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"Nadia Terranova schreibt mit ungeheurer Prägnanz und Sensibilität." Annie Ernaux Als Ida den Anruf erhält, sie soll nach Hause kommen, lebt sie schon seit über zwanzig Jahren nicht mehr in ihrer Heimatstadt Messina. Sie muss ihrer Mutter helfen, die Wohnung ihrer Kindheit aufzulösen - der Ort, den ihr Vater eines Morgens verließ, um nie mehr wiederzukehren. Da war Ida dreizehn, der Vater depressiv, die Mutter hilflos. Im Schweigen und gequält von Erinnerungen wächst Ida auf und verlässt Sizilien, so schnell sie kann. Nun folgt sie dem Ruf der Mutter und kehrt zurück in die Stadt zwischen zwei…mehr

Produktbeschreibung
"Nadia Terranova schreibt mit ungeheurer Prägnanz und Sensibilität." Annie Ernaux Als Ida den Anruf erhält, sie soll nach Hause kommen, lebt sie schon seit über zwanzig Jahren nicht mehr in ihrer Heimatstadt Messina. Sie muss ihrer Mutter helfen, die Wohnung ihrer Kindheit aufzulösen - der Ort, den ihr Vater eines Morgens verließ, um nie mehr wiederzukehren. Da war Ida dreizehn, der Vater depressiv, die Mutter hilflos. Im Schweigen und gequält von Erinnerungen wächst Ida auf und verlässt Sizilien, so schnell sie kann. Nun folgt sie dem Ruf der Mutter und kehrt zurück in die Stadt zwischen zwei Meeren und in eine Vergangenheit, die sie immer noch nicht loslässt ... "Ein Meisterwerk - Nadia Terranova beschreibt eine universell weibliche Erfahrung." L'Espresso »Intensiv und wunderschön - voller Nostalgie.« DONNA
Autorenporträt
Nadia Terranova, 1978 in Messina geboren, lebt in Rom. Ihr Romandebüt wurde mit verschiedenen Preisen ausge¬zeichnet. Sie ist Autorin mehrerer Kinder- und Jugendbücher und schreibt als Journalistin unter anderem für La Repubblica. "Der Morgen, an dem mein Vater aufstand und verschwand" wurde in sieben Sprachen übersetzt und war für den Premio Strega, den wichtigsten italienischen Literaturpreis nominiert. Esther Hansen, diplomierte Übersetzerin, übertrug unter anderen Daria Bignardi, Nino Filastò, Marcello Fois, Francesca Melandri, Goliarda Sapienza, Susanna Tamaro und Carmine Abate ins Deutsche. 2008 wurde sie mit dem Förderpreis des Deutsch-Italienischen Übersetzerpreises ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Christiane Pöhlmann entgeht nicht die Hoffnung in all dem geschilderten Schmerz in Nadia Terranovas Romandebüt um eine Familie im Sog der Depression. Starke Szenen voller Schweigen und aufgesetzter Fröhlichkeit, Albträume und gestörter Körperlichkeit erlebt Pöhlmann beim Lesen. Wie die Autorin gekonnt Leerstellen setzt, die die Erzählerin und ihren übertünchten Schmerz entlarven, scheint Pöhlmann lesenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.2020

Schuld und Sünde
Nadia Terranovas Roman "Der Morgen, an dem mein Vater aufstand und verschwand"

Depri. Steht mittlerweile sogar im Duden und verleiht jeder eigenen Miesepetrigkeit einen Hauch von Seriosität und jedem fremden Schmerz die Nonchalance der Weltläufigkeit. Depri, das ist, wenn der Montagsblues sich zum Dienstagssound hochjazzt. Mittwochs, spätestens donnerstags wird in die Hände gespuckt und sich zusammengerissen, damit der Freitagabend bis Montagmorgen dauert.

Was eine echte Depression ist, das weiß Ida, die Ich-Erzählerin in Nadia Terranovas Romandebüt, genau: Vor 23 Jahren hat ihr Vater deswegen sein Zusammenleben mit der Familie beendet, entweder durch Suizid oder durch Fortgang, das bleibt offen. Damals war Ida dreizehn und hatte ein Jahr Pflege des Kranken hinter sich. Mindestens. Mit dreizehn. "Mit dir isst er gerne", behauptete ihre Mutter, die tagsüber im Museum arbeitet, "nur mit dir isst er überhaupt etwas", und so setzte Ida das Nudelwasser auf, während ihr Vater apathisch im Bett lag, die Ohren unter Kopfhörern, aus denen kein Ton dringt. Die Portion ihres Vaters vertilgte sie, damit zwei benutzte Teller in der Spüle landeten und die Mutter sich in der Illusion wiegen konnte, es gäbe Hoffnung.

