Christian Gerlach bietet mit diesem kompakten Überblick eine nach Themen geordnete Analyse der Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden und schließt zugleich eine Lücke. Seine Studie untersucht erstmals systematisch das Vorgehen nichtdeutscher Regierungen und Gesellschaften gegen Juden. So kann sie zeigen, dass der Mord an den europäischen Juden ein Prozess war, an dem sich viele Gruppen mit ganz unterschiedlichen Motiven beteiligt haben.
Nach einem kurzen chronologischen Aufriss analysiert Christian Gerlach der Reihe nach zentrale Themenkomplexe wie Kriegführung, Außenpolitik, rassistisches Denken, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen sowie die Verfolgung nichtjüdischer Opfergruppen. Indem er sie in einen Wirkungszusammenhang stellt, legt er wichtige Aspekte jenseits der üblichen Erklärungsmuster frei. Auch das Verhalten und die Überlebensstrategien jüdischer und anderer Verfolgter werden dargestellt. Gerlachs beeindruckend kenntnisreiche undkluge Analyse ist eine zuverlässige neue Einführung in das wohl schwierigste historische Thema des 20. Jahrhunderts.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Nach einem kurzen chronologischen Aufriss analysiert Christian Gerlach der Reihe nach zentrale Themenkomplexe wie Kriegführung, Außenpolitik, rassistisches Denken, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen sowie die Verfolgung nichtjüdischer Opfergruppen. Indem er sie in einen Wirkungszusammenhang stellt, legt er wichtige Aspekte jenseits der üblichen Erklärungsmuster frei. Auch das Verhalten und die Überlebensstrategien jüdischer und anderer Verfolgter werden dargestellt. Gerlachs beeindruckend kenntnisreiche undkluge Analyse ist eine zuverlässige neue Einführung in das wohl schwierigste historische Thema des 20. Jahrhunderts.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.05.2017Der perfektionierte
Massenmord
Stephan Lehnstaedt und Christian Gerlach analysieren
den Holocaust auf sehr unterschiedliche Weise
VON LUDGER HEID
Treblinka ist ein Dorf in der Woiwodschaft Masowien, etwa achtzig Kilometer nordöstlich von Warschau und umgeben von Wäldern. Es duftet nach Kiefernnadeln – heute. Wie nach Treblinka verirren sich nur wenige Besucher in die noch abgelegeneren Orte Bełżec und Sobibor. Die Mörder haben ihre Spuren verwischt. Das monströse Verbrechen an diesen drei Orten scheint aus dem Gedächtnis der Nachwelt zu verschwinden.
Vor 74 Jahren roch es hier anders. Da lag monatelang der Geruch von verbranntem Menschenfleisch ständig in der Luft. Im Frühjahr 1942 war Treblinka im Rahmen der „Aktion Reinhardt“ als Vernichtungslager im vom NS-Staat besetzten Polen errichtet worden. Treblinka hatte nur einen einzigen Zweck: die zügige Massenvernichtung. Es war das tödlichste Lager im genozidalen Wettbewerb der Nazis überhaupt.
Die „Aktion Reinhardt“ ist für den Historiker Stephan Lehnstaedt der „Kern des Holocaust“ . Sie war benannt nach dem SS-Obergruppenführer, Chef des Reichssicherheitshauptamtes, „Reichsprotektor“ von Böhmen und Mähren und Chefplaner der „Endlösung“, Reinhard Heydrich. Er war im Mai 1942 Opfer eines Attentats durch tschechische Widerstandskämpfer geworden. Innerhalb von fünfzehn Monaten wurden in Bełżec, Sobibor und Treblinka zwei Millionen Juden und 50 000 Sinti und Roma ermordet. Der im Frühjahr 1942 einsetzende industrielle Judenmord wurde nicht in Auschwitz „erfunden“, sondern in und für Bełżec. Hier wurde er durch hoch motivierte Täter mit neuen Tötungsmethoden perfektioniert – mittels einer Kombination aus Täuschung, Geschwindigkeit, Drohungen und Gewalt.
Das Stammpersonal von Sobibor bestand lediglich aus 20 bis 30 deutschen SS-Männern und etwa 200 „fremdvölkischen“ Helfern, der gebürtige Ukrainer Iwan (später John) Demjanjuk war einer von ihnen. Auch wenn es keine Überlebenschance gab, leisteten Juden in Treblinka und Sobibor Widerstand. In Sobibor gelang im Oktober 1943 eine Rebellion des Arbeitskommandos. Fast 300 Häftlinge konnten fliehen, die meisten von ihnen wurden jedoch wieder gefangen und ermordet. Thomas Toivi Blatt, einer der Überlebenden des Aufstands, schrieb sein Schicksal später auf und zeigte das Manuskript einem Auschwitz-Überlebenden. Dieser glaubte ihm kein Wort – weil er nie von Sobibor gehört hatte. Der Ausbruch setzte ein Fanal: Die Täter konnten sich nicht länger in Sicherheit wiegen. Sie verlagerten die Mordstätte nach Auschwitz.
