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Der Principale, wie man ihn allgemein in Anspielung auf seine italienischen Sitten und Unsitten nennt, erlebt den ersten Geburtstag seit langem ohne Öffentlichkeit: Er ist über eine Affäre gestolpert und wurde gestürzt. Ein Mann, der viel Einfluß hatte und nur aus Machenschaften bestand, entdeckt nach dem Karriereknick, daß er Frau und Tochter hat und einen achtzehnjährigen Enkel, den er jetzt kennenlernt. Gemeinsam mit dem Enkel fährt er im Boot auf den größten italienischen See hinaus ein idyllisch beginnender Ausflug mit dramatischem Höhepunkt. Der Junge filmt den Mann, nach dem ganze…mehr

Produktbeschreibung
Der Principale, wie man ihn allgemein in Anspielung auf seine italienischen Sitten und Unsitten nennt, erlebt den ersten Geburtstag seit langem ohne Öffentlichkeit: Er ist über eine Affäre gestolpert und wurde gestürzt. Ein Mann, der viel Einfluß hatte und nur aus Machenschaften bestand, entdeckt nach dem Karriereknick, daß er Frau und Tochter hat und einen achtzehnjährigen Enkel, den er jetzt kennenlernt. Gemeinsam mit dem Enkel fährt er im Boot auf den größten italienischen See hinaus ein idyllisch beginnender Ausflug mit dramatischem Höhepunkt. Der Junge filmt den Mann, nach dem ganze Gesetze benannt sind, er braucht eine Talentprobe, denn er will später Filme machen. Der Prinzipal, kameragewohnt, läßt seiner Verbitterung freien Lauf, bis er mitten auf dem See schwimmen geht. Der allein gelassene Enkel beobachtet in der Ferne den Sturz einer Kitesurferin aufs Wasser; mit dem Boot eilt er dem Mädchen zu Hilfe. Er holt die Bewußtlose an Bord, eine verletzte Schönheit, bis etwas geschieht, das allen Selbstschutz aufbricht. Doch der vom Schwimmen zurückgekehrte Prinzipal bereinigt die Situation mit kaltblütiger Routine.
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Autorenporträt
Bodo Kirchhoff lebt in Frankfurt am Main und am Gardasee. In der Frankfurter Verlagsanstalt erschienen u.a. seine Romane "Infanta", "Parlando", "Schundroman", "Wo das Meer beginnt", "Die kleine Garbo" und ein Band mit gesammelten Erzählungen "Der Sommer nach dem Jahrhundertsommer".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2007

Pack das alles in einen Roman
Er und ich: Bodo Kirchhoff versenkt eine Freundschaft im See / Von Andreas Kilb

Warum hat es Bodo Kirchhoff nie zur literarischen Respektsperson wie Botho Strauß oder zur Stimme seiner Generation gebracht? Die Antwort steht in seinen Büchern: Er interessiert sich zu sehr für sich selbst.

Zwei Bücher von Bodo Kirchhoff sind in diesem Jahr erschienen. Das eine nennt sich Roman und ist ein Tagebuch; das andere tritt als Novelle auf und ist eine Erzählung. Man kann dieses Reden über Gattungsnamen für pfennigfuchserisch halten. Aber es rührt an den Kern von Kirchhoffs Schriftstellerei. Denn dieser Autor, einer der begabtesten und ehrgeizigsten seiner Generation, setzt nicht nur sich selbst, sondern auch seine Leser unter Druck. Wir sollen den Anspruch, mit dem er auftritt, nicht übersehen, wir sollen wissen, dass er in großen Formen denkt. Erzählungen schreibt jeder; der Könner verfasst Novellen. Und ist nicht jede Art von Lebensbericht auch ein Roman? Zum Klimmzug gehört, dass der, der ihn macht, in Gedanken schon den Kopf über der Stange hat, noch bevor er oben ist. So ist auch Kirchhoff seinem Schreiben immer ein Stück voraus.

Im August 2005 ist an einem See nahe Berlin der Neurologe und ehemalige Oberarzt Michael P. gestorben. Die Welt hat von diesem Tod nichts erfahren, denn P. war ein Mensch, "dem es letztlich nur ums Scheitern ging", ein Mann ohne Werk. Aber er war Kirchhoffs ältester Freund. "Eros und Asche", das Buch, das der Schriftsteller dem Toten gewidmet hat, beginnt mit der ersten Begegnung der beiden, in einem Internat am Bodensee: Ein Fünfzehn- und ein Vierzehnjähriger treffen einander am offenen Fenster des Schulheims, der Ältere bietet dem Jüngeren eine Zigarette an, holt sein Tonbandgerät heraus, spielt ein italienisches Lied ("Bella ciao"), und die Freundschaft ist geschlossen. Man möchte tief eintauchen in diese Welt der sechziger Jahre, der Schule, der Pubertät, aber da hält Kirchhoff das Erinnerungsband wieder an und erzählt von etwas anderem: davon, wie er, der Schriftsteller, nach einer Netzhautoperation aus dem Krankenhaus kommt, vom Licht gequält, unfähig zum Schreiben; und wie er sich dennoch hinsetzt, mit einer Sonnenbrille vor den schmerzenden Augen, um den letzten Wunsch seines Freundes zu erfüllen: "Pack unsere Dinge in einen Roman."

