Die Ärztin Paula Cid arbeitet in einer Klinik in Barcelona auf der Frühgeborenen-Station. Während eines Treffens mit ihrem langjährigen Freund Mauro offenbart ihr dieser, dass er eine jüngere Frau kennengelernt hat und Paula verlassen möchte. Doch wenige Stunden später ist er nach einem Unfall tot.
Wie geht man mit dem Verlust eines geliebten Menschen um, wenn bei diesem die Liebe offenbar…mehrDie Ärztin Paula Cid arbeitet in einer Klinik in Barcelona auf der Frühgeborenen-Station. Während eines Treffens mit ihrem langjährigen Freund Mauro offenbart ihr dieser, dass er eine jüngere Frau kennengelernt hat und Paula verlassen möchte. Doch wenige Stunden später ist er nach einem Unfall tot. Wie geht man mit dem Verlust eines geliebten Menschen um, wenn bei diesem die Liebe offenbar verblasst war? Wie kann man weiterleben mit diesem doppelten Verlust? Darüber schreibt Marta Orriols in ihrem Debütroman "Der Moment zwischen den Zeiten".
Der deutsche Titel klingt poetisch, ist aber im Vergleich zum katalanischen Original eher schlecht gewählt. "Lernen, mit den Pflanzen zu sprechen" wäre die wörtliche deutsche Übersetzung, doch vielleicht klang das dem dtv-Verlag zu verschroben? Schade, denn die Formulierung bezieht sich auf eine zentrale Stelle dieses emotionalen Romans.
Die Lesefreude wird dadurch jedoch nicht getrübt. Gleich von Beginn an schickt Marta Orriols ihre LeserInnen auf eine intensive Achterbahnfahrt der Gefühle. Die Ich-Erzählerin Paula ist eine so emotionale Figur, dass sie eigentlich niemanden kalt lassen kann. Ich freute mich mit ihr, trauerte mit ihr, litt mit ihr, ärgerte mich über sie. Sie nervte mich, berührte mich, ging mir nicht mehr aus dem Sinn.
Gleichzeitig konnte ich mich mit Paula sehr gut identifizieren, auch wenn die Perspektive des Romans natürlich eine weibliche ist. Wer schon einmal einen geliebten Mensch betrauern musste, setzt sich mit diesem Verlust wieder auseinander, wenn er "Den Moment zwischen den Zeiten" nach bewegten und bewegenden knapp 300 Seiten aus der Hand legt.
Marta Orriols findet zudem viele kluge Sätze, über die es sich lohnt, nachzudenken. "Als Kind nimmt man vieles wahr, aber es fehlt einem die Kraft, es zu ändern", heißt es an einer Stelle. "Wenn einer stirbt, teilt sich der Freundeskreis wieder in die Freunde des Verstorbenen und die eigenen Freunde" an einer anderen.
Als besonders intensiv empfand ich die Teile des Romans, in denen sich Paula direkt an den verstorbenen Mauro wendet und konsequenterweise die "Du"-Form verwendet. Hier schreibt Orriols emotional, ohne auch nur annähernd kitschig zu werden. Ein großes Plus eines - ja - Liebesromans, denn als einen solchen würde ich "Der Moment zwischen den Zeiten" bezeichnen, auch wenn er inhaltlich weit darüber hinausgeht. Denn es geht nicht nur um die Liebe zu einem Verstorbenen, es geht um Vaterliebe und um die Liebe zum Leben allgemein.
Die Figuren wirken authentisch und glaubwürdig. Alle weisen ihre speziellen Ecken und Kanten auf, ohne dabei ins Klischee zu verfallen.
Ich habe "Der Moment zwischen den Zeiten" mit großem Gewinn gelesen. Der Roman hat mich berührt, aufgebaut - und mich zum Nachdenken gebracht. Viel mehr kann man als Leser eigentlich nicht erwarten.
In einer besonders emotionalen Szene widmet Paulas Vater seiner Tochter ein selbst komponiertes Lied und spielt es ihr als Weihnachtsgeschenk auf dem Klavier vor: "Es ist eine minimalistische, schmerzlich-schöne Melodie, die von der tiefen Anteilnahme spricht, die ich so oft in seinen Augen wahrnehme, wenn wir uns zum Essen oder auf einen Kaffee trinken, mehr noch, im Grunde drückt sie all das aus, was er mir nie zu sagen vermocht hatte, und endet mit einem Akkord voller Hoffnung."
Eine bezaubernde Beschreibung, die man mühelos auch für den kompletten Roman verwenden kann. Denn genau so ist "Der Moment zwischen den Zeiten": schmerzlich-schön, voller Anteilnahme - und trotz aller Trauer mit einer großen Prise Hoffnung.