Die SS zog Bilanz: Zwei Millionen Juden waren tot. Außerdem wurden 1901 Eisenbahnwaggons voll mit Beute stolz nach Berlin gemeldet. Dazu kamen Banknoten aus aller Herren Länder, darunter ein uruguayischer Peso, 15 Mandschukuo-Cent oder zehn javanische Gulden, dann Schmuck, Armbanduhren, Taschenmesser, Zahngold oder Brillen. Insgesamt wurden 178 745 960,59 Reichsmark erbeutet. Die Toten kamen sogar nach dem Holocaust nicht zur Ruhe. Es gab massive Formen der Leichenfledderei, Menschen durchwühlten die planierten Flächen der Vernichtungslager auf der Suche nach Wertsachen der Ermordeten. So groß war die Anziehungskraft der ehemaligen Mordfabriken, dass man vom „polnischen Klondike“ sprach. Trotz des polnischen Profitierens am Holocaust, so Lehnstaedt, sei eine klare Trennlinie zu den Verbrechen der Deutschen zu ziehen. Wo Letztere den Volksmord planten, ausführten und sich daran bereicherten, versuchten Teile der polnischen Bevölkerung, aus den geschaffenen Fakten einen Vorteil zu ziehen. Das war gewiss moralisch verwerflich und hatte gelegentlich kriminelle Auswüchse.
Kurz zusammengefasst: Lehnstaedts Buch ist eine unverzichtbare und wichtige Dokumentation.
Auch der Historiker Christian Gerlach beschäftigt sich mit der „Aktion Reinhardt“. Doch seine Darstellung durchmisst die europäische Dimension des Judenmords. Ihm geht es prioritär um das Vorgehen nichtdeutscher Regierungen und Gesellschaften gegen Juden. Deren Ermordung war ein globales Großprojekt, an dem sich auch Staaten ohne unmittelbare deutsche Täterschaft eigenverantwortlich beteiligten. Das zeigt er gründlich auf und gibt einen Überblick, indem auch das Schicksal der nichtjüdischen Opfer einen untrennbaren Bestandteil der sich entfaltenden Katastrophe bildet.
Für Gerlach, dessen Buch mehr Analyse bietet als Erzählung, gibt es Gründe, „etwas mehr über die nichtjüdischen Opfer“ zu sprechen und die jüdischen Opfer „nicht ständig ins Zentrum“ zu stellen, wenn man über deutsche Gewalt spricht. Dabei will er erklärtermaßen nicht so „avantgardistisch“ sein, dies zum „übergreifenden Strukturprinzip“ zu erheben. Kurz: Er sucht nach Verbindungen zu anderen Verfolgungen und gemeinsamen Kontexten der Gewalt gegen Juden und anderen Gruppen. Er bietet eigenem Selbstverständnis nach vergleichende Perspektiven, geht jedoch über den nicht ungewöhnlichen, aber unproduktiven Ansatz „Wer litt am meisten?“ hinaus.
Einen Grund, warum die Geschichte von Tätern und Opfern häufig nicht zusammenzupassen scheint, sieht Gerlach in der Methodologie: Tätergeschichte wurde meist als politische Geschichte geschrieben, Opfergeschichte eher als Sozialgeschichte. Er versucht, Massengewalt stärker mit Blick auf soziale Akteure zu schreiben – Massengewalt als Sozialgeschichte.
Gerlach hält die Vorstellung, dass der Judenmord auf einer Arbeitsteilung beruhte, für problematisch, denn diese könne zu dem Missverständnis führen, der Mordprozess habe eine „monolithische Struktur“ gehabt. Tatsächlich wurde die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen unterschiedlichen Instanzen, Staatsorganen und der Partei systematisch im Unklaren gelassen. Die Polykratie unter der NS-Herrschaft führte nicht zu einem lähmenden Chaos. Im Gegenteil: Auf dem Gebiet der Gewalt war die Effizienz erschreckend. Die Durchschlagskraft der Gewalt beruhte stark auf einem System, das zur Mitwirkung einladen sollte.
Dass der Judenmord keinen „Vorrang vor allem anderen“ besaß, wie Gerlach meint – und damit im Widerspruch zu Lehnstaedt steht – darf angezweifelt werden. Seine Belege sind die „vielen aufgeschobenen Deportationen“ und die Langsamkeit der Deportationszüge. Richtig ist: Die Durchführung des Judenmords hing nicht zuletzt von der Bereitstellung der Transportmitteln durch die Reichsbahn ab. Die ließ sich aber trotz der angespannten Transportlage nicht lange bitten – am 20. Januar 1943 sogar von Heinrich Himmler persönlich („Helfen Sie mit und verschaffen Sie mir mehr Züge.“) – und ließ Räder rollen für die „Endlösung“.
