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Große Präsentation im Rahmen der Frankfurter Buchmesse 2000 mit dem Schwerpunktthema Polen
Ein Lehrer in einem kleinen polnischen Bauerndorf blickt zurück auf sein Leben. Dem Strom seiner Erinnerungen folgend, umkreist er seine Kindheit und Jugend, aber auch das Verhältnis zu seinem Vater, der dem Sohn gleichsam zum gebrochenen Spiegel seiner selbst wird. Untrennbar sind ihrer beider Wege miteinander verbunden, und so entsteht das subtile und vielschichtige Porträt eines Vaters und eines Sohnes, die zeitlebens nicht aufgehört haben, einander zu suchen. In einer Prosa von seltener…mehr

Produktbeschreibung
Große Präsentation im Rahmen der Frankfurter Buchmesse 2000 mit dem Schwerpunktthema Polen

Ein Lehrer in einem kleinen polnischen Bauerndorf blickt zurück auf sein Leben. Dem Strom seiner Erinnerungen folgend, umkreist er seine Kindheit und Jugend, aber auch das Verhältnis zu seinem Vater, der dem Sohn gleichsam zum gebrochenen Spiegel seiner selbst wird. Untrennbar sind ihrer beider Wege miteinander verbunden, und so entsteht das subtile und vielschichtige Porträt eines Vaters und eines Sohnes, die zeitlebens nicht aufgehört haben, einander zu suchen. In einer Prosa von seltener Meisterschaft, die schwebende Leichtigkeit mit virtuoser Sprachgewalt vereint, lässt Wieslaw Mysliwski vor dem Auge des Lesers die beinahe vergessene Welt des ländlichen Polen wiedererstehen - und erschafft eine sensible Hommage an den Vater, der sich einst einen Sohn erträumte.
Autorenporträt
Wieslaw Mysliwski, geboren 1932 in Dwikozy bei Sandomierz. Nach dem Studium der polnischen Philologie in Lublin Arbeit im Verlagswesen, bevor er sich seiner Tätigkeit als Herausgeber und Schriftsteller zuwandte. Er ist Autor mehrerer Dramen und Romane. Ausgezeichnet u. a. mit dem polnischen Literaturpreis "Nike" und 1967 in seiner Heimat mit dem Stanislaw-Pietak-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2000

Kosmos der Katen
Wieslaw Mysliwskis bäuerliches Polen / Von Olga Mannheimer

In Polen kennt ihn jeder, jenseits der Landesgrenze keiner. Wieslaw Mysliwski, in der Heimat hochgelobt, mehrfach ausgezeichnet und vielgelesen, wurde im Westen von allen ambitionierten Literaturverlagen hartnäckig ignoriert, selbst als im Vorfeld der diesjährigen Frankfurter Buchmesse polnische Titel massenweise eingekauft wurden. Jetzt hat sich Goldmann entschlossen, die DDR-Ausgabe seines Erstlings aus dem Jahr 1967 neu aufzulegen. Sein Meisterroman jedoch, vor vier Jahren erschienen und von vielen polnischen Kritikern als das wichtigste Buch des Jahrzehnts angesehen, wird erst in zwei Jahren auf deutsch vorliegen. Originalität, stilistische Brillanz, Tiefsinn, souveräner Handlungsaufbau - alles, was einen Erzähler höchsten Ranges ausweist, ist in dieser Prosa zu finden. Was also hätte Mysliwskis internationalem Erfolg im Wege stehen können?

Möglicherweise gerade jene Stärken, die ihn zu einem großen polnischen Schriftsteller machen: Der Achtundsechzigjährige erschafft eine Welt aus der lebendigen, dialektal gefärbten Sprache, deren Anmut schwer übersetzbar ist, und er schildert die Realität seines Landes so unvermittelt wie kaum ein anderer Gegenwartsautor. Doch hinter den wirklichkeitsgetreuen Alltagsbildern steht eine ungewöhnliche Erlebnisintensität, und in der Tiefe dieser Geschichten erklingt eine solche Fülle an existentiellen Erkenntnissen, daß man sich für Polen gar nicht interessieren muß, um sie mit angehaltenem Atem zu lesen. Mysliwski schöpft aus persönlicher Erfahrung und hat mit seinen Figuren viel gemeinsam. So begründet der frühe Verlust seines Vaters - "er starb 1945, gerade als der Krieg zu Ende war und das Sterben sich nicht mehr gehörte" - die Auseinandersetzung mit dem Thema Vaterschaft, das den Debütroman beherrscht. "Der nackte Garten" erzählt von einem Dorflehrer, der Jahre zuvor aus der Stadt auf den elterlichen Hof zurückgekehrt ist und nach deren Tod auf sein Leben zurückblickt. Seine Erinnerungen kreisen um die intensive, wortkarge Beziehung zu dem Vater, von dessen Welt ihn die Schulbildung entfremdet hat, in der jedoch alle Vorstellungskraft, Werte, Liebesfähigkeit, ja sein ganzes Wesen, wurzeln. Diese Geschichte, vom Autor zu einer Parabel unerfüllter Sehnsüchte entwickelt, begeisterte die Kritik durch eine Bildkraft und Vielschichtigkeit, die der sogenannten "bäuerlichen Strömung" eine neue Dimension gaben.

