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»In den letzten Jahren wurden die großen Demokratien von inneren Konflikten erschüttert und mit schwerwiegenden äußeren Herausforderungen konfrontiert. In solchen Zeiten wirkt die Vorstellung verlockend, man müsse nur den richtigen politischen Führer finden, eine heroische Figur, die alle Probleme resolut in Angriff nehmen wird.«
In seinem epochalen Werk beleuchtet Archie Brown die Erfolge und Misserfolge der größten Demokraten und Diktatoren der vergangenen hundert Jahre und zeigt: Wenn wir einem einzelnen Menschen erlauben, viel Macht anzuhäufen, ebnen wir den Weg für gravierende Fehler
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Produktbeschreibung
»In den letzten Jahren wurden die großen Demokratien von inneren Konflikten erschüttert und mit schwerwiegenden äußeren Herausforderungen konfrontiert. In solchen Zeiten wirkt die Vorstellung verlockend, man müsse nur den richtigen politischen Führer finden, eine heroische Figur, die alle Probleme resolut in Angriff nehmen wird.«

In seinem epochalen Werk beleuchtet Archie Brown die Erfolge und Misserfolge der größten Demokraten und Diktatoren der vergangenen hundert Jahre und zeigt: Wenn wir einem einzelnen Menschen erlauben, viel Macht anzuhäufen, ebnen wir den Weg für gravierende Fehler und im schlimmsten Fall für katastrophales Blutvergießen.

Von Hitler und Stalin über Trump, Putin und Erdogan bis hin zu Brandt, Mandela und Gorbatschow untersucht Brown verschiedene Führungsstile und stellt weitverbreitete Annahmen über politische Wirksamkeit und Stärke in Frage. Anhand zahlreicher Beispiele belegt er, dass das Modell einer kollektiven Führerschaft viel effektiver ist als die Stärke eines Einzelnen. Eine scharfsichtige Lektüre, aus der wir viel für unsere Gegenwart lernen können.
Autorenporträt
Archie Brown, geboren 1938, Historiker und Politologe, war bis zu seiner Emeritierung Professor für Politikwissenschaften an der Oxford University und Fellow des St Antony's College. Er hatte zahlreiche Gastprofessuren im In- und Ausland inne, ist Mitglied der British Academy und Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Sciences.
Rezensionen
Neue Einsichten in ein schwieriges Thema
Warum nicht jeder politische "Führer" ein Verbrecher sein muss

Selbst im gegenwärtig politisch aufgeheizten Klima der Bundesrepublik erklingt nur selten öffentlich der Ruf nach einem "Führer". Die Ursache ist klar: Die Idee politischen Führertums ist in Deutschland aus berechtigten historischen Gründen desavouiert. In den deutschen Politik- und Geschichtswissenschaften spielt deshalb die Kategorie des Führertums kaum eine Rolle. Jenseits der Wissenschaften ist im deutschen Kontext von Führung denn auch nur in Ausnahmefällen die Rede: Die Bundeswehr befasst sich mit ihrer "Inneren Führung", und Nachwuchskräften aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft werden teure und mitunter fragwürdige Schulungen in Sachen "leadership" angeboten. Es ist auffällig, dass im letztgenannten Fall der deutsche Begriff vermieden und stattdessen ein inhaltlich im Kern deckungsgleicher, jedoch offenbar politisch weniger belasteter englischer Begriff verwendet wird. Vor diesem Hintergrund ist die Abfassung einer Geschichte politischer Führung im 20. und 21. Jahrhundert aus Deutschland kaum zu erwarten gewesen.

Umso dankbarer muss man dem renommierten Oxforder Emeritus Archie Brown sein, dass er sich in einer 2014 veröffentlichten und nunmehr auch auf Deutsch verfügbaren umfangreichen Studie des Themas angenommen hat. Denn Brown ist ein bemerkenswertes Buch gelungen, das die Schwierigkeiten des Themas gekonnt umschifft und zugleich neue Einsichten eröffnet. Dieses Kunststück gelingt ihm, weil er einerseits die Kategorien von "Führer" und "Führertum" aus dem beruhigteren englischen Sprachumfeld entnommen und sie in ein kategorial ebenso klares wie scharfsinniges politikwissenschaftliches Raster eingebunden hat. Andererseits legt Brown keine Verherrlichung des Führertums vor, sondern nimmt seinen Ausgang von der Kritik an der seines Erachtens "beunruhigenden", weltweit zunehmenden Tendenz, vermeintlichen "Machern" oder "Entscheidern" zu viel zuzutrauen. Am Ende erweist sich die Untersuchung deshalb als ein Plädoyer für die "kollektive", nicht solitäre Führung in modernen Demokratien.

Ihre Schlüssigkeit gewinnen Browns Ausführungen durch die souveräne Unterfütterung mit historischen Beispielen. Im Zentrum steht dabei die Darstellung des Handelns unterschiedlicher Staats- und Regierungschefs. Auch wenn darunter die Miniaturen aus der britischen, amerikanischen und sowjetischen Geschichte am eindruckvollsten gelungen sind, vervollständigt erst die Einbeziehung etwa chinesischer Beispiele das Bild. Jüngere Entwicklungen wie die Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten oder die ausgreifenden Ermächtigungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping werden denn auch in dem für die deutsche Ausgabe neu verfassten Vorwort erörtert.

