Zwischen 1817 und 1945 gab es in Preußen insgesamt drei Körperschaften mit dem Namen "Preußischer Staatsrat": das 1817 errichtete Beratungsorgan des Königs, das de jure bis 1918 Bestand hatte; das in der Preußischen Verfassung von 1920 zur "Vertretung der Provinzen bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Staates" gebildete Verfassungsorgan, das 1933 förmlich aufgehoben wurde; und das 1933 in dessen institutioneller Nachfolge errichtete Gremium, das offiziell der Beratung des preußischen Staatsministeriums dienen sollte. Im Mittelpunkt dieses Handbuchs steht der Staatsrat in der Weimarer Republik. Als "gewisses Gegengewicht gegen die Allmacht des Landtags" konzipiert - während der Verfassungsberatungen und in den zwölf Jahren seiner Existenz umstritten -, war es vor allem das Preußische Staatsministerium, das dessen Kompetenzen zu beschneiden suchte. Das vorliegende Handbuch will einen Beitrag zur Erforschung des Staatsrats leisten, indem es Materialien zu seiner Zusammensetzung und insbesondere zur Biographik seiner ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder aufbereitet. Mit der Auflösung des Verfassungsorgans im Juli 1933 war die Existenz des Staatsrats "als solche" - so das preußische "Ermächtigungsgesetz" vom 1. Juni 1933 - nicht beendet. In anderer Zusammensetzung und Aufgabenstellung bestand der "neue" Staatsrat weiter. Seine berufenen Mitglieder werden in einem gesonderten Teil biographisch dokumentiert. Die Einführung behandelt die Entstehung des Staatsrats von 1920, seine verfassungsrechtliche Stellung und seine Auflösung 1933 wie auch den Preußischen Staatsrat im "Dritten Reich" und den Staatsratsgedanken nach 1945.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.09.2005Nullen und Potenzen
Biographisches über die Mitglieder des Preußischen Staatsrats
Joachim Lilla (Bearbeiter): Der Preußische Staatsrat 1921-1933. Ein biographisches Handbuch. Mit einer Dokumentation der im "Dritten Reich" berufenen Staatsräte (Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 13). Droste-Verlag, Düsseldorf 2005. 58 und 330 Seiten, 59,80 [Euro].
Der Preußische Staatsrat war ein eigenartiges Gebilde. Seine Errichtung wurde bei den preußischen Verfassungsberatungen 1920 von den Mitte- und Rechtsparteien durchgesetzt (die SPD hielt ihn für überflüssig), um ein "retardierendes Moment" gegenüber dem befürchteten "Parlamentsabsolutismus" zu schaffen und zugleich den preußischen Provinzen eine Mitsprache bei Gesetzgebung und Verwaltung des Staates zu ermöglichen. In das rund achtzig Mitglieder umfassende Gremium entsandten die dreizehn Provinzen entsprechend ihrer Bevölkerungszahl Abgeordnete, die von den Provinziallandtagen nach Verhältniswahl gewählt wurden (die bevölkerungsreichste Rheinprovinz 14). Vor der Einbringung von Gesetzesvorlagen hatte das Staatsministerium dem Staatsrat Gelegenheit zur gutachtlichen Äußerung zu geben. Außerdem besaß der Staatsrat ein Einspruchsrecht gegen vom Landtag beschlossene Gesetze; der Einspruch konnte vom Landtag mit Zweidrittelmehrheit abgewiesen werden. Zwischen 1921 und 1933 legte der Staatsrat zehnmal Einspruch ein, nur einmal setzte er sich damit durch. Schon daraus werden die begrenzten Einwirkungsmöglichkeiten des Staatsrates sichtbar.
Bei der Konstituierung des Staatsrats im Mai 1921 gelang Konrad Adenauer, seit 1917 Oberbürgermeister von Köln und zum Vorsitzenden der Zentrumsfraktion gewählt, ein taktisches Meisterstück. Obwohl das Zentrum nicht die stärkste Fraktion stellte, erreichte er, daß er zum Präsidenten des Staatsrats gewählt wurde. Bis 1933 bestätigte ihn das Gremium alljährlich in diesem Amt, weil die Abgeordneten aus den Parteien der Weimarer Koalition zusammenhielten gegen die stärkste Fraktion, die aus Deutschnationalen und Volkspartei gebildete "Arbeitsgemeinschaft". Übrigens war der Staatsrat ein reiner Männerklub. Nur kurze Zeit (ab Mai 1932) gehörte ihm eine Frau als ordentliches Mitglied an, die kommunistische Lehrerin Overlach (drei weitere Frauen fungierten zeitweilig als "Stellvertreterin").
