Schräge Liebesgeschichte über jüdische Identität
Paris, Anfang der 1990er Jahre: Saul Weissmann, 70, Holocaustopfer und Überlebender, nun im Rentenalter, begibt sich auf Freiersfüßen mit seiner Angebeteten, der nicht ganz so anbetungswürdigen Simone, zum zuständigen Rabbi, um sich trauen zu
lassen. Leider fehlen Saul die richtigen Papiere, der Rabbi zweifelt an seiner Mutter, ob diese Jüdin…mehrSchräge Liebesgeschichte über jüdische Identität
Paris, Anfang der 1990er Jahre: Saul Weissmann, 70, Holocaustopfer und Überlebender, nun im Rentenalter, begibt sich auf Freiersfüßen mit seiner Angebeteten, der nicht ganz so anbetungswürdigen Simone, zum zuständigen Rabbi, um sich trauen zu lassen. Leider fehlen Saul die richtigen Papiere, der Rabbi zweifelt an seiner Mutter, ob diese Jüdin war. Da Saul beim besten Willen nicht beweisen kann, eine jüdische Mutter zu haben, müssen die beiden unverrichteter Dinge von Dannen ziehen. Für Saul steht die Welt Kopf, Simone verlässt ihn ohne Zögern. In seinem Inneren tobt der Glaubenskrieg, er versucht vehement, seinen inneren Juden auszutreiben wie den Teufel, es gelingt nicht so richtig.
Ich erinnerte mich beim Lesen des Buches an den Schriftsteller Max Czollek, der sich als Jude bezeichnete, aber „nur ein Vater-Jude“ ist, wie sehr die Wogen von Abneigung, Unverständnis und religiösem Eifer über ihm zusammenschlugen.
Wer sich noch nie mit jüdischer Religion und Lehre befasst hat, wird solche Diskussionen kaum nachvollziehen können. Heutzutage schaut man auf die „Abstammungslehre“ und die „Ahnentafeln“ der Nazis mit Unverständnis und Abscheu, weil sie die Juden zwangen, selbst klarzustellen, ob sie als sog. Volljuden, Geltungsjuden, Mischlinge, Halbjuden galten. Die Minderheitenvolkszählung 1938 brachte den Nazis Gewissheit. Der Gelbe Stern war später das Todesurteil, die Abstammung entschied.
Die jüdische Lehre ist in Bezug auf die Abstammung unnachgiebig. Karine Tuil hat in ihrem kleinen Roman das Thema trotz dieser Hintergründe herrlich unverfroren und ironisch auf die Schippe genommen. Manches war mir persönlich etwas zu direkt, Sauls Monologe und Gedankengänge manchmal etwas in die Länge gezogen.
Mit rund 150 Seiten ist "Der Rabbi und die Braut" kein dicker Denker-Wälzer, sondern ein kleines Stück meisterlicher Literatur, das man bequem unter den Arm klemmen oder in die Jackentasche stecken kann. Mir hat das Lesen richtigen Spaß gemacht, und wenn am Ende Saul mit dann schon 71 Jahren frohgemut dem Kommenden entgegenschaut, übernehme ich gerne seinen Optimismus. Ralf Pannowitsch hat das Buch ganz wunderbar ins Deutsche übersetzt.
Mein Fazit: Ein freches und ironischen Buch über einen Juden, der plötzlich an seiner Identität verzweifelt. Lesenswerte Leidens- und Liebesgeschichte. Eine klare Leseempfehlung!
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