Ein Sommernachtstraum mitten im steineren Frankfurt. Hans und Ina sind ein strahlendes junges Paar. Hans hat eine brillante Bankkarriere begonnen, und umso unbegreiflicher ist es, wie sehr er sich in der neuen Wohnung vergriffen hat: Hinter dem Hauptbahnhof an einer lauten Straße steht dies übriggebliebene Gründerzeithaus, dem man nicht ansieht, wie seltsam es in ihm zugeht. Denn dort findet sich allnächtlich im brütend heißen Hof unter dem großen Sommermond jener fatale Kreis um den marokkanischen Hausmeister zusammen ... Ein federleicht und spielerisch erzählter Roman, ironisches Großstadtbild und doppelbödige Liebesgeschichte zugleich.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2007Agieren auf unabhängiger Hinterteilbasis
Schöner Wohnen: Martin Mosebach fühlt sich wohl in romanhafter Nachbarschaft / Von Ernst Osterkamp
Wer dieses Buch liest, sieht den Falken der Novellentheorie förmlich die Federn schütteln und denkt: Man hätte es kürzer machen können. Martin Mosebach aber macht aus einer unerhörten Begebenheit einen Roman.
Natürlich ist dies das Buch eines guten Schriftstellers. Aber ist es deshalb auch ein gutes Buch? Die Grundidee ist blendend: Ein frisch verheirateter junger Mann tritt in Frankfurt am Main in einer Großbank seine erste Stelle an und sucht eine Wohnung für sich und seine Angetraute, derweil diese sich mit ihrer dominanten Mutter auf einer Italien-Reise erholt. Da sich die Suche nach der idealen Wohnung - groß, hell, möglichst im ersten Stock eines Hauses von solider Bürgerlichkeit, in der Nähe eines Parks und auch des Arbeitsplatzes - auf ortsübliche Weise schwierig gestaltet, gibt der junge Mann, mitgenommen auch von der Hitze des Frankfurter Sommers, bald seine Suche auf und mietet gewissermaßen willenlos eine teilmöblierte Wohnung im vierten Stock eines überaus verkehrsgünstig an einem lauten Platz gelegenen Eckhauses, auf dass sich erfülle, was im ersten Satz dieses Buches geschrieben steht: "Wer eine Wohnung sucht, hat es mit einem der seltenen Augenblicke zu tun, in denen der Mensch wirklich einmal glauben darf, über die Zukunft seines Lebens zu entscheiden, denn im Wohnen, so vieldeutig dies Wort eben ist, liegt doch das ganze Leben beschlossen." Das ist ein Satz, mit dem in den Zeiten, als man noch über ein Gattungsbewusstsein verfügte, eine exemplarische Novelle begonnen hätte; dies ist aber ein Roman.
Jedenfalls ändert sich mit der Wohnungsentscheidung des Mannes, der den Namen Hans trägt und auch sonst ein Charakter von jener hübschen Blässe ist, die ihn zur exemplarischen Gestalt prädestiniert, nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner hübschen und blassen Frau Ina, mit der er ein allseits geschätztes, schönes Paar abgibt. Zwar versucht sich Ina die Wohnung, die den mütterlichen und damit auch den eigenen Vorstellungen widerspricht, durch Übermöblierung und -drapierung anzueignen; aber das Paar wird sich in dem neuen Ambiente auf eigentümliche Weise fremd. Das hat seinen Grund nicht zuletzt darin, dass Hans eine sonderbare Faszination für eine merkwürdige Gesellschaft entwickelt, die sich Nacht für Nacht im Hinterhof versammelt und dort seltsame Gespräche führt: ein mit vulgärer Distanzlosigkeit ausgestatteter marokkanischer Hausmeister, ukrainische Handwerker, der äthiopische Inhaber eines Stehimbisses, eine mit hoher Weltklugheit begabte syrische Koptin und eine mit blonder Löwenmähne versehene, sonst aber undeutliche Erscheinung namens Barbara - Leute eben, wie sie sonst im Leben schöner Paare keinen Platz haben und deren Reden Hans nun, Bier trinkend und Zigaretten rauchend, lauscht.
