"Ehen zwischen Cousins und Cousinen werden im Himmel geschlossen", heißt es in Persien. Teheran Anfang der dreißiger Jahre. Nachdem die selbstbewußte Mahbube mit ihren fünfzehn Jahren den Sohn einer Prinzessin abgelehnt hat, weist sie auch ihren Cousin zurück, der in sie verliebt ist. Warum? Das Mädchen hat sich in einen jungen Schreiner verguckt, und sie besteht auf ihrer Wahl.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.01.2001Mahbube war kein
braves Mädchen
Ein Unterhaltungsroman aus Iran
Kaum ein iranischer Schriftsteller, der in den letzten Jahren ins Deutsche übersetzt worden ist, hat in seinem Land nicht mit der Zensur zu kämpfen und staatliche Repressionen zu erleiden gehabt. Anders die Autorin Fattaneh Haj Seyed Javadi. Ihr Roman ist leicht, unverfänglich und dennoch lesenswert. Zudem ist er auch noch gut übersetzt worden; eine rühmliche Ausnahme, denn Übersetzer, die zwar der persischen, nicht aber der deutschen Sprache mächtig sind, haben das deutsche Publikum in den letzten Jahren eher vergrault, als dass sie ihm die iranische Gegenwarts literatur nahe gebracht hätten.
Der Morgen der Trunkenheit erzählt vom Leben eines jungen Mädchens aus gutem Hause, das gegen den Willen des Vaters einen Schreiner heiratet. Zuerst schwebt das ungleiche Paar im siebten Himmel, dann wird es vom Alltag eingeholt. Mahbube kann sich nicht mit dem rauen Umgangston und den barschen Sitten abfinden, die Schwiegermutter ist böse, der Ehemann ein Lüstling, und schließlich stellt Mahbube auch noch fest, dass sie nur wegen ihres Geldes geheiratet worden ist. Jahre später kehrt sie reumütig in ihr Elternhaus zurück, um ihren Cousin, den Mann, den ihr Vater einst für sie vorgesehen hatte, zu heiraten. Sie wird aber nur seine Zweitfrau, denn der vormals Abgewiesene hat inzwischen eine andere Frau genommen.
In der Erzählgegenwart ist Mahbube die alte Tante, die im Haus ihres Bruders leben muss. Nachkommen, die sich um sie sorgen, hat sie nicht. Und auch daran trägt der Schreiner die Schuld. Eine harte Strafe für das Mädchen, das nicht hören wollte. Das ist, auch für Iran, eine etwas biedere Moral. Doch die Geschichte ist spannend erzählt. Man gewinnt einen guten Einblick in das Persien der zwanziger, dreißiger Jahre – vor allem in die Umgangsformen zweier unterschiedlicher Klassen.
KATAJUN AMIRPUR
FATTANEH HAJ SEYED JAVADI: Der Morgen der Trunkenheit. Roman. Aus dem Persischen von Susanne Baghestani. Insel Verlag, Frankfurt/M. 2000, 414 Seiten, 49,80 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
braves Mädchen
Ein Unterhaltungsroman aus Iran
Kaum ein iranischer Schriftsteller, der in den letzten Jahren ins Deutsche übersetzt worden ist, hat in seinem Land nicht mit der Zensur zu kämpfen und staatliche Repressionen zu erleiden gehabt. Anders die Autorin Fattaneh Haj Seyed Javadi. Ihr Roman ist leicht, unverfänglich und dennoch lesenswert. Zudem ist er auch noch gut übersetzt worden; eine rühmliche Ausnahme, denn Übersetzer, die zwar der persischen, nicht aber der deutschen Sprache mächtig sind, haben das deutsche Publikum in den letzten Jahren eher vergrault, als dass sie ihm die iranische Gegenwarts literatur nahe gebracht hätten.