Von Gegnern des Staatsrats wurde gern ein Diktum des Staatsrechtlers Bornhak zitiert: der Staatsrat bilde eine Futterkrippe für politische Nullen, da politischer Ehrgeiz zum Landtag dränge. Abgesehen davon, daß die Mitgliedschaft im Staatsrat ein nur mit bescheidener Aufwandsentschädigung ausgestattetes Ehrenamt war, wird dieses Urteil dem Profil der Staatsratsmitglieder nicht gerecht. Den Fraktionen gehörten zahlreiche hohe Verwaltungsbeamte, Rechtsanwälte, Richter und Lehrer an. Darüber kann man sich jetzt informieren in dem von Joachim Lilla bearbeiteten biographischen Handbuch, in dem die - oft in mühevoller Recherche eruierten - biographischen Daten präsentiert werden. In der Einleitung geht Lilla auch auf jenen Staatsrat ein, den nach der Machteroberung der Nationalsozialisten der preußische Ministerpräsident Göring anstelle des aufgehobenen Staatsrats der Jahre bis 1933 kreierte. Auch für dessen Mitglieder - neben nationalsozialistischen Funktionären einige Persönlichkeiten des wissenschaftlichen und kulturellen Lebens (Carl Schmitt, Furtwängler, Gründgens, Sauerbruch) - werden biographische Informationen geboten. Dieser Staatsrat von Görings Gnaden tagte zwischen 1933 und 1936 nur siebenmal, danach nicht mehr. Aber bis 1945 bezogen seine Mitglieder eine üppige monatliche Aufwandsentschädigung, sie durften an ihrem Auto eine Dienstflagge anbringen und besaßen einen Titel mit sozialem Prestige. Carl Schmitt zum Beispiel führte bis 1945 mit Stolz den Titel "Preußischer Staatsrat".
EBERHARD KOLB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Biographisches über die Mitglieder des Preußischen Staatsrats
Joachim Lilla (Bearbeiter): Der Preußische Staatsrat 1921-1933. Ein biographisches Handbuch. Mit einer Dokumentation der im "Dritten Reich" berufenen Staatsräte (Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 13). Droste-Verlag, Düsseldorf 2005. 58 und 330 Seiten, 59,80 [Euro].
Der Preußische Staatsrat war ein eigenartiges Gebilde. Seine Errichtung wurde bei den preußischen Verfassungsberatungen 1920 von den Mitte- und Rechtsparteien durchgesetzt (die SPD hielt ihn für überflüssig), um ein "retardierendes Moment" gegenüber dem befürchteten "Parlamentsabsolutismus" zu schaffen und zugleich den preußischen Provinzen eine Mitsprache bei Gesetzgebung und Verwaltung des Staates zu ermöglichen. In das rund achtzig Mitglieder umfassende Gremium entsandten die dreizehn Provinzen entsprechend ihrer Bevölkerungszahl Abgeordnete, die von den Provinziallandtagen nach Verhältniswahl gewählt wurden (die bevölkerungsreichste Rheinprovinz 14). Vor der Einbringung von Gesetzesvorlagen hatte das Staatsministerium dem Staatsrat Gelegenheit zur gutachtlichen Äußerung zu geben. Außerdem besaß der Staatsrat ein Einspruchsrecht gegen vom Landtag beschlossene Gesetze; der Einspruch konnte vom Landtag mit Zweidrittelmehrheit abgewiesen werden. Zwischen 1921 und 1933 legte der Staatsrat zehnmal Einspruch ein, nur einmal setzte er sich damit durch. Schon daraus werden die begrenzten Einwirkungsmöglichkeiten des Staatsrates sichtbar.