Christian Gerlach schreibt der deutschen Gewalt gegen Juden einen „partizipatorischen Charakter“ zu, der sich aus der Struktur der Entscheidungsfindung in Fragen von Leben und Tod herleitet. Deutsche Täter konnten ihre individuellen Beiträge zur Verfolgung durch den Staatsapparat oder Parteiorganisationen „legitimieren“ – statt sie umgehen zu müssen. Sie fühlten sich ausgestattet mit politischer Macht und absoluter Handlungsfreiheit, insbesondere in Aktionsräumen außerhalb des Reichsgebiets. Ihre exekutive Autorität blieb nahezu unbehindert durch Gerichte, Presse und staatliche Aufsicht. Bei ihrem Streben nach dem, was sie als das Beste für das Reich ansahen, wandten sich deutsche Entscheidungsträger gegen Juden aus Motiven, die sich mit Bildern des „Minderwertigen“ oder „Gefährlichen“ verbanden.
Außerhalb des deutschen Reichsgrenzen, dort, wo der größte Teil des Judenmords stattfand, war die verbreitete aktive Unterstützung und das fast völlige Fehlen von Widerstand bemerkenswert. Gerlach gibt nur eine vorläufige und allgemeine Erklärung, dass nämlich etwa deutsche Soldaten in den besetzten Ländern, infiziert mit einem Populärrassismus, dazu neigten, sich nicht gegen die Ermordung von Juden zu stellen, weil ihnen dies im Kontext des Krieges logisch erschien. Dies weiter zu erklären, bleibt eine Aufgabe für die künftige Forschung.
Ludger Heid ist Neuzeithistoriker und lebt in Duisburg.
Bełżec, Sobibor und Treblinka –
für Stephan Lehnstaedt ist das
der „Kern des Holocaust“
Christian Gerlach möchte
die jüdischen Opfer „nicht
ständig ins Zentrum“ stellen
17 000 unbehauene Granitblöcke, die jüdische Grabsteine symbolisieren, bilden den Mittelpunkt der Gedenkstätte in Treblinka. Jeder Stein steht für eine jüdische Gemeinde, deren Mitglieder hier ermordet wurden.
Foto: JANEK SKARZYNSKI/AFP
Stephan Lehnstaedt:
Der Kern des Holocaust. Bełżec, Sobibór, Treblinka und die Aktion Reinhardt, Verlag C. H. Beck München 2017, 207 Seiten, 14,95 Euro.
Christian Gerlach:
Der Mord an den
europäischen Juden.
Ursachen, Ereignisse,
Dimensionen.
Verlag C. H. Beck
München 2017, 608 Seiten, 34,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Massenmord
Stephan Lehnstaedt und Christian Gerlach analysieren
den Holocaust auf sehr unterschiedliche Weise
VON LUDGER HEID
Treblinka ist ein Dorf in der Woiwodschaft Masowien, etwa achtzig Kilometer nordöstlich von Warschau und umgeben von Wäldern. Es duftet nach Kiefernnadeln – heute. Wie nach Treblinka verirren sich nur wenige Besucher in die noch abgelegeneren Orte Bełżec und Sobibor. Die Mörder haben ihre Spuren verwischt. Das monströse Verbrechen an diesen drei Orten scheint aus dem Gedächtnis der Nachwelt zu verschwinden.
Vor 74 Jahren roch es hier anders. Da lag monatelang der Geruch von verbranntem Menschenfleisch ständig in der Luft. Im Frühjahr 1942 war Treblinka im Rahmen der „Aktion Reinhardt“ als Vernichtungslager im vom NS-Staat besetzten Polen errichtet worden. Treblinka hatte nur einen einzigen Zweck: die zügige Massenvernichtung. Es war das tödlichste Lager im genozidalen Wettbewerb der Nazis überhaupt.
Die „Aktion Reinhardt“ ist für den Historiker Stephan Lehnstaedt der „Kern des Holocaust“ . Sie war benannt nach dem SS-Obergruppenführer, Chef des Reichssicherheitshauptamtes, „Reichsprotektor“ von Böhmen und Mähren und Chefplaner der „Endlösung“, Reinhard Heydrich. Er war im Mai 1942 Opfer eines Attentats durch tschechische Widerstandskämpfer geworden. Innerhalb von fünfzehn Monaten wurden in Bełżec, Sobibor und Treblinka zwei Millionen Juden und 50 000 Sinti und Roma ermordet. Der im Frühjahr 1942 einsetzende industrielle Judenmord wurde nicht in Auschwitz „erfunden“, sondern in und für Bełżec. Hier wurde er durch hoch motivierte Täter mit neuen Tötungsmethoden perfektioniert – mittels einer Kombination aus Täuschung, Geschwindigkeit, Drohungen und Gewalt.
