1619, vor den Toren Hamburgs: Auf dem Hamburger Berg liegt der Pesthof - ein Ort, an dem sich der Aussatz der Hamburger Gesellschaft befindet, um sich auf sein mehr oder weniger langes Dahinsiechen vorzubereiten. Zwischen den Schwindsüchtigen, Tollen und Gichtkranken befindet sich auch Merten
Overdiek, ein Hamburger Kaufmann, der zwischen all den Verstoßenen eine Sonderrolle einnimmt. Einerseits…mehr1619, vor den Toren Hamburgs: Auf dem Hamburger Berg liegt der Pesthof - ein Ort, an dem sich der Aussatz der Hamburger Gesellschaft befindet, um sich auf sein mehr oder weniger langes Dahinsiechen vorzubereiten. Zwischen den Schwindsüchtigen, Tollen und Gichtkranken befindet sich auch Merten Overdiek, ein Hamburger Kaufmann, der zwischen all den Verstoßenen eine Sonderrolle einnimmt. Einerseits genießt er wegen seiner Bildung und seines Wohlstands ein durchaus hohes Ansehen. Doch andererseits ist er selbst unter den Kranken und geistig Verwirrten ein Außenseiter. Denn Merten hat Lepra und darf nicht einmal mit dem Rest des Hofes die Mahlzeiten gemeinsam einnehmen. Als es auf dem Pesthof zu diversen mysteriösen Todesfällen kommt, ergreift Merten die Gelegenheit, der Einsamkeit auf dem Hof zu entkommen und macht sich kurzerhand selbst an die Ermittlungen. Eine Entscheidung, die nicht nur ihn, sondern auch die ihn unterstützende Pflegefrau Maria in höchste Gefahr bringt...
"Der Pesthof" ist der mittlerweile dritte Historische Kriminalroman des Hamburger Autors Albrecht Sommerfeldt und - wie aus den Vorgängern gewohnt - punktet auch dieses Buch mit seiner unnachahmlichen Mischung aus Schmutz, Gestank, Düsterkeit, liebenswert-kauzigen Figuren, einer gesunden Prise Humor und einer spannenden Kriminalhandlung, die bis zum Finale alles andere als vorhersehbar ist.
Während "Von Huren, Bettlern und Glunterschratzen" im Jahre 1617 und der Nachfolger "Teufelstaler" 1618 spielte, sind wir mittlerweile also im Jahre 1619 angekommen. Und so schreiten nicht nur die Geschehnisse um den Dreißigjährigen Krieg voran, sondern auch das kühne Vorhaben Albrecht Sommerfeldts, über jedes Jahr dieses Krieges einen weiteren Roman verfassen zu wollen.
Mit dem Protagonisten Merten Overdiek beweist der Autor einmal mehr, dass seine Empathie den Menschen gehört, die sich am unteren Rande der Gesellschaft bewegen. Trotz seiner liebenswerten und zugänglichen Art meiden die Leute vor allem jeglichen Körperkontakt mit ihm, und auch sonst gehen die meisten eher auf Distanz, wenn sie ihn erblicken. Bewegt er sich einmal außerhalb des Pesthofs, muss er eine sogenannte Warnklapper mit sich führen, die ihn schon von Weitem im wahrsten Sinne des Wortes zu einem Aussätzigen macht. Die besten Voraussetzungen also, um im Sommerfeldt-Universum die Rolle des Helden einzunehmen. Merten zeigt im "Pesthof" eine ungemeine Präsenz und trägt die Handlung ebenso leicht auf seinen Schultern wie ihm die Sympathien der Leser:innen gewiss sein sollten.
Der eigentliche Star des Romans ist aber der Pesthof selbst. Während sich die Handlungsorte in den vorherigen Romanen vielfältiger zeigten, vollzieht sich in diesem Buch das Geschehen nahezu ausschließlich auf dem Gelände der mildtätigen Stiftung, irgendwo "im Niemandsland zwischen Hamburg und Altona", wie es im Klappentext heißt. Ein riskantes Vorhaben, das in anderen Büchern zu einer gewissen Monotonie führen könnte. Doch so atmosphärisch wie Sommerfeldt diesen Pesthof beschreibt und welch aberwitziges Ensemble sich dort ein Stelldichein gibt, macht deutlich, dass der Autor die absolut richtige Entscheidung getroffen hat. Zwischen kühlen Kellergewölben, Geheimgängen und stinkenden Gräben ist es vor allem das Tollhaus, das die Aufmerksamkeit der Leser:innen auf sich ziehen sollte.
Die Bewohner:innen des Tollhauses sind ein weiterer Beweis dafür, wie bunt und lebendig Albrecht Sommerfeldt seine Charaktere bis in die kleinsten Nebenfiguren hinein entwickelt. Neben dem prophetischen Maler Michelangelo und dem Wiedersehen mit einer beliebten Figur aus "Teufelstaler" war es vor allem Caesar, der mich begeisterte und zu meiner absoluten Lieblingsfigur wurde. Caesar antwortet ausschließlich mit lateinischen philosophischen Sprichworten, macht aber mit jeder Antwort deutlich, dass der vermeintliche "Irre" alles um sich herum bis ins kleinste Detail mitbekommt - ein tragikomischer Charakter, der mich mehrfach zum Lachen brachte