Die Rückblenden gehören zu den stärksten Szenen im Roman der 1978 geborenen Terranova. Das Schweigen von Mutter und Tochter prägt die damalige Situation ebenso wie der unbedingte Wille, am längst überholten Status quo festzuhalten. Mit aufgesetzter Fröhlichkeit tun sie so, "als würde er wieder gesund werden, aus lauter Furcht, die Depression könnte wie ein ansteckender Virus aus seinem Blick treten und auf uns überspringen. Wenn es eine Seuche war, war mein Vater der Überträger und wir ihm schutzlos ausgeliefert."

Natürlich stecken sich beide an, zerfleischen sich nach dem Tod des Vaters gegenseitig, bis Ida irgendwann nach Rom umzieht. Mutter und Tochter werfen kein einziges Stück aus dem Haushalt weg, angeblich nicht, "um der Vergangenheit zu gedenken, sondern um die Zukunft gnädig zu stimmen: Was einmal genutzt worden war, konnte erneut brauchbar werden." Ida leidet unter Albträumen, gibt sich sexuell offen, nimmt den eigenen Körper aber buchstäblich als Fremdkörper wahr, steckt in einer seltsamen, beschützerisch-lieblosen Ehe und tarnt ihren Schmerz mit guten Manieren und Umgänglichkeit.

Sobald Ida ihre gleichsam gesprächstherapeutischen Wortfluten ausstößt, schafft Terranova in dem Schwall genügend kluge Leerstellen, um die "unglaubwürdige Erzählerin" zu enttarnen. Die verzweifelt einerseits an ihrem Versagen, denn sie "war schuld am Verschwinden", mit ihr "hatte er nicht mehr leben wollen". Gleichzeitig soll dieses "Schuldeingeständnis" andere zu Absolution und Entlastung veranlassen: Nein, du warst nicht schuld, denn ja, du hast ein schweres Schicksal, weil mit dreizehn, weil mindestens ein Jahr. Mit dem mehr als 23 Jahre konservierten Schmerz erpresst Ida ihre Umwelt, ob bewusst oder unbewusst, lässt sich anhand ihrer Reflexionen nicht entscheiden.

Anders stellen sich die Auseinandersetzungen mit der Mutter und der Jugendfreundin dar. "Jahrelang habe ich deine Diktatur ertragen", sagt die Freundin Sara bei einem Wiedersehen. "Du bist die größte Egoistin, die ich kenne", behauptet die Mutter. Immerhin hat Terranova ihre Figur bis dahin so gut aufgebaut, dass der komplexe Gesamteindruck nicht zerstört wird. Ida ist intelligent und sensibel, aber auch selbstbezogen und nicht unbedingt sympathisch.

Das ändert sich am Ende. Einer der wesentlichen Aspekte in Idas Geschichte ist das Fehlen einer Leiche und eines Grabes ihres Vaters. Für sie bedeutet das: Sein Sarg ist "überall". Da sie vermutet, er sei ins Wasser gegangen, wird jeder Regentropfen für sie zur mahnenden Erinnerung. Im letzten Kapitel, "Abschied" betitelt, als sie von Messina nach Rom zurückkehrt, nimmt sie auf der Fähre in der Meerenge eine symbolische Seebestattung vor, mit im Geheimen gehüteten Erinnerungsstücken an ihren Vater. Der Originaltitel des Romans, "Addio Fantasmi", lässt sich auch auf diesen "Schlussstrich" beziehen, der deutsche manifestiert den Schmerz. Das ist schade, denn in dieser letzten Szene deutet sich glaubhaft die Hoffnung an, dass Ida ihren Kokonpanzer ablegen kann.

CHRISTIANE PÖHLMANN

Nadia Terranova: "Der Morgen, an dem mein Vater aufstand und verschwand". Roman.

Aus dem Italienischen von Esther Hansen. Aufbau Verlag, Berlin 2020. 256 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Beeindruckende, mitunter zu Tränen rührende Literatur aus einem Süditalien jenseits von Lido- und Mafia-Klischees.« Dirk van Versendaal STERN 20200709