Das Stammpersonal von Sobibor bestand lediglich aus 20 bis 30 deutschen SS-Männern und etwa 200 „fremdvölkischen“ Helfern, der gebürtige Ukrainer Iwan (später John) Demjanjuk war einer von ihnen. Auch wenn es keine Überlebenschance gab, leisteten Juden in Treblinka und Sobibor Widerstand. In Sobibor gelang im Oktober 1943 eine Rebellion des Arbeitskommandos. Fast 300 Häftlinge konnten fliehen, die meisten von ihnen wurden jedoch wieder gefangen und ermordet. Thomas Toivi Blatt, einer der Überlebenden des Aufstands, schrieb sein Schicksal später auf und zeigte das Manuskript einem Auschwitz-Überlebenden. Dieser glaubte ihm kein Wort – weil er nie von Sobibor gehört hatte. Der Ausbruch setzte ein Fanal: Die Täter konnten sich nicht länger in Sicherheit wiegen. Sie verlagerten die Mordstätte nach Auschwitz.
Die SS zog Bilanz: Zwei Millionen Juden waren tot. Außerdem wurden 1901 Eisenbahnwaggons voll mit Beute stolz nach Berlin gemeldet. Dazu kamen Banknoten aus aller Herren Länder, darunter ein uruguayischer Peso, 15 Mandschukuo-Cent oder zehn javanische Gulden, dann Schmuck, Armbanduhren, Taschenmesser, Zahngold oder Brillen. Insgesamt wurden 178 745 960,59 Reichsmark erbeutet. Die Toten kamen sogar nach dem Holocaust nicht zur Ruhe. Es gab massive Formen der Leichenfledderei, Menschen durchwühlten die planierten Flächen der Vernichtungslager auf der Suche nach Wertsachen der Ermordeten. So groß war die Anziehungskraft der ehemaligen Mordfabriken, dass man vom „polnischen Klondike“ sprach. Trotz des polnischen Profitierens am Holocaust, so Lehnstaedt, sei eine klare Trennlinie zu den Verbrechen der Deutschen zu ziehen. Wo Letztere den Volksmord planten, ausführten und sich daran bereicherten, versuchten Teile der polnischen Bevölkerung, aus den geschaffenen Fakten einen Vorteil zu ziehen. Das war gewiss moralisch verwerflich und hatte gelegentlich kriminelle Auswüchse.
Kurz zusammengefasst: Lehnstaedts Buch ist eine unverzichtbare und wichtige Dokumentation.
Auch der Historiker Christian Gerlach beschäftigt sich mit der „Aktion Reinhardt“. Doch seine Darstellung durchmisst die europäische Dimension des Judenmords. Ihm geht es prioritär um das Vorgehen nichtdeutscher Regierungen und Gesellschaften gegen Juden. Deren Ermordung war ein globales Großprojekt, an dem sich auch Staaten ohne unmittelbare deutsche Täterschaft eigenverantwortlich beteiligten. Das zeigt er gründlich auf und gibt einen Überblick, indem auch das Schicksal der nichtjüdischen Opfer einen untrennbaren Bestandteil der sich entfaltenden Katastrophe bildet.
Für Gerlach, dessen Buch mehr Analyse bietet als Erzählung, gibt es Gründe, „etwas mehr über die nichtjüdischen Opfer“ zu sprechen und die jüdischen Opfer „nicht ständig ins Zentrum“ zu stellen, wenn man über deutsche Gewalt spricht. Dabei will er erklärtermaßen nicht so „avantgardistisch“ sein, dies zum „übergreifenden Strukturprinzip“ zu erheben. Kurz: Er sucht nach Verbindungen zu anderen Verfolgungen und gemeinsamen Kontexten der Gewalt gegen Juden und anderen Gruppen. Er bietet eigenem Selbstverständnis nach vergleichende Perspektiven, geht jedoch über den nicht ungewöhnlichen, aber unproduktiven Ansatz „Wer litt am meisten?“ hinaus.
Einen Grund, warum die Geschichte von Tätern und Opfern häufig nicht zusammenzupassen scheint, sieht Gerlach in der Methodologie: Tätergeschichte wurde meist als politische Geschichte geschrieben, Opfergeschichte eher als Sozialgeschichte. Er versucht, Massengewalt stärker mit Blick auf soziale Akteure zu schreiben – Massengewalt als Sozialgeschichte.
Gerlach hält die Vorstellung, dass der Judenmord auf einer Arbeitsteilung beruhte, für problematisch, denn diese könne zu dem Missverständnis führen, der Mordprozess habe eine „monolithische Struktur“ gehabt. Tatsächlich wurde die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen unterschiedlichen Instanzen, Staatsorganen und der Partei systematisch im Unklaren gelassen. Die Polykratie unter der NS-Herrschaft führte nicht zu einem lähmenden Chaos. Im Gegenteil: Auf dem Gebiet der Gewalt war die Effizienz erschreckend. Die Durchschlagskraft der Gewalt beruhte stark auf einem System, das zur Mitwirkung einladen sollte.
