Die Kunstkammer des Barock wird von der aktuellen Kunstgeschichtsschreibung als materialisierte Kunsttheorie gefeiert. Durch Prüfung kulturhistorischer Quellen zu Entstehung und Bestand eines der bedeutendsten historischen Kunstkammerkomplexe trägt der vorliegende Band anschaulich zur Forschung bei.
Der »Pommersche Kunstschrank«, ein Ensemble aus kostbarer Hülle und staunenswertem Inhalt, war für eine barocke Kunstkammer bestimmt. Kein Künstler war sein Urheber, sondern ein Unternehmer, der in einer vom Dreißigjährigen Krieg geprägten Zeit Fürsten und Feldherren für die Wunder von Kunst, Wissenschaft und Natur zu begeistern verstand: Philipp Hainhofer. Unter seiner Leitung arbeiteten zwei Dutzend Augsburger Künstler sieben Jahre lang an dem außergewöhnlichen Möbel und füllten es mit über 300 kleinen Kunstwerken, bevor es im Herbst 1617 zu dem gelehrten Herzog Philipp II. von Pommern nach Stettin reiste. Programmatisch überragten Personifikationen der Künste und der Wissenschaften das Kabinett. Im Innern barg es Schreib- und Lesehilfen, Brett- und Kartenspiele, Toilettegerät zum Zeitvertreib für den elegant dilettierenden Hofmann sowie mathematisch-astronomische Instrumente, medizinische und mechanische Geräte für den ernsthaft studierenden Fürsten. Die Faszination der Gebildeten von den aktuellen Fortschritten in den Naturwissenschaften um 1600 spiegelt sich hier ebenso wie Spieltrieb, Phantasie und ein exquisiter Geschmack. Unglücklicherweise verbrannte 1945 das Gehäuse des Schrankes. So konzentriert sich diese Untersuchung auf den Inhalt, zu dessen Verständnis Hainhofer selbst mit Beschreibungen und Briefen beigetragen hat. Auf reichem zeitgenössischem Archivmaterial basieren auch die begleitenden monographischen Kapitel zu Unternehmer und Auftraggeber.
Der »Pommersche Kunstschrank«, ein Ensemble aus kostbarer Hülle und staunenswertem Inhalt, war für eine barocke Kunstkammer bestimmt. Kein Künstler war sein Urheber, sondern ein Unternehmer, der in einer vom Dreißigjährigen Krieg geprägten Zeit Fürsten und Feldherren für die Wunder von Kunst, Wissenschaft und Natur zu begeistern verstand: Philipp Hainhofer. Unter seiner Leitung arbeiteten zwei Dutzend Augsburger Künstler sieben Jahre lang an dem außergewöhnlichen Möbel und füllten es mit über 300 kleinen Kunstwerken, bevor es im Herbst 1617 zu dem gelehrten Herzog Philipp II. von Pommern nach Stettin reiste. Programmatisch überragten Personifikationen der Künste und der Wissenschaften das Kabinett. Im Innern barg es Schreib- und Lesehilfen, Brett- und Kartenspiele, Toilettegerät zum Zeitvertreib für den elegant dilettierenden Hofmann sowie mathematisch-astronomische Instrumente, medizinische und mechanische Geräte für den ernsthaft studierenden Fürsten. Die Faszination der Gebildeten von den aktuellen Fortschritten in den Naturwissenschaften um 1600 spiegelt sich hier ebenso wie Spieltrieb, Phantasie und ein exquisiter Geschmack. Unglücklicherweise verbrannte 1945 das Gehäuse des Schrankes. So konzentriert sich diese Untersuchung auf den Inhalt, zu dessen Verständnis Hainhofer selbst mit Beschreibungen und Briefen beigetragen hat. Auf reichem zeitgenössischem Archivmaterial basieren auch die begleitenden monographischen Kapitel zu Unternehmer und Auftraggeber.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.11.2009Ein Kabinett voll nützlich erlesener Dinge
