Welchen Weg nimmt eine unmögliche Liebe, wenn Familie und islamische Tradition noch das Sagen haben? Die Geschichte einer jugendlichen Leidenschaft wussten wir, dass es so fesselnd sein kann, ihr bis ins Alter zu folgen?Teheran Anfang der dreißiger Jahre. Nachdem die selbstbewusste Mahbube mit ihren fünfzehn Jahren den Sohn einer Prinzessin abgelehnt hat, weist sie auch ihren Cousin zurück, der in sie verliebt ist. Warum? Das Mädchen hat sich in einen jungen Schreiner verguckt, und sie besteht auf ihrer Wahl. Wider Willen ringt der Vater sich dazu durch, ihr nachzugeben. Die Tochter erhält zur Hochzeit ein Häuschen und monatlich Kostgeld, aber das Elternhaus darf sie nicht mehr betreten. Die persische Autorin zeigt, dass Mahbubes Leidenschaft den Bedingungen dieser Ehe nicht gewachsen ist. Die junge Frau findet sich mit Ärmlichkeit und verletzenden Umgangsformen nicht ab. Nachdem ihr Sohn im Alter von fünf Jahren ertrunken ist, hält sie nichts mehr. Als verlorene Tochter kehrt
sie zurück um die Nebenfrau ausgerechnet des abgewiesenen Cousins zu werden. Jetzt, als "Geliebte der Nacht", lernt sie ihn lieben, aber sie hat ihn nicht für sich allein, und Kinder kann sie nach einer Abtreibung nicht mehr bekommen. Alles, was sie erreicht, ist ein Glück, das schmerzt. Alt geworden, erzählt sie im Teheran der Gegenwart ihrer Nichte, die sich ebenfalls in den Kopf gesetzt hat, "unpassend" zu heiraten, ihr Leben: "Der nächtliche Wein ist nicht den Morgen der Trunkenheit wert."
sie zurück um die Nebenfrau ausgerechnet des abgewiesenen Cousins zu werden. Jetzt, als "Geliebte der Nacht", lernt sie ihn lieben, aber sie hat ihn nicht für sich allein, und Kinder kann sie nach einer Abtreibung nicht mehr bekommen. Alles, was sie erreicht, ist ein Glück, das schmerzt. Alt geworden, erzählt sie im Teheran der Gegenwart ihrer Nichte, die sich ebenfalls in den Kopf gesetzt hat, "unpassend" zu heiraten, ihr Leben: "Der nächtliche Wein ist nicht den Morgen der Trunkenheit wert."
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.01.2001Mahbube war kein
braves Mädchen
Ein Unterhaltungsroman aus Iran
Kaum ein iranischer Schriftsteller, der in den letzten Jahren ins Deutsche übersetzt worden ist, hat in seinem Land nicht mit der Zensur zu kämpfen und staatliche Repressionen zu erleiden gehabt. Anders die Autorin Fattaneh Haj Seyed Javadi. Ihr Roman ist leicht, unverfänglich und dennoch lesenswert. Zudem ist er auch noch gut übersetzt worden; eine rühmliche Ausnahme, denn Übersetzer, die zwar der persischen, nicht aber der deutschen Sprache mächtig sind, haben das deutsche Publikum in den letzten Jahren eher vergrault, als dass sie ihm die iranische Gegenwarts literatur nahe gebracht hätten.
Der Morgen der Trunkenheit erzählt vom Leben eines jungen Mädchens aus gutem Hause, das gegen den Willen des Vaters einen Schreiner heiratet. Zuerst schwebt das ungleiche Paar im siebten Himmel, dann wird es vom Alltag eingeholt. Mahbube kann sich nicht mit dem rauen Umgangston und den barschen Sitten abfinden, die Schwiegermutter ist böse, der Ehemann ein Lüstling, und schließlich stellt Mahbube auch noch fest, dass sie nur wegen ihres Geldes geheiratet worden ist. Jahre später kehrt sie reumütig in ihr Elternhaus zurück, um ihren Cousin, den Mann, den ihr Vater einst für sie vorgesehen hatte, zu heiraten. Sie wird aber nur seine Zweitfrau, denn der vormals Abgewiesene hat inzwischen eine andere Frau genommen.
In der Erzählgegenwart ist Mahbube die alte Tante, die im Haus ihres Bruders leben muss. Nachkommen, die sich um sie sorgen, hat sie nicht. Und auch daran trägt der Schreiner die Schuld. Eine harte Strafe für das Mädchen, das nicht hören wollte. Das ist, auch für Iran, eine etwas biedere Moral. Doch die Geschichte ist spannend erzählt. Man gewinnt einen guten Einblick in das Persien der zwanziger, dreißiger Jahre – vor allem in die Umgangsformen zweier unterschiedlicher Klassen.
KATAJUN AMIRPUR
FATTANEH HAJ SEYED JAVADI: Der Morgen der Trunkenheit. Roman. Aus dem Persischen von Susanne Baghestani. Insel Verlag, Frankfurt/M. 2000, 414 Seiten, 49,80 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
braves Mädchen
Ein Unterhaltungsroman aus Iran
Kaum ein iranischer Schriftsteller, der in den letzten Jahren ins Deutsche übersetzt worden ist, hat in seinem Land nicht mit der Zensur zu kämpfen und staatliche Repressionen zu erleiden gehabt. Anders die Autorin Fattaneh Haj Seyed Javadi. Ihr Roman ist leicht, unverfänglich und dennoch lesenswert. Zudem ist er auch noch gut übersetzt worden; eine rühmliche Ausnahme, denn Übersetzer, die zwar der persischen, nicht aber der deutschen Sprache mächtig sind, haben das deutsche Publikum in den letzten Jahren eher vergrault, als dass sie ihm die iranische Gegenwarts literatur nahe gebracht hätten.
Der Morgen der Trunkenheit erzählt vom Leben eines jungen Mädchens aus gutem Hause, das gegen den Willen des Vaters einen Schreiner heiratet. Zuerst schwebt das ungleiche Paar im siebten Himmel, dann wird es vom Alltag eingeholt. Mahbube kann sich nicht mit dem rauen Umgangston und den barschen Sitten abfinden, die Schwiegermutter ist böse, der Ehemann ein Lüstling, und schließlich stellt Mahbube auch noch fest, dass sie nur wegen ihres Geldes geheiratet worden ist. Jahre später kehrt sie reumütig in ihr Elternhaus zurück, um ihren Cousin, den Mann, den ihr Vater einst für sie vorgesehen hatte, zu heiraten. Sie wird aber nur seine Zweitfrau, denn der vormals Abgewiesene hat inzwischen eine andere Frau genommen.
In der Erzählgegenwart ist Mahbube die alte Tante, die im Haus ihres Bruders leben muss. Nachkommen, die sich um sie sorgen, hat sie nicht. Und auch daran trägt der Schreiner die Schuld. Eine harte Strafe für das Mädchen, das nicht hören wollte. Das ist, auch für Iran, eine etwas biedere Moral. Doch die Geschichte ist spannend erzählt. Man gewinnt einen guten Einblick in das Persien der zwanziger, dreißiger Jahre – vor allem in die Umgangsformen zweier unterschiedlicher Klassen.
KATAJUN AMIRPUR
FATTANEH HAJ SEYED JAVADI: Der Morgen der Trunkenheit. Roman. Aus dem Persischen von Susanne Baghestani. Insel Verlag, Frankfurt/M. 2000, 414 Seiten, 49,80 Mark.
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