Dass der Judenmord keinen „Vorrang vor allem anderen“ besaß, wie Gerlach meint – und damit im Widerspruch zu Lehnstaedt steht – darf angezweifelt werden. Seine Belege sind die „vielen aufgeschobenen Deportationen“ und die Langsamkeit der Deportationszüge. Richtig ist: Die Durchführung des Judenmords hing nicht zuletzt von der Bereitstellung der Transportmitteln durch die Reichsbahn ab. Die ließ sich aber trotz der angespannten Transportlage nicht lange bitten – am 20. Januar 1943 sogar von Heinrich Himmler persönlich („Helfen Sie mit und verschaffen Sie mir mehr Züge.“) – und ließ Räder rollen für die „Endlösung“.
Christian Gerlach schreibt der deutschen Gewalt gegen Juden einen „partizipatorischen Charakter“ zu, der sich aus der Struktur der Entscheidungsfindung in Fragen von Leben und Tod herleitet. Deutsche Täter konnten ihre individuellen Beiträge zur Verfolgung durch den Staatsapparat oder Parteiorganisationen „legitimieren“ – statt sie umgehen zu müssen. Sie fühlten sich ausgestattet mit politischer Macht und absoluter Handlungsfreiheit, insbesondere in Aktionsräumen außerhalb des Reichsgebiets. Ihre exekutive Autorität blieb nahezu unbehindert durch Gerichte, Presse und staatliche Aufsicht. Bei ihrem Streben nach dem, was sie als das Beste für das Reich ansahen, wandten sich deutsche Entscheidungsträger gegen Juden aus Motiven, die sich mit Bildern des „Minderwertigen“ oder „Gefährlichen“ verbanden.
Außerhalb des deutschen Reichsgrenzen, dort, wo der größte Teil des Judenmords stattfand, war die verbreitete aktive Unterstützung und das fast völlige Fehlen von Widerstand bemerkenswert. Gerlach gibt nur eine vorläufige und allgemeine Erklärung, dass nämlich etwa deutsche Soldaten in den besetzten Ländern, infiziert mit einem Populärrassismus, dazu neigten, sich nicht gegen die Ermordung von Juden zu stellen, weil ihnen dies im Kontext des Krieges logisch erschien. Dies weiter zu erklären, bleibt eine Aufgabe für die künftige Forschung.
Ludger Heid ist Neuzeithistoriker und lebt in Duisburg.
Bełżec, Sobibor und Treblinka –
für Stephan Lehnstaedt ist das
der „Kern des Holocaust“
Christian Gerlach möchte
die jüdischen Opfer „nicht
ständig ins Zentrum“ stellen
17 000 unbehauene Granitblöcke, die jüdische Grabsteine symbolisieren, bilden den Mittelpunkt der Gedenkstätte in Treblinka. Jeder Stein steht für eine jüdische Gemeinde, deren Mitglieder hier ermordet wurden.
Foto: JANEK SKARZYNSKI/AFP
Stephan Lehnstaedt:
Der Kern des Holocaust. Bełżec, Sobibór, Treblinka und die Aktion Reinhardt, Verlag C. H. Beck München 2017, 207 Seiten, 14,95 Euro.
Christian Gerlach:
Der Mord an den
europäischen Juden.
Ursachen, Ereignisse,
Dimensionen.
Verlag C. H. Beck
München 2017, 608 Seiten, 34,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.05.2017In der Exekutionsgemeinschaft
Christian Gerlach über Massengewalt im "Dritten Reich" und in besetzten Staaten
Leider riskieren Verfasser und Verlag es, den Leserkreis dieses außerordentlichen Buches durch einen zu eng gefassten Titel selbst einzuschränken. Denn in Christian Gerlachs Studie ist keineswegs allein von der Ermordung der Juden Europas, sondern in umfassender Weise von dem entfesselten deutschen Vernichtungswillen in allen seinen Ausformungen die Rede, der den alten Kontinent vor bald acht Jahrzehnten heimsuchte. Parteifunktionäre, Ärzte, Soldaten, Beamte und die sprichwörtlichen "ganz normalen Männer" (und Frauen) wurden plötzlich zu Richtern über das Lebensrecht ihrer Mitmenschen. Auch wenn Gerlach es nicht so formuliert: Hier war eine breitgefächerte Exekutionsgemeinschaft am Werke - mitnichten nur eine eindeutig absonderbare Spezies von "Tätern". Bis auf ganz wenige machten alle mit und die Gewalt sich zu eigen. Darauf konnte sich das NS-Regime bei seinem imperialistischen Ausgreifen verlassen.
Hanns Martin Schleyer, der später von der RAF ermordete Arbeitgeberpräsident und Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, beschrieb diese Mentalität treffend, wenn er als Besatzungsoffizier in Prag 1942 von der "uns in den Jahren der Kampfzeit anerzogenen Bereitschaft" sprach, "Aufgaben zu suchen und nicht auf sie zu warten". Nicht nur alle, die sich dieser gut funktionierenden Exekutivgemeinschaft in den Weg stellten, sondern auch Millionen, die gar nicht daran dachten, sich ihren Mördern zu widersetzen, wurden erschossen, dem Hungertod preisgegeben oder in die Gaskammern getrieben, weil sie unwillkommener Nationalität, Abkunft, Überzeugung, geistiger Leistungsfähigkeit oder körperlicher Gestalt waren.
