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In einem Bordell von San José kommt ein Zyklop, ein einäugiges Kind zur Welt, das folgerichtig auf den Namen Polyphem getauft wird. Die Huren verstecken den Jungen und Jerónimo, Ex-Mönch und Bruder der Bordellköchin, kümmert sich um ihn und bringt ihm die Welt bei, wie er sie aus den gelehrten Büchern kennt. Mit einer Baseballkappe über dem Auge bricht Polyphem aus in die Stadt und spielt mit den Straßenkindern. Jetzt ist auch Jerónimo bereit, sich von Polyphem mitnehmen zu lassen, und gemeinsam ziehen sie durch die Straßen und Märkte, der Möch und das Kind.Die Originalausgabe erschien 1995…mehr

Produktbeschreibung
In einem Bordell von San José kommt ein Zyklop, ein einäugiges Kind zur Welt, das folgerichtig auf den Namen Polyphem getauft wird. Die Huren verstecken den Jungen und Jerónimo, Ex-Mönch und Bruder der Bordellköchin, kümmert sich um ihn und bringt ihm die Welt bei, wie er sie aus den gelehrten Büchern kennt. Mit einer Baseballkappe über dem Auge bricht Polyphem aus in die Stadt und spielt mit den Straßenkindern. Jetzt ist auch Jerónimo bereit, sich von Polyphem mitnehmen zu lassen, und gemeinsam ziehen sie durch die Straßen und Märkte, der Möch und das Kind.Die Originalausgabe erschien 1995 unter dem Titel 'Los Peor' im Verlag Farben - Grupo Editorial Norma, San José des Costa Rica. Die vorliegende deutsche Ausgabe erschien auch im 'anderen Literaturclub'-Frankfurt. 2007 in 2. Auflage.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.2003

Der Knabe im Limonenbäumchen
Fernando Contreras Castro hat für alles zwei Erklärungen

Wenn von einem Menschen die Rede ist, der mit nur einem Auge auf der Stirn geboren wird, denkt man an den Zyklopen Polyphem aus Homers "Odyssee". Wenn sich die Geburt eines solchen Wesens jedoch in der Gegenwart zuträgt, liegt der Verdacht nahe, daß es sich dabei um eine jener Anomalien handelt, wie sie in giftverseuchten Gegenden der Erde gehäuft auftreten. Das "Zyklopenkind" wäre dann in der Tat ein "Zeichen unserer Zeit" und Metapher für eine Welt, die um ihr ökologisches Gleichgewicht gebracht worden ist.

Mythologische Reminiszenz oder Symptom einer zerstörten Umwelt - der Roman des Costaricaners Fernando Contreras Castro läßt weitgehend offen, welche der beiden Bedeutungsebenen maßgebend ist. Der Autor spielt mit beiden und läßt sie so selbstverständlich ineinander übergehen, als seien die Grenzen zwischen Phantasie und Realität für ihn ohne Belang. Schon der Ort des Romans, ein lausiges Bordell in der Altstadt von San José, liegt außerhalb jeglicher Norm. Die Menschen, die hier leben und arbeiten, sind längst durch alle Maschen des sozialen Netzes gefallen: Consuelo, die Köchin, mit ihrem von einem Arbeitsunfall schwer gezeichneten Mann, ihr Bruder Jeronimo, ein Franziskaner, der weise und zugleich so närrisch ist, daß er nicht einmal mehr in ein Kloster paßte, und erst recht die Frauen, die ihre Haut zu Markte tragen, weil sie nichts anderes mehr haben, wovon sie sonst leben könnten.

In dieser Welt der Mühseligen und Beladenen, der heiligen Narren und kleinen Gauner vermag sich denn auch niemand so recht zu wundern, als eines Tages eine hochschwangere junge Frau vom Land vor der Tür des Etablissements zusammenbricht und einen Knaben zur Welt bringt, der seinerseits aus dem Rahmen fällt: Er hat nur ein Auge, das er wie ein Zyklop mitten auf der Stirn trägt - für Jeronimo ein Zeichen dafür, daß die Welt aus den Fugen geraten ist, aber auch die klare Aufforderung, das Kind in seinem Anderssein zu akzeptieren.

