Nachdem im Jahre 1968 der Tod der Literatur verkündet worden war, dauerte es kein halbes Jahrzehnt, dass die Totgesagte neu erblühte. Die Repräsentanten der zerbrochenen «Gruppe 47» versahen zwar noch immer ihr Amt als 'Gewissen der Nation', doch im Schatten ihrer Wortgewalt begann sich - weit weniger anspruchsbeladen - etwas Neues, Frisches zu regen: eine Erzählliteratur, die erst einmal hinschaute, bevor sie einordnete, die sich verwunderte, ohne gleich Bescheid zu wissen. Das war vielleicht weniger öffentlichkeitswirksam als die Verlautbarungen der alten Nilpferde, befreite aber umso mehr.…mehr
Nachdem im Jahre 1968 der Tod der Literatur verkündet worden war, dauerte es kein halbes Jahrzehnt, dass die Totgesagte neu erblühte. Die Repräsentanten der zerbrochenen «Gruppe 47» versahen zwar noch immer ihr Amt als 'Gewissen der Nation', doch im Schatten ihrer Wortgewalt begann sich - weit weniger anspruchsbeladen - etwas Neues, Frisches zu regen: eine Erzählliteratur, die erst einmal hinschaute, bevor sie einordnete, die sich verwunderte, ohne gleich Bescheid zu wissen. Das war vielleicht weniger öffentlichkeitswirksam als die Verlautbarungen der alten Nilpferde, befreite aber umso mehr. Zu dieser neuen Generation zählte der 1944 geborene Hugo Dittberner, dessen erste Erzählungen 1973 erschienen. Sie hatten den Charme des «underground», denn sie waren zu Beginn mit der Maschine auf Wachsmatrizen getippt und mit der Hand in wenigen Exemplaren vervielfältigt: Es ging um studentische Abenteuer in einer Universitätsstadt, um Musik, um Filme - und natürlich um Mädchen. Ach, wie frei man doch damals war! Die Agenten des für tot erklärten Literaturbetriebs besassen noch immer einen feinen Riecher und spürten sofort: Dieser Dittberner war ein Talent. Kaum hatte die Zeitschrift «Akzente» eine seiner Erzählungen gedruckt, war auch schon der renommierte Luchterhand Verlag zur Stelle und brachte Dittberners ersten Roman «Das Internat» (1974), gefolgt von der Erzählung «Kurzurlaub» (1976). Die Kritik befand erstaunt: ein neuer Ton! Dieser junge Autor entrollte seine Geschichten mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, als kümmere ihn keinen Deut, wie der akademische Diskurs sich über die Unmöglichkeit des Erzählens das Hirn zermarterte. Kaum hatte man ein, zwei Seiten von ihm gelesen, war man 'drin' in seinem Kosmos und begegnete Leuten, die keine Figuren aus Papier waren, sondern Menschen, die man bald zu kennen glaubte. Nun feiert Dittberner seinen 80. Geburtstag, und wir wollen bekennen, dass wir weiterhin mit besonderer Vorliebe zu seinen Büchern greifen - vor allem zu seinen Erzählungen. Eine Auswahl von ihnen versammelt der Band «Der Professor im Keller», dessen Titelerzählung eine Metamorphose schildert, wie man sie sich nur wünschen kann - weg vom präzeptoralen Gebaren und hin zum Einklang mit dem Leben hier und jetzt.
Hugo Dittberner, geb. 1944 in Gieboldehausen, studierte in Göttingen und promovierte über Heinrich Mann. Seit 1973 publizierte er kontinuierlich Erzählungen und Gedichte; 1974 erschien sein erster Roman 'Das Internat', 1976 gefolgt von 'Kurzurlaub. Eine Reiseerzählung' (beide Luchterhand). 1978 wechselte er zum Rowohlt Verlag, der den Roman 'Jacobs Sieg' (1979), die Erzählungssammlungen 'Draussen im Dorf' (1978), 'Die gebratenen Tauben' (1981), 'Wie man Provinzen erobert' (1986) sowie den Gedichtband 'Ruhe hinter Gardinen' (1980) herausbrachte. Frühe Erzählungen sammelte der Band 'Drei Tage Unordnung' (Pendragon 1983). Dittberner gehörte zur Redaktion von 'Text + Kritik' und schrieb regelmässig Kritiken und Essays für die 'Frankfurter Rundschau'. Eine Auswahl dieser Texte ging in die Bände 'Über Wohltäter' (Haffmanns, 1992), 'Versuch zu rühmen' (WBG, 1999) und 'Atem holen' (Wunderhorn, 2006) ein. Als weitere Romane erschienen 'Geschichte einiger Leser' (Haffmanns, 1990) und 'Wolken und Vögel und Menschentränen' (1995) sowie 'Das Seevokabularium' (2010, beide Wallstein). Von Dittberners lyrischem Schaffen zeugen u.a. 'Der Biss ins Gras' (Palmenpresse 1976), 'Der Tisch unter den Wolken' (Herodot 1986), 'Die Wörter der Wind' (Eric de Wal, 1988), 'Das letzte fliegende Weiss' (Palmenpresse, 1994) und 'Morgenübungen' (Lyrikedition 2000). Hugo Dittberner wurde mit dem Villa Massimo-Stipendium sowie zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 2005 erhielt er das Verdienstkreuz des Niedersächsischen Verdienstordens. Er lebt in Echte.
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