Gerlachs Thema ist die Massengewalt extrem gewalttätig gewordener Gesellschaften, der deutschen, aber auch der Gesellschaften in den von der Wehrmacht besetzten oder mit dem "Dritten Reich" verbündeten Ländern. Zwölf bis vierzehn Millionen nicht an den Kampfhandlungen des Zweiten Weltkriegs beteiligte Bürger wurden damals getötet, darunter ungefähr sechs Millionen Juden, etwa drei Millionen nichtjüdische Polen und drei Millionen sowjetische Kriegsgefangene (um nur die größten Gruppen zu nennen). Über 95 Prozent der ermordeten Juden und Nichtjuden besaßen nicht die deutsche Staatsangehörigkeit.
Die unerhörte Sachkenntnis, die methodische Innovationskraft und die präzise Sprache des vielfach ausgewiesenen Wissenschaftlers öffnen die Tür zu einem neuen und sehr viel besseren Verständnis dafür, wie es in der ersten Hälfte der vierziger Jahre zu dieser weltgeschichtlichen Vernichtungsorgie kommen konnte. Gerlach gelingt das, weil er eindringlich vor Augen zu führen versteht, wie eng die einzelnen Stränge und Aktionen der von den Nationalsozialisten in Gang gesetzten Gewalt miteinander verknüpft waren, wie stark sich die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen innerhalb und außerhalb des Deutschen Reiches daran beteiligten, wie breit das Spektrum ihrer Beweggründe und ihres praktischen Interesses am Töten gewesen ist und wie stark es in den untersuchten 18 europäischen Ländern von all diesen unterschiedlichen Faktoren abhing, wer jeweils der Ausmerze verfiel und wer mit dem Leben davonkam.
Die Bandbreite der Betrachtung ist enorm. Immer unter dem Hauptgesichtspunkt einer Sozialgeschichtsschreibung der Massengewalt führt uns der Autor genauso in die Judengesetzgebung etwa Norwegens, Italiens, Ungarn, Bulgariens, Kroatiens und der Slowakei ein, wie er uns an anderer Stelle die völlig unterschiedliche Ausprägung deutscher Besatzungs- oder Bündnispolitik zwischen Nordkap und Sizilien, zwischen Atlantik und Schwarzem Meer auseinanderlegt. Einblicke in Regierungsentscheidungen in Vichy oder Bukarest wechseln mit schlagenden Beispielen und Einblicken in das Denken einzelner Akteure ab.
Weniger "staatszentriert" und weniger ideologieorientiert als andere Untersuchungen belegt Gerlach in seiner multinational angelegten Analyse überzeugend, dass Massengewalt weniger als Geschichte von Apparaten als vielmehr als "Geschichte sozialer Akteure" verstanden werden muss. Das nicht narrativ, sondern analytisch, nicht chronologisch, sondern sachlogisch angelegte und alle betroffenen Nationen in den Blick nehmende Werk behandelt in drei großen Teilen zunächst die "Verfolgung durch Deutsche", sodann die "Logiken der Verfolgung" und schließlich "Die europäische Dimension" dieser Mord-Epoche. Christian Gerlach gelangt dabei zu einer Fülle überraschender Einsichten, zum Beispiel der, dass es gerade die unüberbrückbaren Ungereimtheiten der nationalsozialistischen "Rassenlehre" (über die selbst im engsten Führungszirkel des "Dritten Reichs" keine Einigkeit bestand) gewesen sind, die der verbrecherischen Exekutivgemeinschaft ihren breiten Handlungsspielraum gaben: "Was das gewaltsame Handeln beeinflusste, war ein kruder Populärrassismus", ein in den deutschen Alltagsnationalismus und Alltagsrassismus eingebettetes volkstümliches Ressentiment.
Der Autor bagatellisiert die Kraft ideologischer Überzeugungen und eingefleischter Vorurteile nicht, er weist jedoch mit Nachdruck darauf hin, dass die enorme Varietät der Gewalt, ihre ganz uneinheitliche Umsetzung und deren abrupte Kurswechsel zumeist auf handfeste materielle, gesellschaftliche und politische Interessen zurückzuführen sind; Interessen verändern sich eben leichter und schneller als Einstellungen. Auf solche nationale, ja lokale Interessen war es wesentlich mit zurückzuführen, dass es so viel nichtdeutsche Unterstützung für das Morden in Europa gab. Im Zentrum der Untersuchung steht zwar der Mord an den europäischen Juden, sie macht aber zugleich deutlich, dass dieses Hauptprojekt nicht durchweg und nicht überall im Mittelpunkt der Massengewalt stand und dass sich der aus rassistisch-biologistischen Grundannahmen speisende Vernichtungsfuror keineswegs auf die "Judenfrage" beschränkte. In besetzten und befreundeten Ländern hatte der Judenmord keinen Vorrang vor allem anderen.
