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Im Zweiten Weltkrieg waren Nazideutschland und Stalins Sowjetunion nicht nur erbitterte Gegner, sondern vorübergehend auch Verbündete. Der Pakt war mehr als das politische Zweckbündnis, das Hitlers Überfall auf Polen erlaubte und den Krieg für die Sowjetunion hinauszögerte. Seine Wirkung blieb nicht auf Osteuropa beschränkt, auch wenn beide Mächte ihren Gewaltfuror dort entfesselten.
Der "Hitler-Stalin-Pakt" gilt noch heute meist als historischer Unfall oder bestenfalls als Präludium zum "eigentlichen" Krieg, der mit Hitlers Überfall auf die Sowjetunion begonnen habe. Dabei ermöglichte die
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Produktbeschreibung
Im Zweiten Weltkrieg waren Nazideutschland und Stalins Sowjetunion nicht nur erbitterte Gegner, sondern vorübergehend auch Verbündete. Der Pakt war mehr als das politische Zweckbündnis, das Hitlers Überfall auf Polen erlaubte und den Krieg für die Sowjetunion hinauszögerte. Seine Wirkung blieb nicht auf Osteuropa beschränkt, auch wenn beide Mächte ihren Gewaltfuror dort entfesselten.

Der "Hitler-Stalin-Pakt" gilt noch heute meist als historischer Unfall oder bestenfalls als Präludium zum "eigentlichen" Krieg, der mit Hitlers Überfall auf die Sowjetunion begonnen habe. Dabei ermöglichte die Zusammenarbeit der beiden Diktatoren nicht nur den Kriegsbeginn in Europa, sondern veränderte in zweiundzwanzig Monaten die politische Landkarte des Kontinents von Grund auf.
Claudia Weber zeichnet auf der Grundlage von historischen Quellen und Archivdokumenten minutiös nach, wie Hitler und Stalin zwischen 1939 und 1941 den Kontinent untereinander aufteilten, ihre Handlanger miteinander verhandelten und es schließlich zum Bruch dieses schicksalhaften Bündnisses kam. Dabei analysiert sie die deutsch-sowjetische Zusammenarbeit in der Bevölkerungs- und Umsiedlungspolitik und enthüllt erschreckende Aktionen gegen Kriegsflüchtlinge: gegen Juden, Polen und Ukrainer.
Autorenporträt
Claudia Weber ist Professorin für Europäische Zeitgeschichte an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.08.2019

Einvernehmliche Zusammenarbeit

Zwei Diktatoren verständigen sich über ihr nächstes Opfer: Claudia Weber erzählt die Geschichte des Hitler-Stalin-Pakts.

Der vor nunmehr achtzig Jahren in der Nacht vom 23. auf den 24. August 1939 in Moskau geschlossene Hitler-Stalin-Pakt ließ das scheinbar Unmögliche eintreten. Die beiden sich äußerst feindselig gegenüberstehenden Regimes in Deutschland und der Sowjetunion wurden zu Komplizen. Sie verpflichteten sich für die Dauer von zehn Jahren, einander nicht anzugreifen; in dem geheimen Zusatzprotokoll, dessen Existenz die sowjetische Seite bis 1989 leugnete, teilten sie Ostmitteleuropa untereinander auf. Die Zerschlagung Polens war das Hauptziel. Der Pakt hielt bis zum 22. Juni 1941, als Deutschland die Sowjetunion überfiel. Den Weg zum Pakt und die Monate zwischen Vertragsabschluss und Überfall beschreibt das vorliegende Buch.

Es beginnt mit einer Überraschung. Weber behauptet, die historische Bedeutung des Pakts für die ersten Jahre des Weltkriegs sei unterschätzt worden. Das ist schwer nachzuvollziehen, ist doch dieses dunkle Kapitel deutsch-sowjetischer Beziehungen minuziös aufgearbeitet und aus vielen Perspektiven interpretiert worden. Vielmehr muss sich dieses Buch aus dem Genre der Jahrestagspublikationen fragen lassen, ob es Neues zu sagen hat.

Webers Darstellung hört nicht mit dem Vertragsabschluss auf, sondern rückt die Kooperation der deutschen und sowjetischen Stellen nach dem Pakt ins Zentrum. Fragen hinsichtlich der Grenzziehung, Umsiedlungen, Deportationen, illegalen Grenzübertritte mussten praktisch geklärt werden. Dafür war der am 28. September 1939 geschlossene Grenz- und Freundschaftsvertrag von größerer Bedeutung als der Pakt vom Vormonat.

Weber umreißt die Terroraktionen und die Praxis der Zusammenarbeit deutscher und sowjetischer Behörden, die Umsiedlung von "Volksdeutschen" aus der sowjetischen "Interessensphäre" in die deutsche und andersherum von Ukrainern und Weißrussen. Sie berichtet von ukrainischen Juden, die Ausreiseanträge ins Reich stellten, weil sie glaubten, es werde ihnen unter den Nationalsozialisten besser ergehen als unter den Stalinisten, aber auch von den etwa 230 000 Juden, welche die Deutschen an die sowjetischen Behörden übergaben oder über die Grenze trieben, von wo sie ins Innere des Landes deportiert wurden. So erhielten sie die Chance, die Vernichtungsmaßnahmen zu überleben.

