Paulas Lebensgefährte möchte nicht mehr mit ihr leben und verliert nur Stunden nach dieser Mitteilung sein Leben. Fortan ist Paula gefangen in einer Mischung aus Schweigen, Zorn, Wut, Arbeitseifer, Rachegelüsten, Verlust und vor allem Trauer – aber worum trauert Paula eigentlich?
Dies ist
vielleicht nicht unbedingt die vorherrschende Frage des Romans, aber die, die sich mir nach der Lektüre des…mehrPaulas Lebensgefährte möchte nicht mehr mit ihr leben und verliert nur Stunden nach dieser Mitteilung sein Leben. Fortan ist Paula gefangen in einer Mischung aus Schweigen, Zorn, Wut, Arbeitseifer, Rachegelüsten, Verlust und vor allem Trauer – aber worum trauert Paula eigentlich?
Dies ist vielleicht nicht unbedingt die vorherrschende Frage des Romans, aber die, die sich mir nach der Lektüre des Buches, das ich in kürzester Zeit gelesen habe, aufdrängt. Natürlich trauert Paula um Mauro, den Mann, den sie für den Begleiter durch ihr Leben gehalten hat. Aber ihr Bedauern ist vielschichtiger. Sie betrauert Chancen vertan zu haben, Möglichkeiten zu spät genutzt zu haben, es sich in ihrer Beziehung zu bequem gemacht zu haben, den prägenden Verlust ihrer Mutter, die fehlende Zweisamkeit mit einem Partner, das Ende der Jugend, die sprachlose Beziehung zu ihrem Vater – und vor allem beweint sie sich selbst und das, was aus ihr geworden ist. Gefangen ist sie dabei in dem unsteten Versuch, wieder Halt zu finden und sich selbst als eigenständige Paula wieder im Leben zu verankern. Auch wenn sich diese Liste nach einem ganzen Katalog von Selbstmitleid anhört, versinkt Paula doch nie im Gram. Im Gegenteil – ihre Trauer ist von einem relativen, manchmal leider sehr unreifen, Aktionismus geprägt, der in seiner Darstellung den Roman lebendig macht und vor allem auf überzogene und langatmige Innenschauen verzichtet, die nur auf der Stelle treten. Diese ausgesprochen gut gehaltene Balance zwischen Introspektion und Aktion ist der Grund dafür, dass man als Leser mit großem Interesse das Trauerjahr der Protagonistin begleitet.
Paulas Figur ist äußerst lebensecht. Ihre Handlungsweisen sind zwar nicht immer unbedingt nachvollziehbar, unterstreichen aber so, dass jeder Mensch seinen individuellen Weg der Trauer – noch dazu in der hier geschilderten, außergewöhnlichen Situation – gehen muss. Sympathisch ist mir Paula jedoch nicht, sie wäre von ihrem Wesen und ihren Gedanken und vor allem auch von ihrer Art her, mit anderen Menschen umzugehen, sicher nicht meine Freundin. Aber auch hier: alles, was sie tut und fühlt, passt haargenau zu der Figur, die Marta Orriols dem Leser präsentiert.
Was den Romanaufbau anbelangt, sind besonders die sehr gelungenen Zwiesprachen mit Mauro hervorzuheben, in denen Paula Einblicke in eine verletzlichere, sanftere Frau gewährt und in denen der stumpfe Schmerz des Verlustes greifbar wird. Der Roman besticht insgesamt durch treffende Sprache und oft auch punktgenaue Beobachtungen zu Verlust und Verlassen, allerdings habe ich mich an ebenso vielen Gemeinplätzen und abgedroschenen Weisheiten, die den Text durchziehen, gestört.
Der Roman hat mich mit seiner außergewöhnlichen Thematik beeindruckt und beschäftigt, aber Paulas einsame, scharfe Trauer bleibt mir bei aller Authentizität fremd. Lesenswert ist Der Moment zwischen den Zeiten auf jeden Fall – denn irgendwie trauern wir alle immer um etwas.