Geschichte wiederholt sich nicht. Das mag für ihren Verlauf gelten - auch für ihre Substanz? Stärker als es wohl noch vor wenigen Jahren der Fall gewesen wäre, macht es den Leser jedenfalls nachdenklich, wenn ihm wie in diesem großartigen Buch minutiös vor Augen gestellt wird, was geschieht, wenn sich ein ungehemmter Nationalismus breitmacht, wenn sich gesellschaftliche Solidarität lockert, wenn sich soziale Bindungen auflösen und diese durch Feindseligkeit ersetzt werden.
KLAUS-DIETMAR HENKE
Christian Gerlach: Der Mord an den europäischen Juden. Ursachen, Ereignisse, Dimensionen. C. H. Beck Verlag, München 2017. 576 S., 34,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Christian Gerlach über Massengewalt im "Dritten Reich" und in besetzten Staaten
Leider riskieren Verfasser und Verlag es, den Leserkreis dieses außerordentlichen Buches durch einen zu eng gefassten Titel selbst einzuschränken. Denn in Christian Gerlachs Studie ist keineswegs allein von der Ermordung der Juden Europas, sondern in umfassender Weise von dem entfesselten deutschen Vernichtungswillen in allen seinen Ausformungen die Rede, der den alten Kontinent vor bald acht Jahrzehnten heimsuchte. Parteifunktionäre, Ärzte, Soldaten, Beamte und die sprichwörtlichen "ganz normalen Männer" (und Frauen) wurden plötzlich zu Richtern über das Lebensrecht ihrer Mitmenschen. Auch wenn Gerlach es nicht so formuliert: Hier war eine breitgefächerte Exekutionsgemeinschaft am Werke - mitnichten nur eine eindeutig absonderbare Spezies von "Tätern". Bis auf ganz wenige machten alle mit und die Gewalt sich zu eigen. Darauf konnte sich das NS-Regime bei seinem imperialistischen Ausgreifen verlassen.
Hanns Martin Schleyer, der später von der RAF ermordete Arbeitgeberpräsident und Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, beschrieb diese Mentalität treffend, wenn er als Besatzungsoffizier in Prag 1942 von der "uns in den Jahren der Kampfzeit anerzogenen Bereitschaft" sprach, "Aufgaben zu suchen und nicht auf sie zu warten". Nicht nur alle, die sich dieser gut funktionierenden Exekutivgemeinschaft in den Weg stellten, sondern auch Millionen, die gar nicht daran dachten, sich ihren Mördern zu widersetzen, wurden erschossen, dem Hungertod preisgegeben oder in die Gaskammern getrieben, weil sie unwillkommener Nationalität, Abkunft, Überzeugung, geistiger Leistungsfähigkeit oder körperlicher Gestalt waren.
Gerlachs Thema ist die Massengewalt extrem gewalttätig gewordener Gesellschaften, der deutschen, aber auch der Gesellschaften in den von der Wehrmacht besetzten oder mit dem "Dritten Reich" verbündeten Ländern. Zwölf bis vierzehn Millionen nicht an den Kampfhandlungen des Zweiten Weltkriegs beteiligte Bürger wurden damals getötet, darunter ungefähr sechs Millionen Juden, etwa drei Millionen nichtjüdische Polen und drei Millionen sowjetische Kriegsgefangene (um nur die größten Gruppen zu nennen). Über 95 Prozent der ermordeten Juden und Nichtjuden besaßen nicht die deutsche Staatsangehörigkeit.
Die unerhörte Sachkenntnis, die methodische Innovationskraft und die präzise Sprache des vielfach ausgewiesenen Wissenschaftlers öffnen die Tür zu einem neuen und sehr viel besseren Verständnis dafür, wie es in der ersten Hälfte der vierziger Jahre zu dieser weltgeschichtlichen Vernichtungsorgie kommen konnte. Gerlach gelingt das, weil er eindringlich vor Augen zu führen versteht, wie eng die einzelnen Stränge und Aktionen der von den Nationalsozialisten in Gang gesetzten Gewalt miteinander verknüpft waren, wie stark sich die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen innerhalb und außerhalb des Deutschen Reiches daran beteiligten, wie breit das Spektrum ihrer Beweggründe und ihres praktischen Interesses am Töten gewesen ist und wie stark es in den untersuchten 18 europäischen Ländern von all diesen unterschiedlichen Faktoren abhing, wer jeweils der Ausmerze verfiel und wer mit dem Leben davonkam.
Die Bandbreite der Betrachtung ist enorm. Immer unter dem Hauptgesichtspunkt einer Sozialgeschichtsschreibung der Massengewalt führt uns der Autor genauso in die Judengesetzgebung etwa Norwegens, Italiens, Ungarn, Bulgariens, Kroatiens und der Slowakei ein, wie er uns an anderer Stelle die völlig unterschiedliche Ausprägung deutscher Besatzungs- oder Bündnispolitik zwischen Nordkap und Sizilien, zwischen Atlantik und Schwarzem Meer auseinanderlegt. Einblicke in Regierungsentscheidungen in Vichy oder Bukarest wechseln mit schlagenden Beispielen und Einblicken in das Denken einzelner Akteure ab.