Barbara Mundt lässt zwischen Buchdeckeln den berühmten Pommerschen Kunstschrank wiedererstehen
Zu den Publikumsmagneten des Berliner Kunstgewerbemuseums, das ab 1921 die imposanten Räumlichkeiten im Hohenzollernschloss nutzen durfte, zählte neben Welfenschatz und Lüneburger Ratssilber ein reich dekoriertes Prunkmöbel aus Ebenholz, der Pommersche Kunstschrank. Zwischen 1610 und 1616 unter Anleitung des Kunstagenten Philipp Hainhofer von gut zwei Dutzend Augsburger Handwerkern hergestellt, wurde das Paradestück 1617 in Stettin seinem Auftraggeber, Herzog Philipp II. von Pommern, übergeben. Nach dem frühen Tod des hochmögenden Empfängers vermachte dessen Neffe Ernst Bogislaw von Croy das für 20 000 Reichstaler erworbene Kabinett seiner Tante, der Kurfürstin Dorothea. Zweihundert Jahre lang Bestandteil der Brandenburgisch-Preußischen Kunstkammer, gelangte das Meisterwerk der Augsburger Tischler, Goldschmiede und Dekorateure 1876 durch Übereignung Kaiser Wilhelms I. in die Obhut des Kunstgewerbemuseums. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im Tresor der Reichsmünze evakuiert, verbrannte das kostbare Schaumöbel am 13. März 1945 nach der Explosion einer Zeitbombe. Sein dreihundertteiliges Inventar ließ sich annähernd komplett retten, und Ende der fünfziger Jahre gelang seine Wiedereingliederung in den Bestand des Berliner Museums.
Vornehmlich diesem bisher unzureichend erforschten Inhalt des Kunstschranks widmet sich die ehemalige Direktorin des Museums Barbara Mundt in ihrem Buch. Als Spiritus Rector des zweigeschossig auf einem mechanisch beweglichen Sockel ruhenden Kabinetts hatte der hochgebildete Philipp Hainhofer den ausführenden Fachleuten nicht nur Vorschläge für den mythologischen Figurenschmuck des Gehäuses unterbreitet, sondern auch Einfluss auf seinen Inhalt genommen, der den weitgespannten Bedarf an Gebrauchsgegenständen für einen fürstlichen Haushalt opulent abdeckte, vom erlesen geformten silbernen Tafelgerät über Brett- und Kartenspiele, Schreibzeuge, eine Toilettengarnitur und astronomische Messgeräte bis zu einer vielteiligen Apotheke mit Präparaten gegen alle Arten von Gebresten und einem chirurgischen Besteck für den Notfall. Alle diese Gegenstände werden in farbigen Abbildungen vor Augen geführt. In den ausführlichen Beschreibungen findet auch das Kuriosum eines mit duftenden Kräutern gefüllten "Bisamkissens" Erwähnung, das der Herzog als Armstütze nutzte, wenn er Einzelheiten des Spitzenstückes seiner wohlgefüllten Kunstkammer in aller Muße betrachten wollte.
Das Buch mit den mustergültig recherchierten Lebensläufen Philipp Hainhofers und Philipps II., deren gelehrter Briefwechsel erhalten blieb, kommt aktuellen kunsthistorischen wie sammlerischen Interessen an Prunkmöbeln der Renaissance und des Barock entgegen. Es lenkt den Blick zurück auf einen einzigartigen Zeugen für eine vor vierhundert Jahren programmatisch geglückte Symbiose von Kunst und Wissenschaft.
