Andrzej Stasiuks großes Buch über »den Osten«: eine Summe seines Reisens und Schreibens - niedergelegt in einem epischen Strom, hinreißend erzählten Episoden und Epiphanien. Er reist von Polen über Russland bis nach China und blickt auf sein Leben, das Gewirr aus Wegen und Routen, in dem ein Kindertraum sich mit dem Glücksgefühl kreuzt, das er in der Wüste Gobi empfindet.
Was ist das, der Osten, dieses »Reich der Wunder«, das Andrzej Stasiuk immer wieder magisch anzieht? Dieses Kontinuum, dessen Erschütterungen von Kamtschatka bis an die Elbe zu spüren sind. Ostpolen, die Heimat, aus der seine Eltern vertrieben wurden? Der Osten namens Sowjetkommunismus, dessen Präsenz die Gesellschaft, in der er aufwuchs, kontaminiert hatte? Osten - so könnte eine Quintessenz des Buches lauten - ist keine Himmelsrichtung, sondern die Verheißung einer Dimension jenseits der vom Grauen der Vergangenheit unterminierten europäischen Landschaften.
Was ist das, der Osten, dieses »Reich der Wunder«, das Andrzej Stasiuk immer wieder magisch anzieht? Dieses Kontinuum, dessen Erschütterungen von Kamtschatka bis an die Elbe zu spüren sind. Ostpolen, die Heimat, aus der seine Eltern vertrieben wurden? Der Osten namens Sowjetkommunismus, dessen Präsenz die Gesellschaft, in der er aufwuchs, kontaminiert hatte? Osten - so könnte eine Quintessenz des Buches lauten - ist keine Himmelsrichtung, sondern die Verheißung einer Dimension jenseits der vom Grauen der Vergangenheit unterminierten europäischen Landschaften.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.03.2017NEUE TASCHENBÜCHER
Die große
Leere
Es war einmal der Osten. Wer je im Dunst einer weiten Landschaft an einer einsamen Bahnstation auf den nur einmal täglich haltenden Zug wartete, kennt das Gefühl der Rückverwandlung von Geografie in Geologie. Auf der Suche nach dem Unbewussten des Kontinents nehmen Andrzej Stasiuks Expeditionen durch die von bröckelndem Eternit und klaffenden Wunden der Geschichte kontaminierten Landschaften Osteuropas Ausgang von solchen Stationen. Der Reisende lauscht und folgt entlang den Spuren der Vorfahren und von zwangsdeportierten Menschen- wie Völkerscharen jenem tektonischen „Schauer, der von Kamtschatka bis an die Elbe verlief“. Heißt dieser Schauer auch „Osten“– Stasiuk reist durch Russland und die Mongolei nach China –, so bringt er doch die mit den Himmelsrichtungen auch metaphorisch verbundenen Vorstellungen ins Wanken: Stolpernd über Erinnerungen durchstreift dieser mystische Pil-ger Steppen und Wüsten und entdeckt in deren Leere die „Unend-lichkeit des Wassers aus dem wir einst an Land gingen“, als wir noch nicht zwischen Norden und Süden, Osten und Westen eingeklemmt waren. VOLKER BREIDECKER
Andrzej Stasiuk: Der Osten. Roman. Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall. Suhrkamp Verlag, Berlin 2017.
295 Seiten, 12 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Die große
Leere
Es war einmal der Osten. Wer je im Dunst einer weiten Landschaft an einer einsamen Bahnstation auf den nur einmal täglich haltenden Zug wartete, kennt das Gefühl der Rückverwandlung von Geografie in Geologie. Auf der Suche nach dem Unbewussten des Kontinents nehmen Andrzej Stasiuks Expeditionen durch die von bröckelndem Eternit und klaffenden Wunden der Geschichte kontaminierten Landschaften Osteuropas Ausgang von solchen Stationen. Der Reisende lauscht und folgt entlang den Spuren der Vorfahren und von zwangsdeportierten Menschen- wie Völkerscharen jenem tektonischen „Schauer, der von Kamtschatka bis an die Elbe verlief“. Heißt dieser Schauer auch „Osten“– Stasiuk reist durch Russland und die Mongolei nach China –, so bringt er doch die mit den Himmelsrichtungen auch metaphorisch verbundenen Vorstellungen ins Wanken: Stolpernd über Erinnerungen durchstreift dieser mystische Pil-ger Steppen und Wüsten und entdeckt in deren Leere die „Unend-lichkeit des Wassers aus dem wir einst an Land gingen“, als wir noch nicht zwischen Norden und Süden, Osten und Westen eingeklemmt waren. VOLKER BREIDECKER
Andrzej Stasiuk: Der Osten. Roman. Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall. Suhrkamp Verlag, Berlin 2017.
295 Seiten, 12 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
»In Stasiuks neuem Buch ... bleibt das Geheimnis um die eigenwillige Art seines Schreibens, seinen besonderen Aufmerksamkeitstypus bestehen.« Hans-Peter Kunisch Süddeutsche Zeitung 20160311