Weniger "staatszentriert" und weniger ideologieorientiert als andere Untersuchungen belegt Gerlach in seiner multinational angelegten Analyse überzeugend, dass Massengewalt weniger als Geschichte von Apparaten als vielmehr als "Geschichte sozialer Akteure" verstanden werden muss. Das nicht narrativ, sondern analytisch, nicht chronologisch, sondern sachlogisch angelegte und alle betroffenen Nationen in den Blick nehmende Werk behandelt in drei großen Teilen zunächst die "Verfolgung durch Deutsche", sodann die "Logiken der Verfolgung" und schließlich "Die europäische Dimension" dieser Mord-Epoche. Christian Gerlach gelangt dabei zu einer Fülle überraschender Einsichten, zum Beispiel der, dass es gerade die unüberbrückbaren Ungereimtheiten der nationalsozialistischen "Rassenlehre" (über die selbst im engsten Führungszirkel des "Dritten Reichs" keine Einigkeit bestand) gewesen sind, die der verbrecherischen Exekutivgemeinschaft ihren breiten Handlungsspielraum gaben: "Was das gewaltsame Handeln beeinflusste, war ein kruder Populärrassismus", ein in den deutschen Alltagsnationalismus und Alltagsrassismus eingebettetes volkstümliches Ressentiment.
Der Autor bagatellisiert die Kraft ideologischer Überzeugungen und eingefleischter Vorurteile nicht, er weist jedoch mit Nachdruck darauf hin, dass die enorme Varietät der Gewalt, ihre ganz uneinheitliche Umsetzung und deren abrupte Kurswechsel zumeist auf handfeste materielle, gesellschaftliche und politische Interessen zurückzuführen sind; Interessen verändern sich eben leichter und schneller als Einstellungen. Auf solche nationale, ja lokale Interessen war es wesentlich mit zurückzuführen, dass es so viel nichtdeutsche Unterstützung für das Morden in Europa gab. Im Zentrum der Untersuchung steht zwar der Mord an den europäischen Juden, sie macht aber zugleich deutlich, dass dieses Hauptprojekt nicht durchweg und nicht überall im Mittelpunkt der Massengewalt stand und dass sich der aus rassistisch-biologistischen Grundannahmen speisende Vernichtungsfuror keineswegs auf die "Judenfrage" beschränkte. In besetzten und befreundeten Ländern hatte der Judenmord keinen Vorrang vor allem anderen.
Geschichte wiederholt sich nicht. Das mag für ihren Verlauf gelten - auch für ihre Substanz? Stärker als es wohl noch vor wenigen Jahren der Fall gewesen wäre, macht es den Leser jedenfalls nachdenklich, wenn ihm wie in diesem großartigen Buch minutiös vor Augen gestellt wird, was geschieht, wenn sich ein ungehemmter Nationalismus breitmacht, wenn sich gesellschaftliche Solidarität lockert, wenn sich soziale Bindungen auflösen und diese durch Feindseligkeit ersetzt werden.
KLAUS-DIETMAR HENKE
Christian Gerlach: Der Mord an den europäischen Juden. Ursachen, Ereignisse, Dimensionen. C. H. Beck Verlag, München 2017. 576 S., 34,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Geschichtsschreibung im besten Sinne."
Tagesspiegel, 13. September 2017
"Eine Untersuchung, die sich wie eine Zäsur für das großflächige Forschungsfeld lesen lässt. [...] Ausgezeichnete Studie."
Matthias Arning, Frankfurter Rundschau, 15. August 2017
"Überzeugend."
Christoph Jahr, Neue Zürcher Zeitung, 22. Juni 2017
"Ohne Zweifel ein Standardwerk."
Sibylle Steinbacher, Die ZEIT, 14. Juni 2017
"Gerlachs Buch hat es verdient, ein Standardwerk zu werden."
Konstantin Sakkas, Deutschlandfunk Kultur Lesart, 20. Mai 2017
"Bietet einen kompakten Überblick über die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden."
Neues Deutschland, 24. März 2017
Tagesspiegel, 13. September 2017
"Eine Untersuchung, die sich wie eine Zäsur für das großflächige Forschungsfeld lesen lässt. [...] Ausgezeichnete Studie."
Matthias Arning, Frankfurter Rundschau, 15. August 2017
"Überzeugend."
Christoph Jahr, Neue Zürcher Zeitung, 22. Juni 2017
"Ohne Zweifel ein Standardwerk."
Sibylle Steinbacher, Die ZEIT, 14. Juni 2017
"Gerlachs Buch hat es verdient, ein Standardwerk zu werden."
Konstantin Sakkas, Deutschlandfunk Kultur Lesart, 20. Mai 2017
"Bietet einen kompakten Überblick über die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden."
Neues Deutschland, 24. März 2017