Der Begriff "bäuerliche Strömung" klingt heute wenig verführerisch. Man denkt an Heimat, Brauchtum, urwüchsige Natur und bei der polnischen Dorfprosa insbesondere an not- und leidgeprüfte Bauern. Mag ein solcher Ausschnitt polnischer Vergangenheit auch noch so viel poetische Dichte haben, nur wenige haben Lust, sich darin zu vertiefen. Auch in Mysliwskis Erstling ist von all dem etwas zu finden - und dennoch kann man das Buch nicht aus der Hand legen.

Wieslaw Mysliwski, 1932 in einem weltvergessenen Dorf geboren, wuchs im Armenviertel von Sandomierz auf, einer mittelgroßen Stadt im Südosten Polens. Die Ressource seines Schreibens verdankt sich den Jahren auf dem großelterlichen Hof, wo sich in der Kriegszeit die mütterliche Familie zusammenfand: vier Generationen polnischer Kleinbauern. Mit ihren Erzählungen hat sich der Autor, wie er einmal sagte, für sein ganzes Leben vollgesogen - ihnen schulde er sein Gedächtnis und seine Sichtweise. Der Polonist, der ab 1956 in Warschau als Verlagslektor, dann als Herausgeber einer Zeitschrift wirkte, hat sich innerlich von jenem bäuerlichen Universum nie gelöst. "Ich kann dorthin mit jedem beliebigen Problem gehen und schauen, was sich daraus ergibt. Ich kann mit Gott, dem Schicksal, allen Fragen der Welt kommen." Erst wenn ihn solche Fragen bedrängen, setzt sich Mysliwski an die Schreibmaschine. Seine Bücher entstehen langsam, im Abstand mehrerer Jahre: In rund drei Jahrzehnten hat er nicht mehr als drei Theaterstücke und vier Romane vorgelegt, denn am Ende jedes Werks stand das Gefühl, alles gesagt zu haben. Dazu ist ihm das Schreiben, nach eigener Aussage, ein Akt der Selbsterforschung, nicht ein Beruf: "Ich habe ein Angestelltenleben geführt, dabei gelang mir hin und wieder ein Buch. Ich fühle mich zur Literatur nicht verpflichtet, muß mit anderen nicht wetteifern und die Spielregeln dieses Betriebes nicht befolgen." Dieser Eigensinn zeichnet ihn aus: Der ehemalige Bauernsohn ist immer seinen eigenen Weg gegangen, abseits aller Trends, Ideologien und Gegenwartsstimmungen. In der Ära der Solidarnosc und des Kriegsrechts, als sich das oppositionelle Engagement zur Obsession steigerte und die Literatur mehr bedrohte als die Zensur, war Mysliwski der einzige große Erzähler Polens, der sich jeglicher politischen Vereinnahmung entzog. Sein dritter Roman "Stein auf Stein" (1984) ist auch deswegen eines der wenigen Bücher aus jener Zeit, das sich nicht überlebt hat. Mit diesem Familienepos setzte der Autor dem zerfallenen Bauernstand ein literarisches Denkmal, doch es ging ihm keineswegs um die bunte Vielfalt volkstümlicher Sitten: "In der ländlichen Kultur interessiert mich das Universelle, nicht das Folkloristische. Auf die jahrhundertelang kumulierte Erfahrung kommt es an, nicht auf Bauernröcke, Sensen, Pfauenfedern."

Mysliwskis Werke sind aus einer Vielzahl von Erzählfäden in mehrfacher Überlagerung geknüpft, und nicht die Szenerie macht das Bäuerliche daran aus, sondern der gelassene Blick auf die Welt, die als Kreislauf empfundene Zeit, die bodenständige Weisheit und die Fantasie. Sie erzählen vom Aufwachsen in ärmlichen Verhältnissen, von provinzieller Enge, von gewöhnlichen Sorgen und Träumen polnischer Durchschnittsmenschen. Doch in dieser begrenzten Welt spiegelt sich die unendliche Komplexität der Beziehungen, die, so der Autor, "zwischen einem Menschen zu sich selbst, zu einem anderen, zur Welt, zu Gott, zum Kosmos, zur Erde, zum Tod, zur Geburt bestehen".