Anhand dieser Beispiele illustriert Brown seine Unterscheidung fünf verschiedener Formen von politischer Führung. Diese Kategorien beziehen sich stets auf individuelle "Führer", die als Entscheider über erhebliche persönliche Macht verfügen, öffentlich wie auch innerhalb ihrer Partei einen besonderen Einfluss besitzen und nachhaltige Wirkung entfalten. Unter einer "neudefinierenden Führung" versteht Brown dabei eine Form der Führung, welche "die Vorstellung der Gesellschaft davon, was machbar und wünschenswert ist, verändert" und schließlich die Gesellschaft selbst umgestaltet. Franklin D. Roosevelts "New Deal" und Margaret Thatchers liberale Wirtschaftspolitik stehen beispielhaft dafür. Gleichwohl wird mit diesen "Führern" keine grundsätzliche Umwälzung des wirtschaftlichen und politischen Systems verbunden. Die "Führer" dagegen, die in erheblichem Maße zum Wandel des wirtschaftlichen oder politischen Systems eines Landes oder gar des internationalen Staatensystems beitragen, unterscheidet Brown wiederum anhand der Gestaltung wie der Folgen dieses Übergangs: "Transformative Führer" wie Charles de Gaulle, Adolfo Suárez, Michail Gorbatschow, Deng Xiaoping oder Nelson Mandela erlangen ihre Macht und verändern ihre Mitwelt vergleichsweise friedlich. Den negativen Gegenentwurf dazu bilden "revolutionäre Führer" wie Lenin, Tito, Mao Tse-tung und Pol Pot, die zumeist im Zuge gewaltsamer Veränderungsprozesse an die Macht kommen, welche mit dem Zusammenbruch eines hergebrachten Regimes und der Ausbildung einer neuen, oft ebenfalls gewalthaltigen Ordnung einhergehen.

"Totalitäre" und "autoritäre Führung" wiederum sind in den politischen Systemen anzutreffen, in denen die politische Führung über eine geradezu unbeschränkte Macht verfügt. Gerade in diesem Kontext erweist sich besonders deutlich, dass nach innen wie nach außen "die uneingeschränkte individuelle Herrschaft fraglos gefährlicher als die kollektive" ist. Unter den politischen Bedingungen solcher Regime halten sich auch "toxische Führer" an der Macht. Sie stützt dann eine Mischung aus Amtsautorität und "irrationalem Glauben" an die "Illusion, die Menschheit brauche starke Führer". Andererseits kann gerade in solchen Regimen ein Führungswechsel viel bewirken, wie die Entwicklungen verdeutlichen, die nach dem Tod schier allmächtiger "Führer" wie Stalin und Mao einsetzten.

Die deutsche Geschichte bietet Brown die Gelegenheit, drei seiner Führungstypen exemplarisch zu diskutieren: Auf den totalitären "Führer" Adolf Hitler folgten mit Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Kohl drei neudefinierende Führer. Zwar haben die drei Bundeskanzler Deutschland und Europa auf unterschiedliche Weise geprägt, doch bezeugt Brown zufolge die Entwicklung der Bundesrepublik insgesamt "einen Zusammenhang zwischen guter Führung und demokratischer Konsolidierung". Auch die gegenwärtige Bundeskanzlerin charakterisiert Brown äußerst positiv: Angela Merkel erscheint ihm als "eine sehr kompetente politische Führerin", da sie nicht narzisstisch sei und zudem eine ,realistische' Politik mache. Damit aber wäre sie davor gefeit, jenem "Hybrissyndrom" (David Owen) anheimzufallen, das Brown zufolge viele selbsterklärte "starke Führer" auszeichnet: Ausgehend von der Selbstwahrnehmung, "eine überlegene Urteilskraft zu besitzen", würden diese zunehmend beratungsresistent und träfen dann fragwürdige fachliche Entscheidungen. Die Folgen reichen von unausgereiften Gesetzesvorstößen bis zu "Unterdrückung und Blutvergießen".

Brown plädiert daher für eine "kollegiale und kollektive Führung", die Entscheidungen auf möglichst breiter Grundlage mit anderen Spitzenpolitikern und Fachleuten sowie mit der eigenen Partei und der Öffentlichkeit berät und diskutiert. Insbesondere in einer Demokratie sei es nämlich "unangemessen, große Macht in die Hände einer einzigen Person zu legen, und eine Regierung, in der tatsächlich nur eine Person in der Lage wäre, über sämtliche Fragen zu entscheiden, wäre eine sehr inkompetente Regierung". Das Geheimnis effektiver und guter Führung hat bereits 1948 Premierminister Clement Attlee erkannt, als er erklärte, "dass die Grundlage demokratischer Freiheit in der Bereitschaft liegt anzunehmen, dass andere Menschen klüger sein können als man selbst".

MARIAN NEBELIN

Archie Brown: Der Mythos vom starken Führer. Politische Führung im 20. und 21. Jahrhundert. Aus dem Amerikanischen von Stephan Gebauer.

Propyläen Verlag, Berlin 2018. 480 S., 25,- [Euro].

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