein Balkongitter in Montparnasse werfen. Und wenn abends der Straßenlärm allmählich verebbt, lassen sich die Vögel zum Notturno herab. Dies ist alles andere als ein Ratgeber - sondern mehr eine Lektüre für urbane Gartenträumer.
Alexandra d'Arnoux, Bruno de Laubadère: "Dachterrassen und Balkone". Fotos von Deidi von Schaewen. Deutsche Verlags-Anstalt, 176 Seiten, 39,90 Euro.
Pflanzen-Kunst.
Es gibt professionelle Gärtner und semiprofessionelle Gärtnerinnen. Unter den Gärtnerinnen wiederum gibt es kleinliche, großzügige, ängstliche und mutige. Sind Künstlerinnen bessere Gärtnerinnen? Nicht unbedingt. Aber wer sich laufend mit ästhetischen und formalen Fragen beschäftigt, findet sicher auch für sperrige, langweilige oder schattige Gärten ungewöhnliche Lösungen. So zumindest dachte es sich die Autorin Charlotte Seeling.
Und sie wurde fündig. Zum Beispiel im Fabrikhöfchen der Malerin Claire Basler, in dem sich ein Potager in großer Farbenfreude breitgemacht hat. Zum Beispiel im 93 Hektar großen Gartenland des amerikanischen Documenta-Stars Jenny Holzer, durch das eine von Phlox gesäumte Bahnlinie führt. Oder bei der Bildhauerin Michaele Schweeger in Tirol, die Storchschnabel, Schwertlilien und Stockrosen wuchern läßt, daß es eine Lust ist. Sorgen muß man sich hingegen um Sylvie Fleurie machen, die Schöpferin des legendären vergoldeten Einkaufswagens: Nicht mehr lange, und ihre Villa magica wird völlig von Passionsblumen, Malven und Winden aller Art verschlungen sein.
Bei diesem Thema war die Gefahr groß, daß das Buch ins Prätentiös-Demonstrative abgleitet - mit jedem Garten als Pseudo-Louisiana. Gebannt wurde sie dank des strengen Blicks der Autorin zum einen und zum anderen wegen der grünen Freiluft-Ateliers selbst: Jedes davon hat seine eigene Logik und Linie. Ganz en passant läßt sich auch noch die eine oder andere Anregung pflücken.
Charlotte Seeling: "Der Garten der Künstlerin. 33 Porträts". Mit Fotos von Corinne Korda und Carina Landau. Gerstenberg Verlag, 200 Seiten, 49,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main