Und dann gibt es noch das Paar in der Wohnung unter derjenigen von Hans und Ina: er Kunsthistoriker am Museum, sie Schauspielerin, jene gehobene Frankfurter Bohème eben, deren Faszinationskraft sich offensichtlich auch ein Banker nur schwer entziehen kann, und so dauert es denn auch nicht lange, bis Hans der Schauspielerin in die Arme sinkt (könnte hier der soziale Differenzierungskünstler Mosebach nicht für einmal einem Schauspielerinnenklischee erlegen sein?) und dabei seinen Ehering einbüßt.
Da trifft es sich gut, dass der dicke Vermieter, von dessen elefantöser seelischer Zartheit sich nun wiederum Ina fasziniert zeigt, bei der Trennung von seiner Ehefrau einen Ehering in der Wohnung zurückgelassen hat, auf den nun Hans in seiner Not zurückgreift . . . Kurz, dies ist klassischer Novellenstoff, und wer will, kann den Falken der Paul-Heyseschen Novellentheorie sein Gefieder schütteln sehen. Mit novellenhafter Dynamik führt Mosebach auch in den letzten beiden Kapiteln die Geschichte dieses seelisch verwirrten Paares zu Ende und lenkt sie in jene gesunden bürgerlichen Bahnen, von denen man sich fragen kann, ob sie nicht die eigentliche Katastrophe darstellen.
Bei der Reise in das jeweils eigene Ich begegnet dem Paar allerlei Befremdliches: ein von Mosebach psychologisch einfühlsam, mit mild-ironischem Mitgefühl erzähltes Exempel für die Eingangsthese, es liege im Wohnen das ganze Leben beschlossen. Das liest man gern und mit viel Freude an den erzählerischen Subtilitäten, mit denen Mosebach seine Geschichte zu strukturieren und zu runden versteht. Und über allem schwebt immer der Mond, am Anfang als Vollmond, am Ende als Neumond, und das gibt der Erzählung, wie man im Falle des Mondes ja wohl sagen darf, eine angenehme Rundung.
Nur hat Martin Mosebach eben eine Geschichte, die in ihrer Substanz auf eine schöne Novelle hin angelegt war, zu einem Roman aufgeplustert, und das bedeutet, dass einem dieses Buch, so kurz es auch ist, doch recht lang vorkommt. Natürlich kann Mosebach bei der Schilderung der sonderbaren Hinterhof-Kumpanei seinen herrlichen Sinn für soziale Semantik und Milieus zur Entfaltung bringen. Auch gewähren ihm diese bunten Vögel die Lizenz, seiner Neigung zu Kabinettstücken freien Lauf zu lassen, etwa, wenn er dem marokkanischen Hausmeister über zwei Seiten hinweg die vier weiblichen Bedienungen in einem Restaurant, das Mosebach den Leser glücklicherweise niemals betreten lässt, zu schildern aufgibt. Hübsch, aber was bringt's?