Der Morgen der Trunkenheit erzählt vom Leben eines jungen Mädchens aus gutem Hause, das gegen den Willen des Vaters einen Schreiner heiratet. Zuerst schwebt das ungleiche Paar im siebten Himmel, dann wird es vom Alltag eingeholt. Mahbube kann sich nicht mit dem rauen Umgangston und den barschen Sitten abfinden, die Schwiegermutter ist böse, der Ehemann ein Lüstling, und schließlich stellt Mahbube auch noch fest, dass sie nur wegen ihres Geldes geheiratet worden ist. Jahre später kehrt sie reumütig in ihr Elternhaus zurück, um ihren Cousin, den Mann, den ihr Vater einst für sie vorgesehen hatte, zu heiraten. Sie wird aber nur seine Zweitfrau, denn der vormals Abgewiesene hat inzwischen eine andere Frau genommen.
In der Erzählgegenwart ist Mahbube die alte Tante, die im Haus ihres Bruders leben muss. Nachkommen, die sich um sie sorgen, hat sie nicht. Und auch daran trägt der Schreiner die Schuld. Eine harte Strafe für das Mädchen, das nicht hören wollte. Das ist, auch für Iran, eine etwas biedere Moral. Doch die Geschichte ist spannend erzählt. Man gewinnt einen guten Einblick in das Persien der zwanziger, dreißiger Jahre – vor allem in die Umgangsformen zweier unterschiedlicher Klassen.
KATAJUN AMIRPUR
FATTANEH HAJ SEYED JAVADI: Der Morgen der Trunkenheit. Roman. Aus dem Persischen von Susanne Baghestani. Insel Verlag, Frankfurt/M. 2000, 414 Seiten, 49,80 Mark.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2000Im Rausch der Rebellion
Fattaneh Haj Seyed Javadis "Der Morgen der Trunkenheit"
Wie behandelt eine Autorin in der Islamischen Republik Iran das Thema Liebe, wenn sie keinen Anstoß erregen und trotzdem die Gemüter bewegen will? Kein Buch zeigt dies besser als der nun in deutscher Übersetzung vorliegende persische Bestsellerroman "Der Morgen der Trunkenheit" (1995) von Fattaneh Haj Seyed Javadi, einer der bestverkauften und umstrittensten Romane Irans der vergangenen Jahre. Außergewöhnlich an diesem Streit ist das Meinungsspektrum: Einerseits versucht man, das Buch als bedeutungslosen Trivialroman abzutun, andererseits wird seine Autorin mit den großen Romanciers Europas verglichen oder in die Tradition orientalischen Erzählens gestellt.
Die Diskussion beleuchtet gegenwärtige literarische Entwicklungen und reflektiert die von den meisten iranischen Literaten vertretene Einstellung, nach der man sich als Intellektueller scheut, zuzugeben, man werde von einem gut erzählten Roman berührt, der "moderne" Klischees meidet. Ferner bringt sie das bis heute - die persische Prosaliteratur bestimmende - Selbstverständnis des Schriftstellers als Mentor des Volkes zum Ausdruck. Vor diesem Hintergrund scheint es, als habe Haj Seyed Javadi ihren Roman bewußt gegen die Intellektuellen geschrieben, indem sie sich über bestimmte Regeln hinweggesetzt hat. Sie schreibt in einer einfachen und gefühlvollen Sprache und zeichnet ein volksnahes farbenreiches Bild der iranischen Gesellschaft. Statt in ihrem Roman das einfache Volk zu verteidigen, unterwirft sie die Handlung der Perspektive einer Aristokratentochter.