Deutsche SS und sowjetischer NKWD (Geheimpolizei) haben "einvernehmlich zusammengearbeitet", ja die mit Zuständigkeitsfragen kämpfenden deutschen Stellen schauten neidisch auf die blutige Effizienz des allein zuständigen NKWD. Die Spekulation, das heute bekannteste Verbrechen dieser Zeit, das Massaker an den polnischen Offizieren bei Katyn, könne zwischen deutschen und sowjetischen Vertretern koordiniert worden sein, lehnt Weber mangels Belegen ab. All das ist zwar nicht alles neu, aber plausibel nacherzählt und mit einigen neuen Quellen abgesichert.

Wird in diesen Passagen die angestrebte Verflechtungsgeschichte des Hitler-Stalin-Pakts deutlich, so berichtet der größte Teil des Buches doch im Stil einer konventionellen Außenpolitikgeschichte, die den eigenen Anspruch, die herkömmlichen Sichtweisen auf den Pakt hinter sich zu lassen, schwerlich einlöst, ja sich zuweilen im diplomatischen Klein-Klein verliert.

Schwerer fällt ins Gewicht: So richtig Webers Konzentration auf die blutige Kumpanei der Diktatoren, die imperiale Machtperspektive Stalins und die Praxis argwöhnischer Kooperation ist, so wirft sie doch ein interpretatorisches Problem auf. Sie führt zur impliziten These von der totalitären Konvergenz der Regime. Wer die treibende Kraft hinter dem Pakt war und warum Stalin ihn einging, ist für Weber daher keine vorrangige Frage, obwohl auch ihre Rekonstruktion verdeutlicht, dass Hitlers Bevollmächtigte unter Zeitdruck standen, weil der Angriff auf Polen bevorstand.

Andererseits beschleunigten Stalins Erfahrungen mit den Westmächten besonders anlässlich des Münchener Abkommens 1938 die Annäherung an Deutschland. Für die sowjetische Seite hätte ein Blick auf die Rüstungsindustrie ausgereicht, um festzustellen, dass es ratsam war, die Sowjetunion so lange wie möglich aus einem großen Krieg herauszuhalten. Die Blamage im "Winterkrieg" gegen Finnland 1939/40 lieferte nicht den Beweis einer schlagkräftigen Truppe. Außerdem hatte Stalin die eigene Armee im Terror "enthauptet": Tausende Kommandeursstellen waren beim deutschen Überfall 1941 unbesetzt.

Kurzum: Trotz der Kooperation der beiden Regime 1939-41 sperren sich Hintergründe, Motive, außenpolitische Strategien und innere Verhältnisse auf beiden Seiten gegen die verflechtungsgeschichtliche Einebnung. Eine höhere Trennschärfe bei den Kontexten wäre nötig gewesen. So geht der rassistisch angetriebene Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, den Hitler bereits im Dezember 1940 zu planen befahl, in den Detailbeschreibungen unter, wie überhaupt die deutschen Strategien weniger berücksichtigt werden als die sowjetischen. Die nicht belegte Ansicht, Stalin habe noch unmittelbar am Vorabend des deutschen Überfalls alles getan, um "für die Zeit und die Narrative nach dem Angriff vorzusorgen", also an seinem Geschichtsbild gefeilt anstatt an der Landesverteidigung, verzerrt die Lage.

Dass laut Weber der Hitler-Stalin-Pakt den Grundstein für das spätere Sowjetimperium legte, ist aus der Rückschau richtig, aber am 22. Juni 1941 stand die Sowjetunion ohne Bündnisgenossen allein gegen die deutschen Truppen. Das wollte Stalin gerade verhindern. Wie es passieren konnte, erklärt Weber nicht, weil diese Geschichte nur in Komplizenschaft nicht aufgeht.

STEFAN PLAGGENBORG

Claudia Weber: "Der Pakt". Stalin, Hitler und die Geschichte einer mörderischen Allianz 1939-1941.

Verlag C. H. Beck, München 2019. 276 S., Abb., geb., 26,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der Historiker Jost Dülffer ist schwer enttäuscht von Claudia Webers Arbeit über den Hitler-Stalin-Pakt. Den innovativen Anspruch kann die Autorin nach Dülffers Ansicht abgesehen von einigen Quellenfunden überhaupt nicht einlösen, bietet das Buch doch laut Rezensent vor allem längst Bekanntes, seit den Fünfzigern diskutierte Sachverhalte. Methodisch bewegt sich Weber dabei auf Erstsemesterniveau, stellt Dülffer schockiert fest. Dass sie zur Veranschaulichung der deutsch-sowjetischen Beziehungen extensiv aus laut Dülffer geschönten Memoiren zitiert, scheint dem Rezensenten in quellenkritischer Hinsicht völlig inakzeptabel.

© Perlentaucher Medien GmbH