Kabinettstücke sind nun einmal Ausstattungskomponenten, die zur Substanz der Wohnung - und hier geht es doch ums Wohnen - nichts beitragen. Überdies versetzt Mosebach, anstatt sich auf die erzählerische Entfaltung der schleichenden Entfremdung des Paares zu konzentrieren, den Leser allzu oft und gerne in die Gesellschaft dieser Hinterhofheroen, die diesen bei aller Liebe zur Schrägheit doch nicht sehr zu interessieren vermögen. Auch nimmt man dem Erzähler keineswegs den plakativen Repräsentativitätsanspruch ab, mit dem er dieses Häuflein ausstattet. Dabei verfällt der Erzähler gelegentlich in gehobenes Schwadronieren. Wir sind ja auch sehr für den allwissenden Erzähler, aber der Erzähler dieses Buches ist weniger allwissend als vielmehr undiszipliniert. Er präsentiert sich einerseits gern als allerliebster Schlaumeier von hoher Weltläufigkeit, andererseits legt er sich auch gern die vornehme Blässe des anonymisierenden "man" auf: "Von Geheimhaltung mag man hier nicht sprechen." Einerseits fällt er seinen Figuren ins Wort: "holla, Barbara, Vorsicht!" Andererseits verschmäht er das generalisierende "wir" nicht, wenn es darum geht, Allerweltsweisheiten an den Leser zu bringen. Einerseits stolpert er hilflos in ein Kapitel: "Hätte Hans die Einladung zu den Wittekinds auf ein letztes Glas angenommen, wenn klar gewesen wäre, wie dieser Abend sich entwickeln würde?" Andererseits traut er dem Leser so wenig zu, dass er ihn mit Floskeln belästigt: "Man erinnert sich, dass Hans . . ."
Sagen wir es klar: Hier lässt ein vorzüglicher Erzähler die Zügel schleifen, und das hat eine erkältende Wirkung. Martin Mosebach hätte aus diesem Stoff eine sehr gute Novelle machen können. Denn über einen beträchtlichen Kunstanspruch verfügt er doch. Man erkennt das an der Fülle von Vergleichen, mit denen Mosebach seine Milieustudien durchhäkelt wie mit einem zarten Brokatfaden, und davon sind nicht wenige berückend schön. Aber insgesamt neigt Mosebach dazu, auch seiner hohen Profession des Wie und des Als-ob und des Gleichsam allzu sehr nachzugehen: "Auf ihrem Hinterteil stand der Oberkörper wie auf einem gemauerten Piedestal. Sie agierte gleichsam auf der Basis eines von ihrem Körper unabhängigen Hinterteils." Wie Freunde der Zeichnung wissen, gibt es auch eine Kunst des Weglassens.
Ein Nebenwerk also. Aber eines, von dem man sich in Zeiten, als die Gesetze des Literaturmarktes dies noch zuließen, eine in Ruhe gereifte zweite Fassung gewünscht hätte.
ERNST OSTERKAMP
Martin Mosebach: "Der Mond und das Mädchen". Roman. Carl Hanser Verlag, München 2007. 191 S., geb., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schöner Wohnen: Martin Mosebach fühlt sich wohl in romanhafter Nachbarschaft / Von Ernst Osterkamp
Wer dieses Buch liest, sieht den Falken der Novellentheorie förmlich die Federn schütteln und denkt: Man hätte es kürzer machen können. Martin Mosebach aber macht aus einer unerhörten Begebenheit einen Roman.
Natürlich ist dies das Buch eines guten Schriftstellers. Aber ist es deshalb auch ein gutes Buch? Die Grundidee ist blendend: Ein frisch verheirateter junger Mann tritt in Frankfurt am Main in einer Großbank seine erste Stelle an und sucht eine Wohnung für sich und seine Angetraute, derweil diese sich mit ihrer dominanten Mutter auf einer Italien-Reise erholt. Da sich die Suche nach der idealen Wohnung - groß, hell, möglichst im ersten Stock eines Hauses von solider Bürgerlichkeit, in der Nähe eines Parks und auch des Arbeitsplatzes - auf ortsübliche Weise schwierig gestaltet, gibt der junge Mann, mitgenommen auch von der Hitze des Frankfurter Sommers, bald seine Suche auf und mietet gewissermaßen willenlos eine teilmöblierte Wohnung im vierten Stock eines überaus verkehrsgünstig an einem lauten Platz gelegenen Eckhauses, auf dass sich erfülle, was im ersten Satz dieses Buches geschrieben steht: "Wer eine Wohnung sucht, hat es mit einem der seltenen Augenblicke zu tun, in denen der Mensch wirklich einmal glauben darf, über die Zukunft seines Lebens zu entscheiden, denn im Wohnen, so vieldeutig dies Wort eben ist, liegt doch das ganze Leben beschlossen." Das ist ein Satz, mit dem in den Zeiten, als man noch über ein Gattungsbewusstsein verfügte, eine exemplarische Novelle begonnen hätte; dies ist aber ein Roman.