Im Teheran der dreißiger Jahre verliebt sich die fünfzehnjährige Aristokratentochter Mahbube unsterblich in den Tischlergesellen Rahim. Sie trotzt damit dem Willen ihrer Eltern, die für sie eine standesgemäße Heirat vorsehen, und lehnt den Sohn einer Prinzenfamilie ebenso ab wie ihren Cousin Mansur, der in sie verliebt ist. Obwohl ihre Eltern dagegen sind, stimmen sie schließlich der Heirat mit dem Tischlergesellen zu. Bereits nach kurzer Zeit muß Mahbube erkennen, daß ihre leidenschaftliche Liebe nicht den Anforderungen des Ehealltags in dem ärmlichen Kleinbürgermilieu standhalten kann. Die Auseinandersetzungen mit ihrem Ehemann und mit der im Haus lebenden Schwiegermutter eskalieren, als Rahim seine Cousine zur Zweitfrau nimmt. Nur ihr Sohn Almas hält sie noch bei ihm. Sie wird ein weiteres Mal schwanger, doch das gewaltsame, einer Vergewaltigung gleichkommende Verhalten Rahims läßt sie den Entschluß zur heimlichen Abtreibung des Kindes fassen. Nach dem Tod ihres inzwischen fünfjährigen Sohnes flieht sie, kehrt zu ihren Eltern zurück und wird schließlich Nebenfrau ihres Cousins Mansur. Fast vierzig Jahre später erzählt Mahbube im heutigen Teheran ihrer Nichte, die sich ebenfalls in den Kopf gesetzt hat, einen Mann mit einem anderen kulturellen Hintergrund zu heiraten, ihre Geschichte und warnt sie mit dem titelgebenden Vers "Der nächtliche Wein lohnt nicht den Morgen nach dem Rausch" vor einer unüberlegten Entscheidung.
Liebesgeschichten haben in der persischen Literatur eine lange Tradition. Haj Seyed Javadi experimentiert mit den Liebesvorstellungen der klassischen Dichtung, wie sie aus dem populären romantischen Epos "Layla und Madschnun" von Nizami oder den Gedichten von Hafis jedem Iraner bekannt sind. Charakteristisch für die darin besungene Liebe ist die Vorstellung von der unerfüllbaren Liebe, die genußreich und schmerzhaft zugleich ist. Mahbube rebelliert gegen die Generation ihrer Eltern, die sich dem ästhetischen Genuß dieser Dichtung zwar hingeben, sich in der Realität jedoch arrangierten Heiraten beugen. Mahbube will sich damit nicht zufriedengeben. Die Frage lautet: Kann eine wahnsinnige Leidenschaft überhaupt zu einer glücklichen Ehe führen? Durch eine raffiniert angelegte motivische Struktur erhält der Leser Einblick in Mahbubes Gefühlswelt. Die Liebesszenen gehören zu den spannungsreichsten Passagen des Romans, in denen die fünfzehnjährige Mahbube, überwältigt von Rahims erotischer Ausstrahlung, mit für sie bisher unbekannten Stimmungen konfrontiert wird und die sie sogar gesellschaftliche und moralische Grenzen übertreten lassen.
Daß Mahbube am Schluß zurückkehrt und an der Seite des Mannes lebt, den sie ursprünglich nicht wollte, hat der Autorin den Vorwurf eingebracht, sich gegen die Selbstbestimmung der iranischen Frau auszusprechen. Doch die zentrale Botschaft des Romans lautet keineswegs, wie einige iranische Kritiker meinten, daß Rebellion gegen gesellschaftliche Normen und Normen wie die Vernunftehe letztlich doch immer zu Reue und Einsicht führen müsse. Denn Mahbube bleibt bis zum Schluß eine empfindsame Frau, die selbstbewußt und rebellisch ist.
Der Erfolg des Romans bei Lesern jeden Alters und Geschlechts ist auch darauf zurückzuführen, daß Mahbubes Liebesgeschichte nicht jenseits von Zeit und Raum spielt, sondern in einen konkreten historischen und kulturellen Kontext eingebettet ist. Die Schilderung des gesellschaftlichen Lebens zu Beginn der Herrschaft von Reza Schah, insbesondere im aristokratischen Milieu, und die Beschreibung traditioneller Bräuche und Riten, wie sie heute noch den Alltag vieler Iraner bestimmen, zählen zu den Stärken des Romans.