Bei der Konstituierung des Staatsrats im Mai 1921 gelang Konrad Adenauer, seit 1917 Oberbürgermeister von Köln und zum Vorsitzenden der Zentrumsfraktion gewählt, ein taktisches Meisterstück. Obwohl das Zentrum nicht die stärkste Fraktion stellte, erreichte er, daß er zum Präsidenten des Staatsrats gewählt wurde. Bis 1933 bestätigte ihn das Gremium alljährlich in diesem Amt, weil die Abgeordneten aus den Parteien der Weimarer Koalition zusammenhielten gegen die stärkste Fraktion, die aus Deutschnationalen und Volkspartei gebildete "Arbeitsgemeinschaft". Übrigens war der Staatsrat ein reiner Männerklub. Nur kurze Zeit (ab Mai 1932) gehörte ihm eine Frau als ordentliches Mitglied an, die kommunistische Lehrerin Overlach (drei weitere Frauen fungierten zeitweilig als "Stellvertreterin").
Von Gegnern des Staatsrats wurde gern ein Diktum des Staatsrechtlers Bornhak zitiert: der Staatsrat bilde eine Futterkrippe für politische Nullen, da politischer Ehrgeiz zum Landtag dränge. Abgesehen davon, daß die Mitgliedschaft im Staatsrat ein nur mit bescheidener Aufwandsentschädigung ausgestattetes Ehrenamt war, wird dieses Urteil dem Profil der Staatsratsmitglieder nicht gerecht. Den Fraktionen gehörten zahlreiche hohe Verwaltungsbeamte, Rechtsanwälte, Richter und Lehrer an. Darüber kann man sich jetzt informieren in dem von Joachim Lilla bearbeiteten biographischen Handbuch, in dem die - oft in mühevoller Recherche eruierten - biographischen Daten präsentiert werden. In der Einleitung geht Lilla auch auf jenen Staatsrat ein, den nach der Machteroberung der Nationalsozialisten der preußische Ministerpräsident Göring anstelle des aufgehobenen Staatsrats der Jahre bis 1933 kreierte. Auch für dessen Mitglieder - neben nationalsozialistischen Funktionären einige Persönlichkeiten des wissenschaftlichen und kulturellen Lebens (Carl Schmitt, Furtwängler, Gründgens, Sauerbruch) - werden biographische Informationen geboten. Dieser Staatsrat von Görings Gnaden tagte zwischen 1933 und 1936 nur siebenmal, danach nicht mehr. Aber bis 1945 bezogen seine Mitglieder eine üppige monatliche Aufwandsentschädigung, sie durften an ihrem Auto eine Dienstflagge anbringen und besaßen einen Titel mit sozialem Prestige. Carl Schmitt zum Beispiel führte bis 1945 mit Stolz den Titel "Preußischer Staatsrat".
EBERHARD KOLB
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Was haben Carl Schmitt, Gustaf Gründgens und Konrad Adenauer gemeinsam? Sie waren preußische Staatsräte mit Aufwandsentschädigung, verrät Rezensent Eberhard Kolb, Adenauer allerdings vor 1933 und die beiden anderen anschließend unter Görings Fittichen und mit satterem Salär. Und was war so ein "Preußischer Staatsrat"? Ein politisch unbedeutendes Mitglied in einem reinen Männerclub, lautet Kolbs Antwort. Der Bearbeiter Joachim Lilla habe die biografischen Daten der preußischen Staatsräte von 1921 bis 1933 in "oft mühevoller Recherche" zusammengetragen, und seine Einleitung gebe zudem einen Überblick über die Mitglieder und "Persönlichkeiten" nach 1933. Der preußische Staatsrat, referiert Kolb genauer, sei als ausgleichendes Element gegenüber zuviel Demokratie im Parlament von den Mitte- und Rechtsparteien "durchgesetzt" worden. Er hatte ein Vetorecht gegenüber vom preußischen Landtag beschlossenen Gesetzen, das er bei zehn Versuchen jedoch nur ein Mal durchsetzen konnte. Nach 1933, so der Rezensent, habe der neu zusammengesetzte Staatsrat ohne Konrad Adenauer nur noch sieben Mal bis 1936 getagt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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