Jedenfalls ändert sich mit der Wohnungsentscheidung des Mannes, der den Namen Hans trägt und auch sonst ein Charakter von jener hübschen Blässe ist, die ihn zur exemplarischen Gestalt prädestiniert, nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner hübschen und blassen Frau Ina, mit der er ein allseits geschätztes, schönes Paar abgibt. Zwar versucht sich Ina die Wohnung, die den mütterlichen und damit auch den eigenen Vorstellungen widerspricht, durch Übermöblierung und -drapierung anzueignen; aber das Paar wird sich in dem neuen Ambiente auf eigentümliche Weise fremd. Das hat seinen Grund nicht zuletzt darin, dass Hans eine sonderbare Faszination für eine merkwürdige Gesellschaft entwickelt, die sich Nacht für Nacht im Hinterhof versammelt und dort seltsame Gespräche führt: ein mit vulgärer Distanzlosigkeit ausgestatteter marokkanischer Hausmeister, ukrainische Handwerker, der äthiopische Inhaber eines Stehimbisses, eine mit hoher Weltklugheit begabte syrische Koptin und eine mit blonder Löwenmähne versehene, sonst aber undeutliche Erscheinung namens Barbara - Leute eben, wie sie sonst im Leben schöner Paare keinen Platz haben und deren Reden Hans nun, Bier trinkend und Zigaretten rauchend, lauscht.
Und dann gibt es noch das Paar in der Wohnung unter derjenigen von Hans und Ina: er Kunsthistoriker am Museum, sie Schauspielerin, jene gehobene Frankfurter Bohème eben, deren Faszinationskraft sich offensichtlich auch ein Banker nur schwer entziehen kann, und so dauert es denn auch nicht lange, bis Hans der Schauspielerin in die Arme sinkt (könnte hier der soziale Differenzierungskünstler Mosebach nicht für einmal einem Schauspielerinnenklischee erlegen sein?) und dabei seinen Ehering einbüßt.
Da trifft es sich gut, dass der dicke Vermieter, von dessen elefantöser seelischer Zartheit sich nun wiederum Ina fasziniert zeigt, bei der Trennung von seiner Ehefrau einen Ehering in der Wohnung zurückgelassen hat, auf den nun Hans in seiner Not zurückgreift . . . Kurz, dies ist klassischer Novellenstoff, und wer will, kann den Falken der Paul-Heyseschen Novellentheorie sein Gefieder schütteln sehen. Mit novellenhafter Dynamik führt Mosebach auch in den letzten beiden Kapiteln die Geschichte dieses seelisch verwirrten Paares zu Ende und lenkt sie in jene gesunden bürgerlichen Bahnen, von denen man sich fragen kann, ob sie nicht die eigentliche Katastrophe darstellen.
Bei der Reise in das jeweils eigene Ich begegnet dem Paar allerlei Befremdliches: ein von Mosebach psychologisch einfühlsam, mit mild-ironischem Mitgefühl erzähltes Exempel für die Eingangsthese, es liege im Wohnen das ganze Leben beschlossen. Das liest man gern und mit viel Freude an den erzählerischen Subtilitäten, mit denen Mosebach seine Geschichte zu strukturieren und zu runden versteht. Und über allem schwebt immer der Mond, am Anfang als Vollmond, am Ende als Neumond, und das gibt der Erzählung, wie man im Falle des Mondes ja wohl sagen darf, eine angenehme Rundung.