Die Komposition von orientalischer Erzähltradition - Rahmenerzählung à la Scheherazade -, iranischen literarischen Stoffen und Motiven und modernen Erzähltechniken machen aus "Morgen der Trunkenheit" ein ungewöhnlich spannendes Buch, das sich vor allem durch seine erfrischend einfache Sprache und klare Struktur gegen den in der zeitgenössischen Prosaliteratur Irans federführenden symbolistischen Modernismus in der Tradition Sadeq Hedayats abhebt. "Der Morgen der Trunkenheit" könnte eine neue Stufe in der Entwicklung des persischen Romans darstellen. Der Erfolg des Buches spricht dafür, daß sich die iranische Leserschaft nach einer Trendwende innerhalb der zeitgenössischen Prosaliteratur ihres Landes sehnt.
SANDRA GHANDTCHI
Fattaneh Haj Seyed Javadi: "Der Morgen der Trunkenheit". Roman. Aus dem Persischen übersetzt von Susanne Baghestani. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2000. 416 S., geb., 49,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Fattaneh Haj Seyed Javadis "Der Morgen der Trunkenheit"
Wie behandelt eine Autorin in der Islamischen Republik Iran das Thema Liebe, wenn sie keinen Anstoß erregen und trotzdem die Gemüter bewegen will? Kein Buch zeigt dies besser als der nun in deutscher Übersetzung vorliegende persische Bestsellerroman "Der Morgen der Trunkenheit" (1995) von Fattaneh Haj Seyed Javadi, einer der bestverkauften und umstrittensten Romane Irans der vergangenen Jahre. Außergewöhnlich an diesem Streit ist das Meinungsspektrum: Einerseits versucht man, das Buch als bedeutungslosen Trivialroman abzutun, andererseits wird seine Autorin mit den großen Romanciers Europas verglichen oder in die Tradition orientalischen Erzählens gestellt.
Die Diskussion beleuchtet gegenwärtige literarische Entwicklungen und reflektiert die von den meisten iranischen Literaten vertretene Einstellung, nach der man sich als Intellektueller scheut, zuzugeben, man werde von einem gut erzählten Roman berührt, der "moderne" Klischees meidet. Ferner bringt sie das bis heute - die persische Prosaliteratur bestimmende - Selbstverständnis des Schriftstellers als Mentor des Volkes zum Ausdruck. Vor diesem Hintergrund scheint es, als habe Haj Seyed Javadi ihren Roman bewußt gegen die Intellektuellen geschrieben, indem sie sich über bestimmte Regeln hinweggesetzt hat. Sie schreibt in einer einfachen und gefühlvollen Sprache und zeichnet ein volksnahes farbenreiches Bild der iranischen Gesellschaft. Statt in ihrem Roman das einfache Volk zu verteidigen, unterwirft sie die Handlung der Perspektive einer Aristokratentochter.
Im Teheran der dreißiger Jahre verliebt sich die fünfzehnjährige Aristokratentochter Mahbube unsterblich in den Tischlergesellen Rahim. Sie trotzt damit dem Willen ihrer Eltern, die für sie eine standesgemäße Heirat vorsehen, und lehnt den Sohn einer Prinzenfamilie ebenso ab wie ihren Cousin Mansur, der in sie verliebt ist. Obwohl ihre Eltern dagegen sind, stimmen sie schließlich der Heirat mit dem Tischlergesellen zu. Bereits nach kurzer Zeit muß Mahbube erkennen, daß ihre leidenschaftliche Liebe nicht den Anforderungen des Ehealltags in dem ärmlichen Kleinbürgermilieu standhalten kann. Die Auseinandersetzungen mit ihrem Ehemann und mit der im Haus lebenden Schwiegermutter eskalieren, als Rahim seine Cousine zur Zweitfrau nimmt. Nur ihr Sohn Almas hält sie noch bei ihm. Sie wird ein weiteres Mal schwanger, doch das gewaltsame, einer Vergewaltigung gleichkommende Verhalten Rahims läßt sie den Entschluß zur heimlichen Abtreibung des Kindes fassen. Nach dem Tod ihres inzwischen fünfjährigen Sohnes flieht sie, kehrt zu ihren Eltern zurück und wird schließlich Nebenfrau ihres Cousins Mansur. Fast vierzig Jahre später erzählt Mahbube im heutigen Teheran ihrer Nichte, die sich ebenfalls in den Kopf gesetzt hat, einen Mann mit einem anderen kulturellen Hintergrund zu heiraten, ihre Geschichte und warnt sie mit dem titelgebenden Vers "Der nächtliche Wein lohnt nicht den Morgen nach dem Rausch" vor einer unüberlegten Entscheidung.