"Eros und Asche" ist die Verweigerung dieses Wunsches. Der Roman, den der sterbenskranke Freund sich vorgestellt haben mag, hätte von zwei Jungen im Internat handeln können, vom gemeinsamen Durchschwimmen des Bodensees, von Reisen nach Rom, Ravello und Portugal, vom Besteigen eines Berggipfels auf Teneriffa, von zu zweit bestandenen Liebes- und Leseabenteuern, von Erfolg und Misserfolg und von den Schmerzen, die es kostet, von der Jugend und voneinander Abschied zu nehmen, erst nur vorläufig und dann, irgendwann, für immer. Das Buch aber, das Bodo Kirchhoff geschrieben hat, handelt, obwohl es alle diese Dinge zur Sprache bringt, vor allem von Bodo Kirchhoff.

Es schildert seine Reisen nach Warschau, wo er ein Schreibseminar gibt und eine Buchmesse besucht, nach Lissabon, wo er im Goethe-Institut liest, und nach Venedig, wo er mit seiner Frau an der Geburtstagsfeier eines Konzertveranstalters teilnimmt. Es breitet die Meinungen des Autors Bodo K. über seine Zeitgenossen aus, etwa über Peter Handke, der sich "dem allgemeinen Schwund des Geistigen" rechtzeitig entzogen habe, oder die Schauspielerin B. alias Senta Berger, die ihm als "eine schöne, aufmerksame Frau" erscheint. Und es erzählt von Abenden am See, der weder der Bodensee der Schülerzeit noch der brandenburgische Sterbesee des Freundes ist, sondern der Gardasee des Ferienhausbesitzers und Schreibkursleiters Kirchhoff. Man redet und speist. Ein "Freundschaftsroman", wie der Verlag behauptet, ist das nicht, eher die Romanze eines Hinterbliebenen mit sich selbst.

Dennoch kann man diesem Buch nicht böse sein. Dafür geht es zu offen mit seinen Fehlern, seinen eklatanten Schwächen um. Sein Autor will sich ganz in Trauer und Gedenken verausgaben, doch es gelingt ihm nicht, und in diesem Misslingen liegt das Gelungene seines Berichts. Der tote Freund lässt sich in keinen Roman verpacken, dazu ist die Erinnerung an ihn einerseits zu bruchstückhaft und andererseits zu nah; deshalb vermischt er sich mit allem anderen, was ein deutsches Schriftstellerleben ausmacht, mit der Freude über den Scheck der Verwertungsgesellschaft Wort, dem Gram über die abgesetzte Literatursendung, der Expertise zum WM-Endspiel, dass da "zweitausend Jahre Kulturgeschichte" in Gestalt italienischer Fußballspieler gegen die deutsche Mannschaft anstürmten. Fast verzweifelt müht sich Kirchhoff, die Momente seines Alltags mit den Momentaufnahmen seines Gedächtnisses kurzzuschließen: Beim Flug nach Polen etwa denkt er an die Fotos der masurischen Seen, die der Freund aufgenommen hatte, und bei der Erwähnung Senta Bergers an eine erste Jugendliebe, eine "hochbegabte spätere Journalistin". Aber sofort fällt dem Autor wieder etwas Eigenes ein. Selbst als er bei der früheren Lebensgefährtin des Freundes in Berlin übernachtet, prüft er zuerst seine erotischen Reflexe ("Will der Besucher etwas von der Besuchten?"), bevor er sich nach den Umständen von P.s Tod erkundigt.

Als Dokument der Unfähigkeit, über den eigenen Alltag hinweg- und in die Kindheit zurückzuspringen, ist "Eros und Asche" ein Triumph, als "Freundschaftsroman" ist es ein Häuflein Asche. Die Wahrheit über diesen Freundesbund lautet, dass man, als die Internatszeit vorbei war, allmählich auf Abstand ging, dass der Schriftsteller keine Zeit, der Neurologe wenig Neigung zu Besuchen hatte. Der Gesprächsfaden riss ab, und das Buch kann ihn nicht wieder knüpfen. Anders als der eine Generation ältere Ludwig Harig mit "Kalahari" (F.A.Z. vom 21. März) hat Bodo Kirchhoff kein Requiem einer Freundschaft geschrieben, sondern ein Tagebuch der Sehnsucht danach. Wo Harigs Buch ruhig leuchtet, flackert "Eros und Asche" wie eine Fackel im Wind. Erhellend ist es trotzdem.