Nur hat Martin Mosebach eben eine Geschichte, die in ihrer Substanz auf eine schöne Novelle hin angelegt war, zu einem Roman aufgeplustert, und das bedeutet, dass einem dieses Buch, so kurz es auch ist, doch recht lang vorkommt. Natürlich kann Mosebach bei der Schilderung der sonderbaren Hinterhof-Kumpanei seinen herrlichen Sinn für soziale Semantik und Milieus zur Entfaltung bringen. Auch gewähren ihm diese bunten Vögel die Lizenz, seiner Neigung zu Kabinettstücken freien Lauf zu lassen, etwa, wenn er dem marokkanischen Hausmeister über zwei Seiten hinweg die vier weiblichen Bedienungen in einem Restaurant, das Mosebach den Leser glücklicherweise niemals betreten lässt, zu schildern aufgibt. Hübsch, aber was bringt's?
Kabinettstücke sind nun einmal Ausstattungskomponenten, die zur Substanz der Wohnung - und hier geht es doch ums Wohnen - nichts beitragen. Überdies versetzt Mosebach, anstatt sich auf die erzählerische Entfaltung der schleichenden Entfremdung des Paares zu konzentrieren, den Leser allzu oft und gerne in die Gesellschaft dieser Hinterhofheroen, die diesen bei aller Liebe zur Schrägheit doch nicht sehr zu interessieren vermögen. Auch nimmt man dem Erzähler keineswegs den plakativen Repräsentativitätsanspruch ab, mit dem er dieses Häuflein ausstattet. Dabei verfällt der Erzähler gelegentlich in gehobenes Schwadronieren. Wir sind ja auch sehr für den allwissenden Erzähler, aber der Erzähler dieses Buches ist weniger allwissend als vielmehr undiszipliniert. Er präsentiert sich einerseits gern als allerliebster Schlaumeier von hoher Weltläufigkeit, andererseits legt er sich auch gern die vornehme Blässe des anonymisierenden "man" auf: "Von Geheimhaltung mag man hier nicht sprechen." Einerseits fällt er seinen Figuren ins Wort: "holla, Barbara, Vorsicht!" Andererseits verschmäht er das generalisierende "wir" nicht, wenn es darum geht, Allerweltsweisheiten an den Leser zu bringen. Einerseits stolpert er hilflos in ein Kapitel: "Hätte Hans die Einladung zu den Wittekinds auf ein letztes Glas angenommen, wenn klar gewesen wäre, wie dieser Abend sich entwickeln würde?" Andererseits traut er dem Leser so wenig zu, dass er ihn mit Floskeln belästigt: "Man erinnert sich, dass Hans . . ."
Sagen wir es klar: Hier lässt ein vorzüglicher Erzähler die Zügel schleifen, und das hat eine erkältende Wirkung. Martin Mosebach hätte aus diesem Stoff eine sehr gute Novelle machen können. Denn über einen beträchtlichen Kunstanspruch verfügt er doch. Man erkennt das an der Fülle von Vergleichen, mit denen Mosebach seine Milieustudien durchhäkelt wie mit einem zarten Brokatfaden, und davon sind nicht wenige berückend schön. Aber insgesamt neigt Mosebach dazu, auch seiner hohen Profession des Wie und des Als-ob und des Gleichsam allzu sehr nachzugehen: "Auf ihrem Hinterteil stand der Oberkörper wie auf einem gemauerten Piedestal. Sie agierte gleichsam auf der Basis eines von ihrem Körper unabhängigen Hinterteils." Wie Freunde der Zeichnung wissen, gibt es auch eine Kunst des Weglassens.
Ein Nebenwerk also. Aber eines, von dem man sich in Zeiten, als die Gesetze des Literaturmarktes dies noch zuließen, eine in Ruhe gereifte zweite Fassung gewünscht hätte.