Liebesgeschichten haben in der persischen Literatur eine lange Tradition. Haj Seyed Javadi experimentiert mit den Liebesvorstellungen der klassischen Dichtung, wie sie aus dem populären romantischen Epos "Layla und Madschnun" von Nizami oder den Gedichten von Hafis jedem Iraner bekannt sind. Charakteristisch für die darin besungene Liebe ist die Vorstellung von der unerfüllbaren Liebe, die genußreich und schmerzhaft zugleich ist. Mahbube rebelliert gegen die Generation ihrer Eltern, die sich dem ästhetischen Genuß dieser Dichtung zwar hingeben, sich in der Realität jedoch arrangierten Heiraten beugen. Mahbube will sich damit nicht zufriedengeben. Die Frage lautet: Kann eine wahnsinnige Leidenschaft überhaupt zu einer glücklichen Ehe führen? Durch eine raffiniert angelegte motivische Struktur erhält der Leser Einblick in Mahbubes Gefühlswelt. Die Liebesszenen gehören zu den spannungsreichsten Passagen des Romans, in denen die fünfzehnjährige Mahbube, überwältigt von Rahims erotischer Ausstrahlung, mit für sie bisher unbekannten Stimmungen konfrontiert wird und die sie sogar gesellschaftliche und moralische Grenzen übertreten lassen.
Daß Mahbube am Schluß zurückkehrt und an der Seite des Mannes lebt, den sie ursprünglich nicht wollte, hat der Autorin den Vorwurf eingebracht, sich gegen die Selbstbestimmung der iranischen Frau auszusprechen. Doch die zentrale Botschaft des Romans lautet keineswegs, wie einige iranische Kritiker meinten, daß Rebellion gegen gesellschaftliche Normen und Normen wie die Vernunftehe letztlich doch immer zu Reue und Einsicht führen müsse. Denn Mahbube bleibt bis zum Schluß eine empfindsame Frau, die selbstbewußt und rebellisch ist.
Der Erfolg des Romans bei Lesern jeden Alters und Geschlechts ist auch darauf zurückzuführen, daß Mahbubes Liebesgeschichte nicht jenseits von Zeit und Raum spielt, sondern in einen konkreten historischen und kulturellen Kontext eingebettet ist. Die Schilderung des gesellschaftlichen Lebens zu Beginn der Herrschaft von Reza Schah, insbesondere im aristokratischen Milieu, und die Beschreibung traditioneller Bräuche und Riten, wie sie heute noch den Alltag vieler Iraner bestimmen, zählen zu den Stärken des Romans.
Die Komposition von orientalischer Erzähltradition - Rahmenerzählung à la Scheherazade -, iranischen literarischen Stoffen und Motiven und modernen Erzähltechniken machen aus "Morgen der Trunkenheit" ein ungewöhnlich spannendes Buch, das sich vor allem durch seine erfrischend einfache Sprache und klare Struktur gegen den in der zeitgenössischen Prosaliteratur Irans federführenden symbolistischen Modernismus in der Tradition Sadeq Hedayats abhebt. "Der Morgen der Trunkenheit" könnte eine neue Stufe in der Entwicklung des persischen Romans darstellen. Der Erfolg des Buches spricht dafür, daß sich die iranische Leserschaft nach einer Trendwende innerhalb der zeitgenössischen Prosaliteratur ihres Landes sehnt.
SANDRA GHANDTCHI
Fattaneh Haj Seyed Javadi: "Der Morgen der Trunkenheit". Roman. Aus dem Persischen übersetzt von Susanne Baghestani. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2000. 416 S., geb., 49,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Fintenreich und spannend erzählt, dass man auch als anspruchsvoller Leser nicht davon lassen wollte.« Frankfurter Allgemeine Zeitung