Das Buch berichtet aber auch von der Entstehung eines anderen. Während er noch seine Gedanken über Michael P. sammelt, beginnt Kirchhoff schon mit der Novelle "Der Prinzipal", die im vergangenen Frühling, ein halbes Jahr vor "Eros und Asche", erschienen ist. Ein Zweipersonendrama: Großvater und Enkel auf einem Boot im Gardasee, an einem Septembernachmittag. Ein Spätsommerstück. Ein Impromptu. Es ist die Geschichte einer fehlgeschlagenen Umarmung zwischen den Generationen. Der Jubilar, ein Mann, der ersichtlich (wenn auch im Detail verfremdet) dem einstigen VW-Vorstand und Kanzlerberater Peter Hartz nachgebildet ist, versucht sich bei seinem Enkel beliebt zu machen, indem er ihm auf seiner Motorjacht die Bilanz seines Lebens vorführt: seine Erfolge, seine Affären, seine Weisheiten, seinen Geschmack. Er knabbert Pecorino, schwadroniert über Thyssen und Hölderlin und schwitzt Bonmots aus wie jenes über die Vernunft, die das einzige Weibliche sei, dem man trauen könne. Aber der Enkel hat gar kein Interesse daran, sich einwickeln zu lassen. Er will nur die Mini-Disc in seinem Camcorder füllen, er möchte die Bootstour in einen Film verwandeln, eine Fingerübung für sein Regiestudium oder ein Geburtstagsvideo fürs Familienarchiv. Mit seinen Augen, durch das Auge seiner Kamera sehen wir, was geschieht.

Als Vigo, der Enkel, eine verunglückte Drachenfliegerin ins Boot zieht, während der Großvater seine Schwimmrunden dreht, gebiert die Geschichte beinahe jene unerhörte Begebenheit, die der Wesenszug jeder Novelle ist. Aber das Unerhörte darf nicht stattfinden, es brächte Unordnung in die tote Welt des Prinzipals, und so wird die Verunglückte auf einem Felsen-Eiland ausgesetzt und das schlechte Gewissen in Champagner ertränkt. Der Prinzipal scheint zu triumphieren, doch am Ende steht er allein da, im Stich gelassen von der Familie, eine weinende Gestalt in einem Digitalvideo, dessen Regie ihm entglitten ist.

Wer wissen will, warum der ehrgeizige, erfolgreiche, manchmal brillante ("Parlando"), manchmal verwegene ("Schundroman") Kirchhoff es weder zur literarischen Respektsperson wie Botho Strauß noch zur Stimme seiner Generation wie in Amerika Richard Ford gebracht hat, muss diese perfekt gebaute Erzählung lesen. So sehr man ihre geschmeidige, gelegentlich zu Aphorismen erstarrende Sprache und ihr kühles Formbewusstsein bewundern muss, so deutlich spürt man, dass hier keine lebendigen Personen aufeinandertreffen, sondern Schreibideen, Kopfgeburten. Nicht zufällig gilt Kirchhoff als ebenso begabter Drehbuch- wie Prosaautor; manche halten das Skript zu Romuald Karmakars Film "Manila" für sein bedeutendstes Werk. Auch "Der Prinzipal" schreit förmlich nach Bebilderung; nicht, weil die Geschichte so reich an prallem Leben wäre, sondern, weil sie das Visuelle braucht, um ihre Blöße zu bedecken. Auf einer Leinwand fiele das Ferngesteuerte der Figuren weniger ins Auge. Und auch das Boot, eine Colombo mit 480-PS-Zwillingskompressor, hätte einen luxuriöseren Auftritt.

Übrigens kommt auch Kirchhoffs verstorbener Schulfreund im "Prinzipal" wieder vor. Hier heißt er Roedel und dient zur Beglaubigung alter Internatsanekdoten. Das ist schade, denn nach "Eros und Asche" hätten wir dem Toten die Ehre der Nichterwähnung gegönnt. Aber in der Literatur ist eben alles Material. Jedenfalls bei Bodo Kirchhoff, dem Prinzipal der eigenen Biographie.

Bodo Kirchhoff: "Eros und Asche". Ein Freundschaftsroman. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2007. 280 S., 19,90 [Euro].

Bodo Kirchhoff: "Der Prinzipal." Novelle. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2007. 121 S., 15,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Christoph Schröder schildert seine Eindrücke zu Bodo Kirchhoffs Buch von der "an Peter Hartz angelehnten" Figur her. Das Bild des Autokraten, das Kirchhoff entwickelt, erscheint ihm dabei wenig überraschend, die "Banalitäten" aus dessen Mund wirken auf ihn derart "selbstgerecht" und "schwitzig", dass er inständig hofft, es handele sich um eine "Vorführung". So weit, so unspektakulär. Wenn Kirchhoff schließlich "doch noch" der Novellenform gerecht wird, indem er eine Frau buchstäblich vom Himmel ins Geschehen fallen und dieses sich wenden lässt, ist der Rezensent sehr erleichtert.

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