ERNST OSTERKAMP
Martin Mosebach: "Der Mond und das Mädchen". Roman. Carl Hanser Verlag, München 2007. 191 S., geb., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Im Juni noch präsentierte die FAZ Martin Mosebachs Roman "Der Mond und das Mädchen" als Vorabdruck und pries ihn als seinen bisher "schmalsten, zartesten und leichthändigsten Roman. In einer Besprechung in der Sonntags-FAZ schlägt Marius Meller nun die Hände über dem Kopf zusammen, wobei nicht auszumachen ist, was er schlimmer findet: Inhalt oder Sprache. Ein Graus sind dem Rezensenten das "altväterliche Männerbild" und "kitschige Frauenideal", das Mosebach in der Geschichte eines jungen Paares, das nach seiner Hochzeit erstmals zusammenzieht. Wobei Hans die Wohnung sucht, während Frau und Schwiegermutter - wir schreiben das Jahr 2007 - in den Süden reisen. Hin und wieder rätselt der Erzähler auch, warum Afrikaner und Asiaten so gut aussehen, obwohl sie sich doch nicht waschen. Die Sprache, schüttelt sich der Rezensent, "ist meistens Retro und häufig Kitsch". Mosebach lässt Hans "angelegentlich" ein Bier trinken, ein "schicksalsträchtiges Ringlein" kreisen und von Inas "Schmetterlingszartheit" schwärmen. Nein, urteilt Meller, Poesie sei das nicht: "Das Reaktionäre als Programm bleibt bei Mosebach ein uninspirierter Griff in das Magazin der Literaturgeschichte."
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Etwas Luftiges und Leichtes strahlt dieses Buch aus, es ist von zierlicher Wohlgesetztheit wie eine Sonate von Scarlatti." Ijoma Mangold, Süddeutsche Zeitung, 11./12.08.07 "Was Martin Mosebach macht, ist millimetergenau. Massarbeit statt Konfektion. Wer das für gehobene Herrenschneiderei hält, der vergisst, dass es erst die Genauigkeit der Form ist, die den Gedanken kleidet." Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung, 07.08.07 "Es ist eine Novelle, in der der deutsche Schriftsteller sein poetologisches Programm in aller Leichtigkeit auf den Punkt bringt." Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung, 07.08.07 "...der schmalste, zarteste und leichthändigste Roman, den Martin Mosebach bislang geschrieben hat." Hubert Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.06.07 "Martin Mosebach, der Erzähler, Romancier und Essayist, der Grandseigneur in der Apfelweinkneipe ist von ungewöhnlicher stilistischer und intellektueller Brillanz." Hubert Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.06.07 "Die Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung hat sich in diesem Jahr einen Büchner-Preisträger erwählt, von dem eine dauerhafte Beeinflussung, vielleicht sogar eine Wandlung der deutschsprachigen Literatur ausgehen kann: Lebendiger jedenfalls hat man die Tradition in diesen Kreisen noch nicht erlebt." Thomas Steinfeld, Süddeutsche Zeitung, 08.06.07 "Dass Mosebach nun den wichtigsten Literaturpreis bekommt, zeigt, wie sehr sich die Literatur und ihre Rezeption verändert haben. Man muss der Akademie gratulieren, dass sie dafür Sinn und Aufmerksamkeit hatte." Ulrich Greiner, Die Zeit, 08.06.07 "Er hat bis hin zu seinem jüngsten Roman Der Mond und das Mädchen ein höchst differenziertes, anschauliches und zugleich unterhaltsames Panorama deutscher Gegenwart entworfen - immer zentriert um seine Geburtsstadt Frankfurt am Main, die seit dem Krieg keinen liebevolleren Porträtisten gefunden hat als ihn." Uwe Wittstock, Die Welt, 08.06.07"Raffiniert wie stets impft Martin Mosebach seinen Roman mit dem Stoff, aus dem die Träume sind. Alles wirkt realistisch, und doch wird hier das Innere nach außen gekehrt." Meike Fessmann, Tagesspiegel, 06.08.07 "Sein neuer, zauberhaft zarter und zugleich satirisch böser Roman." Uwe Wittstock, Die Welt, 04.08.07 "Der Reiz dieser zauberhaften Geschichte liegt gerade in ihrem Changieren zwischen Realismus und Fantastik, zwischen Horror und subtilem Kunstmärchen." Ulrich Baron, Welt am Sonntag, 12.08.07