Mehr als die Tragweite dieser Themen beeindruckt Mysliwskis Fähigkeit, sie ohne jede belehrende Deutung in einfache Formen zu fassen. Bereits "Der nackte Garten" hatte die Kritik durch den familiären Umgang mit fundamentalen Fragen des Seins verblüfft. In dreißig Jahren hat der Autor diese Gabe - sein wahrhaft aus dem bäuerlichen Erbe bezogenes Vermögen - beständig weiterentwickelt: Alles Gewichtige wird in seinem jüngsten Roman mit der virtuos leichten Hand eines Meisters gestaltet. "Horizont" handelt von Liebe und Einsamkeit, vom Streben nach Erkenntnis und von deren Grenze, die als titelgebende Metapher dient: Der lockende Streifen, der Himmel und Erde verbindet, rückt stets ab, wenn man sich auf ihn zubewegt.

Mysliwskis Romanwelt ist jene vom Horizont umschlossene Sphäre eines Lebens, im konkreten wie im symbolischen Sinne. An der Oberfläche vermittelt sich dem Leser die in Zeit und Ort fest verankerte Geschichte eines einfachen Mannes, hintergründig die zeitlose Wahrheit der menschlichen Existenz. Dabei bleibt der Blick auf die Figuren gerichtet, während das historische Geschehen beiläufig evoziert wird. Die deutsche Besatzung etwa ist im abgesonderten Kosmos eines Dorfes nur ansatzweise zu spüren. Seine Bewohner erleben einen einzigen deutschen Soldaten, und Schrecken verbreitet dieser allein, weil er sie so beharrlich fotografiert, daß sie "am Ende nicht mehr wissen, ob sie auf dieser Welt sind, oder nur noch auf dem Bild".

Das Unheil des Krieges ohne Nazis und ohne blutrünstige Greuel zu zeigen ist in der polnischen Literatur selten genug. Noch seltener tritt ein deutscher Gefreiter als eine Identifikationsfigur des Autors auf: So wie der Hobbyfotograf, der sich verbiegt und verrenkt, um die Bauern von allen Seiten aufzunehmen, "mit der Kate, der Scheune, dem Schweinestall, dem Zaun, der Hundehütte, mit der ganzen Welt", so will auch Mysliwski seine Figuren allumfassend einfangen. Er baut ihre Geschichte aus miteinander verzahnten Erinnerungen, die sich um Schlüsselerlebnisse entfalten und verschiedene Zeitebenen zusammenführen. Wir sehen sie mit den Augen eines einzigen Ich-Erzählers, doch mit den Altersstufen verändern sich die Blickwinkel, und das wechselnde Licht macht neue Nuancen und Tiefen sichtbar - am Ende kristallisieren sich jene Kräfte heraus, die ein Leben bestimmen. Werden die Zusammenhänge eines Schicksals deutlich, so bleibt aber die Existenz ein nicht restlos durchdringbares Rätsel, das zu ergründen sich als ihr - wie der Horizont stets abrückendes - Ziel erweist. Und gerade weil Mysliwski den Einblick in die letzte Wahrheit verweigert, wirken seine Geschichten glaubwürdig und lebensnah.

Wieslaw Mysliwski: "Der nackte Garten". Roman. Aus dem Polnischen übersetzt von Caesar Rymarowicz. Bertelsmann Taschenbuch Verlag, München 2000. 256 S., geb., 36,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Zunächst das Erstaunen der Kritikerin Olga Mannheimer, dass statt des vor vier Jahren erschienenen "Meisterromans", der frühestens in 2002 in deutscher Übersetzung vorliegen würde, nun dieser Erstlingsroman neu aufgelegt wurde. Warum besitzt dieser Autor nicht längst Weltruhm? Diese Frage treibt die Kritikerin, offenbar eine profunde Mysliwski-Kennerin, um. Seine Prosa habe alles, was einen Erzähler höchsten Ranges ausmacht: "Originalität, stilistische Brillanz, Tiefsinn, souveränen Handlungsaufbau". So schreibt sie wenig über "Der Nackte Garten", und rühmt in höchsten und durchaus ansteckenden Tönen Mysliwskis übriges Werk. Möglicherweise, räumt sie dabei ein, stehen gerade jene Stärken dem Weltruhm entgegen, die Mysliwski zu einem großen Schriftsteller machten. Denn: er erschaffe eine Welt aus der "lebendigen, Dialekt gefärbten Sprache", deren Anmut schwer übersetzbar sei. Hinter den Alltagsbildern findet die Kritikerin aber eine "ungewöhnliche Erlebnisintensität", eine "solche Fülle an existentiellen Erkenntnissen", dass man sich für Polen gar nicht interessieren müsse, um sie mit angehaltenem Atem zu lesen. Mehr noch als die Tragweite seiner Themen, beeindrucke Mysliwskis Fähigkeit, "sie ohne jede belehrende Deutung in einfache Form zu fassen." Schon "Der nackte Garten" hat die Kritikerin durch den "familiären Umgang mit fundamentalen Fragen des Seins" verblüfft.

© Perlentaucher Medien GmbH"…mehr