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Pulitzer Prize for Fiction 2021.
Kann ein Einzelner den Lauf der Geschichte verändern? Kann eine Minderheit etwas gegen einen übermächtigen Gegner, den Staat, ausrichten? »Der Nachtwächter«, der neue Roman der mit dem National Book Award ausgezeichneten Autorin Louise Erdrich, basiert auf dem außergewöhnlichen Leben von Erdrichs Großvater, der den Protest gegen die Enteignung der amerikanischen UreinwohnerInnen vom ländlichen North Dakota bis nach Washington trug. Elegant, humorvoll und emotional mitreißend führt Louise Erdrich vor, warum sie zu den bedeutendsten amerikanischen Autorinnen…mehr

Produktbeschreibung
Pulitzer Prize for Fiction 2021.

Kann ein Einzelner den Lauf der Geschichte verändern? Kann eine Minderheit etwas gegen einen übermächtigen Gegner, den Staat, ausrichten? »Der Nachtwächter«, der neue Roman der mit dem National Book Award ausgezeichneten Autorin Louise Erdrich, basiert auf dem außergewöhnlichen Leben von Erdrichs Großvater, der den Protest gegen die Enteignung der amerikanischen UreinwohnerInnen vom ländlichen North Dakota bis nach Washington trug. Elegant, humorvoll und emotional mitreißend führt Louise Erdrich vor, warum sie zu den bedeutendsten amerikanischen Autorinnen der Gegenwart gezählt wird - und zeigt, dass wir alle für unsere Überzeugungen kämpfen sollten und dabei manchmal sogar etwas zu verändern vermögen.

»Mir stockte der Atem, als ich begriff, was meinem Großvater von seinem Nachtwächter-Schreibtisch aus gelungen war.« Louise Erdrich

»Ein meisterhaftes Epos. Nach der Lektüre ist man tief bewegt und vermisst diese Figuren, als wären sie echte Menschen.« New York Times Book Review

»Mit diesem Roman ist Louise Erdrich auf der Höhe ihrer genialischen Schaffenskraft angelangt.« Washington Post
Autorenporträt
Louise Erdrich, geboren 1954 als Tochter einer Ojibwe und eines Deutsch-Amerikaners, ist eine der erfolgreichsten amerikanischen Gegenwartsautorinnen. Sie erhielt den National Book Award, den PEN/Saul Bellow Award und den Library of Congress Prize. Louise Erdrich lebt in Minnesota und ist Inhaberin der Buchhandlung Birchbark Books.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Rezensentin Dorothea Westphal scheint gerührt von Louise Erdrichs Roman. Der auf Tatsachen und allerhand Archivmaterial und Dokumenten aus der Familie der Autorin beruhende Text über die Vertreibung indigener Stämme in den USA Anfang der 1950er und den Widerstand der Reservatsbewohner besticht laut Westphal durch überzeugend der Wirklichkeit nachempfundene bzw. frei erfundene Figuren, den gründlich recherchierten Bericht über systematischen Missbrauch indigener Frauen sowie faszinierende Einblicke in die magische Alltagswelt der Indigenen. Die um ihre Existenz kämpfenden Reservatsbewohner wachsend der Rezensentin ans Herz. Für Westphal liegt das an der empathischen, humorvollen Erzählweise.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2021

Das Private muss nicht identitätspolitisch sein
Ein anderes Ende als die Termination: Louise Erdrichs Roman "Der Nachtwächter" erzählt indianische Geschichte

Der Anfang kündet gleich vom vorgesehenen Ende: "Am 1. August 1953 verabschiedete der Kongress der Vereinigten Staaten die House Concurrent Resolution 108, mit welcher Verträge zwischen souveränen Nationen, gültig, 'solange das Gras wächst und die Flüsse fließen', für nichtig erklärt wurden. Der Beschluss sah vor, langfristig sämtliche indianische Nationen aufzulösen, zu 'terminieren', und für fünf Stämme, darunter der Turtle Mountain Band of Chippewa, sollte dies mit sofortiger Wirkung geschehen." Mit dieser Vorbemerkung eröffnet Louise Erdrich ihren aktuellen Roman - ihr siebzehnter und kürzlich mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet -, der sich den historischen Verwicklungen um das genannte Gesetz widmet. "Termination" lautet bis heute der Fachbegriff für jene Epoche amerikanischer Indianerpolitik. "Der Nachtwächter" setzt alles daran, das Ende, das damit so bürokratisch wie brutal verfügt werden sollte, zu entkräften und stattdessen zu erzählen, dass und wie indianische Geschichte weitergeht.