CAMILLA BLECHEN
Barbara Mundt: "Der Pommersche Kunstschrank des Augsburger Unternehmers Philipp Hainhofer für den gelehrten Herzog Philipp II. von Pommern". Hirmer Verlag, München 2009. 448 S., ca. 400 Abb., geb., 98,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Barbara Mundt lässt zwischen Buchdeckeln den berühmten Pommerschen Kunstschrank wiedererstehen
Zu den Publikumsmagneten des Berliner Kunstgewerbemuseums, das ab 1921 die imposanten Räumlichkeiten im Hohenzollernschloss nutzen durfte, zählte neben Welfenschatz und Lüneburger Ratssilber ein reich dekoriertes Prunkmöbel aus Ebenholz, der Pommersche Kunstschrank. Zwischen 1610 und 1616 unter Anleitung des Kunstagenten Philipp Hainhofer von gut zwei Dutzend Augsburger Handwerkern hergestellt, wurde das Paradestück 1617 in Stettin seinem Auftraggeber, Herzog Philipp II. von Pommern, übergeben. Nach dem frühen Tod des hochmögenden Empfängers vermachte dessen Neffe Ernst Bogislaw von Croy das für 20 000 Reichstaler erworbene Kabinett seiner Tante, der Kurfürstin Dorothea. Zweihundert Jahre lang Bestandteil der Brandenburgisch-Preußischen Kunstkammer, gelangte das Meisterwerk der Augsburger Tischler, Goldschmiede und Dekorateure 1876 durch Übereignung Kaiser Wilhelms I. in die Obhut des Kunstgewerbemuseums. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im Tresor der Reichsmünze evakuiert, verbrannte das kostbare Schaumöbel am 13. März 1945 nach der Explosion einer Zeitbombe. Sein dreihundertteiliges Inventar ließ sich annähernd komplett retten, und Ende der fünfziger Jahre gelang seine Wiedereingliederung in den Bestand des Berliner Museums.
Vornehmlich diesem bisher unzureichend erforschten Inhalt des Kunstschranks widmet sich die ehemalige Direktorin des Museums Barbara Mundt in ihrem Buch. Als Spiritus Rector des zweigeschossig auf einem mechanisch beweglichen Sockel ruhenden Kabinetts hatte der hochgebildete Philipp Hainhofer den ausführenden Fachleuten nicht nur Vorschläge für den mythologischen Figurenschmuck des Gehäuses unterbreitet, sondern auch Einfluss auf seinen Inhalt genommen, der den weitgespannten Bedarf an Gebrauchsgegenständen für einen fürstlichen Haushalt opulent abdeckte, vom erlesen geformten silbernen Tafelgerät über Brett- und Kartenspiele, Schreibzeuge, eine Toilettengarnitur und astronomische Messgeräte bis zu einer vielteiligen Apotheke mit Präparaten gegen alle Arten von Gebresten und einem chirurgischen Besteck für den Notfall. Alle diese Gegenstände werden in farbigen Abbildungen vor Augen geführt. In den ausführlichen Beschreibungen findet auch das Kuriosum eines mit duftenden Kräutern gefüllten "Bisamkissens" Erwähnung, das der Herzog als Armstütze nutzte, wenn er Einzelheiten des Spitzenstückes seiner wohlgefüllten Kunstkammer in aller Muße betrachten wollte.
Das Buch mit den mustergültig recherchierten Lebensläufen Philipp Hainhofers und Philipps II., deren gelehrter Briefwechsel erhalten blieb, kommt aktuellen kunsthistorischen wie sammlerischen Interessen an Prunkmöbeln der Renaissance und des Barock entgegen. Es lenkt den Blick zurück auf einen einzigartigen Zeugen für eine vor vierhundert Jahren programmatisch geglückte Symbiose von Kunst und Wissenschaft.
CAMILLA BLECHEN
Barbara Mundt: "Der Pommersche Kunstschrank des Augsburger Unternehmers Philipp Hainhofer für den gelehrten Herzog Philipp II. von Pommern". Hirmer Verlag, München 2009. 448 S., ca. 400 Abb., geb., 98,- [Euro].
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»Der Band ist ein Fressen für jeden kunstgeschichtlich Interessierten.«
Augsburger Allgemeine
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