Vom Moment an, da der alte Klosterbruder die Erziehung des Jungen in die Hand nimmt, gewinnt die zunächst etwas krause Geschichte an Boden. Behutsam und mit viel Sinn für Humor erzählt Contreras Castro, wie Jeronimo dem Kind die Welt erklärt, ihm beibringt, was er selber weiß, und ihn schließlich in die Geheimnisse einer Stadt einführt. Im Schlepptau des Alten lernt Polyphem, wie das Kind genannt wird, eine Welt kennen, die von Außenseitern und Gestrandeten nur so wimmelt. Der Makel, mit dem es gezeichnet ist, fällt hier bald niemandem mehr auf. Obwohl Resultat eines skrupellosen Umgangs mit Pflanzenschutzmitteln, erscheint es den meisten nur als weitere Laune der Natur.

Mit "Der Mönch, das Kind und die Stadt" hat Fernando Contreras Castro eine Art Entwicklungsroman vorgelegt: eine skurrile und zugleich anrührende Education sentimentale, die vom Erwachen einer kindlichen Seele in einem beschädigten Leib erzählt und die den Leser an eine Sicht der Dinge heranführt, die das Phantastische vom Alltäglichen nicht mehr klar unterscheidet. Der Autor lehrt Literatur an der Universität von San José und ist somit vertraut mit der Kunst des Magischen Realismus. Für ihn ist es kein Widerspruch, wenn sich seine Figuren in den Räumen des Phantastischen mit gleicher Leichtigkeit bewegen wie auf dem harten Boden der Realität. Für Jeronimo sind die alten Mythen genauso geeignet, die Welt zu erklären, wie die modernen wissenschaftlichen Denkmodelle. Und das Kind Polyphem mit dem einen Auge und dem wachen Verstand ist selbst der beste Beweis dafür, daß jedes Phänomen seine zwei möglichen Erklärungen hat. So verwundert es nicht, daß es sich nach einem frühen Tod für Jeronimo in einen Limonenbaum verwandelt, den er hegt und pflegt, als ob der Junge noch immer am Leben wäre.

KLARA OBERMÜLLER

Fernando Contreras Castro: "Der Mönch, das Kind und die Stadt". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Lutz Kliche. Maro Verlag, Augsburg 2002. 207 S., geb., 17,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Im Mittelpunkt von Castros Entwicklungsroman steht ein "Zyklopenkind", ein Kind, das mit nur einem Auge über der Stirn geboren wird, erklärt Rezensentin Klara Obermüller. Will uns der Autor an Homers mythologische Saga des Odysseus erinnern, fragt sie, zumal das Zyklopenkind den gleichen Namen trägt wie der Zyklop bei Homer: Polyphem. Oder ist dieses Kind mit einer Missbildung auf die Welt gekommen, an der Giftskandale und schwere Umweltschädigung ihren Anteil tragen? Beides, lautet Obermüllers Antwort. Sowohl die mythologische Ebene wie die Symptomatik einer zerstörten Umwelt spielten bei Castro eine Rolle, und dem Autor gelänge es, zwischen diesen beiden Ebenen problemlos hin- und herzuspringen, ja sie sogar wie "selbstverständlich ineinander übergehen" zu lassen. Castro sei mit den Mitteln des "magischen Realismus" gut vertraut, bescheinigt Obermüller dem costaricanischen Literaturprofessor aus San Jose; die Räume des Phantastischen sind ebenso von dieser Erde wie Industrielabore und naturwissenschaftliche Forschungsstätten. Eine ebenso skurrile wie anrührende "education sentimentale", schreibt Obermüller, die "Der Mönch, das Kind und die Stadt" miteinander erleben.

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