Dazu verfährt er mit bemerkenswerter Ruhe und Gelassenheit, ausgerichtet auf die Alltagsrituale einer durchmischten Dorfgemeinschaft, die in einem Reservat in North Dakota lebt und sich, so gut es eben geht, mit den Entwicklungen der Nachkriegszeiten arrangiert. Die eigene Sprache, das Ojibwemowin, ist längst mit Englischem durchsetzt oder, wie es an einer Stelle heißt, "gesalzen"; die Religion hat sich mit allerhand Katholisch-Christlichem verbunden und kommt neuerdings durch missionierende Mormonen unter Druck; bei einer Beerdigung, als für den Toten das Grabhaus zu bereiten ist, stellt sich die Frage, ob man dazu Teerpappe statt Birkenrinde nehmen darf und wie genau die Traditionen überhaupt noch zu befolgen sind; statt Perlenstickereien anzufertigen, arbeiten die Frauen mittlerweile in der Lagersteinfabrik und ernähren durch den dort erworbenen Lohn ihre Familien. So ändern sich die Zeiten.

Erdrich nimmt sich reichlich Raum, dieses soziale Geflecht auszubreiten und geduldig den verschlungenen Fäden der Geschichten und Protagonisten nachzugehen. In meist sehr kurzen, häufig szenisch angelegten Abschnitten bietet sie uns wechselnde, doch immer starke Zugänge zu einer Lebenswelt, die auch ihre eigene oder jedenfalls die ihrer Familie gewesen ist. Der Roman gründet im Erbe ihres Großvaters mütterlicherseits, Patrick Gourneau, der als Stammesratsvorsitzender lange Jahre mutig für indigene Rechte gekämpft hat und 1954, im Geburtsjahr der Autorin, tatsächlich erreichten konnte, dass die Terminationspolitik, die Hunderttausende assimilieren und heimatlos machen sollte, ausgesetzt wurde (bevor sie in den Siebzigerjahren offiziell endete). In der Nachtwächter-Figur des Thomas Wazhashk, benannt nach der Bisamratte, die im Mythos der Chippewa die Neuschöpfung der Erde unternimmt, setzt seine Enkelin ihm nun ein eindrucksvolles Denkmal.

Alles Heroische bleibt ihm (und uns) jedoch zum Glück erspart. Wazhashk ist ein Wächter, der, von Müdigkeit fortwährend überwältigt, die langen Nachtstunden in der Fabrik stets nur mit Mühe durchsteht und in der Dunkelheit von Geistern und Gesichtern bedrängt wird. Hellwach und entschlossen wird er erst, als er von dem Gesetzesvorhaben im fernen Washington erfährt und fortan alles unternimmt, den Widerstand dagegen zu formieren und eine Allianz zu schmieden, die ihn schließlich sogar bis ins Capitol bringt. Doch diesem großen und dramatischen politischen Geschehen gilt im Roman weit weniger Aufmerksamkeit, als man erwarten sollte. Fast scheint es, als würden die Höhepunkte dieses Handlungsstrangs, von der Autorin auf der Basis historischer Protokolle nachgestaltet, eher pflichtgemäß eingeschoben. Ihr Hauptinteresse gilt ganz gewöhnlichen Verrichtungen oder Verirrungen einer Vielzahl von Figuren, deren Schicksale uns in Gesine Schröders subtiler Übersetzung allesamt erstaunlich nahekommen.

Prominent darunter ist Patrice, Wazhashks Nichte, eine junge Frau, die gerade ins Erwachsenenleben aufbricht, doch dazu erst einmal die Geister des Vergangenen bannen muss. Ihr Freundeskreis hat sie missbraucht, ihr Vater ist dem Alkohol verfallen und ihre Schwester in der großen Stadt verschollen: Daher fährt Patrice nach Minneapolis, um dort die Spurensuche aufzunehmen, findet statt der Schwester aber bloß ein Baby, das sie mit nach Hause bringt. Nur mit größtem Glück und Mut kann sie sich überdies aus den Fängen des Zuhälterrings lösen, dem die Schwester einst zum Opfer fiel und der auch sie bereits umklammert hielt. Die Kapitel dieser Reise, fokussiert auf einen abgründigen Schurken mit hinreißend öligem Charme, bieten die mit Abstand spannendsten Passagen. Doch auch dieser Handlungsstrang verliert sich bald schon wieder und gibt anderen Entwicklungen Raum.

Offenbar hat die Autorin kaum Interesse an den gängigen Verfahren von Spannungsaufbau und Dramatik, mit Wendepunkten und Enthüllungen und einem wuchtigen Finale, zu dem alles sich auf wundersame Weise fügt. Wer Erdrich kennt, weiß ja auch längst, dass sie am liebsten episodisch erzählt. Nach einem eher ungereimten dystopischen Roman vor zwei Jahren, "Der Gott am Ende der Straße", kehrt sie jetzt auf das Erzählterrain zurück, wo sie ihre Kunst besonders einprägsam entfalten kann. Anders aber als "Solange du lebst" (2009), ihrem vielleicht stärksten Buch, das ebenfalls in North Dakota spielt und eine unverwundene Vergangenheit erkundet, kreist "Der Nachtwächter" nicht um ein zentrales Ereignis, sondern bietet uns ein breites Patchwork dar, das der vielstimmigen Alltagswelt von Turtle Mountain gleichkommt, ohne ihr ein Muster aufzuzwingen.

Das wirkt gewiss diffus, hat aber Methode: "Wir haben die Pocken überlebt, die Winchester-Repetierbüchse, die Hotchkiss-Kanone, die Tuberkulose", fasst Wazhashk das Schicksal der Chippewa zusammen. "Wir haben die Grippeepidemie von 1918 überlebt und in vier oder fünf Kriegen für die USA gekämpft. Und jetzt vernichtet uns diese Ansammlung knochentrockener Wörter. Die Veräußerung, das Einstellen, die Terminierung, Obiges, Folgendes, besagte." Diesen Schluss kann er nicht zulassen. Und darum geht es hier, so schlicht wie grundlegend: ums Überleben.

Gegen Termination anzugehen heißt daher fürs Erzählverfahren des Romans, sich dem Druck eines plotzentrierten sowie endfixierten Schemas zu entziehen und stattdessen zu erzählen, wie alles eben weitergeht: Das fortdauernde Neben- sowie Nacheinander des Gewöhnlichen zu schildern ist die wirksamste Maßnahme gegen vernichtende Endzeitpolitik wie gegen hochtönende Heldenepik. Die amerikanische Autorin Ursula K. Le Guin hat dafür den Begriff "Carrier Bag Fiction" eingeführt. Er besagt, dass schon das Sammeln und Zusammenbringen gänzlich unspektakulärer Geschehnisse - wie in einer Tragetasche - eine wichtige Geschichte werden kann, da sie den Eigensinn und -wert des Alltagslebens würdigt.

Dieser Einsicht folgt auch Erdrich mit ihrer teilnehmenden Erinnerung. Das Erbe ihrer Vorfahren nimmt sie hier deshalb so überzeugend an, weil sie es nicht identitätspolitisch ausspielt, sondern durch ihr Erzählgeflecht für uns erfahrbar macht, wie es sich lange schon mit anderen Erblinien verknüpft, beispielsweise wenn ihrer jungen Chippewa-Frau ein Gedicht von Emily Dickinson durch den Sinn geht: "Die Welt ist nicht der Schluss. / Weil drüben Etwas wohnt / Unsichtbar, wie Musik - / So wirklich wie ein Ton." Solange das Gras wächst und die Flüsse fließen.

TOBIAS DÖRING.

Louise Erdrich: "Der Nachtwächter". Roman.

Aus dem Amerikanischen von Gesine Schröder. Aufbau, Berlin 2021. 490 S., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ruhm hat diese Autorin verdient, Ruhm und Ehre und Triumphe.« Hamburger Abendblatt 20210909
Rezensentin Dorothea Westphal scheint gerührt von Louise Erdrichs Roman. Der auf Tatsachen und allerhand Archivmaterial und Dokumenten aus der Familie der Autorin beruhende Text über die Vertreibung indigener Stämme in den USA Anfang der 1950er und den Widerstand der Reservatsbewohner besticht laut Westphal durch überzeugend der Wirklichkeit nachempfundene bzw. frei erfundene Figuren, den gründlich recherchierten Bericht über systematischen Missbrauch indigener Frauen sowie faszinierende Einblicke in die magische Alltagswelt der Indigenen. Die um ihre Existenz kämpfenden Reservatsbewohner wachsend der Rezensentin ans Herz. Für Westphal liegt das an der empathischen, humorvollen Erzählweise.

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