Suche nach Verlorenem
Marcus Hladek ist mit „Der Ratschlag. Eine Mystifikation“ ein außergewöhnlicher, vielschichtiger und abwechslungsreicher Debütroman gelungen.
Der freiberufliche Theaterkritiker Markus (das Alter Ego des Autors?) begegnet auf der Beerdigung seines Vaters einer ihm bis dahin
unbekannten niederländischen älteren Frau, die ihn drängt, unbedingt Kontakt zu ihr aufzunehmen. Sie…mehrSuche nach Verlorenem
Marcus Hladek ist mit „Der Ratschlag. Eine Mystifikation“ ein außergewöhnlicher, vielschichtiger und abwechslungsreicher Debütroman gelungen.
Der freiberufliche Theaterkritiker Markus (das Alter Ego des Autors?) begegnet auf der Beerdigung seines Vaters einer ihm bis dahin unbekannten niederländischen älteren Frau, die ihn drängt, unbedingt Kontakt zu ihr aufzunehmen. Sie sei in Besitz wichtiger Informationen bezüglich seines Vaters Ivo, der als junger Mann seine Ausbildung zum Priester abbrechen musste. Markus beschließt mit Unterstützung seiner Geschwister, einem alten Familiengeheimnis auf die Spur zu kommen. Diese Suche führt ihn über Rotterdam, nach Barcelona und schließlich nach Rom. Zur gleichen Zeit geschehen in Rom unglaubliche Dinge: Rund um den Tiber kommt es zu nie dagewesenen Naturphänomenen, vielerorts tauchen etruskische Inschriften auf, die den Experten Rätsel aufgeben und es kommt zu regelrechten Massenhysterien. Viele Geistliche befinden sich im Anflug auf Rom und auch für die katholische Kirche stehen Veränderungen an, die die Welt nachhaltig verändern werden. Hauptprotagonist Markus befindet sich in einer schwierigen Lebensphase: Der Tod seines Vaters belastet ihn sehr, seine Beziehung geht in die Brüche, Markus fällt in ein tiefes Loch. Er befindet sich mitten in einer Krise, hadert mit seinem Beruf, seinen Lebensentscheidungen, seiner nie fertig gestellten Dissertation und dem Verlust von Liebe und Glück. Immer wieder kommt es dadurch zu sehr anstrengenden und fordernden Textpassagen, die für mich fast die Grenze des Zumutbaren überschritten. Wenn er z.B. seine literarische Sammlung über Suizide präsentiert, sich regelrecht in Themen hineinsteigert, fiebernd durch Rom läuft und kein Ende zu finden scheint. Letztendlich gelang es dem Autor aber immer wieder Markus und damit auch mich als Leserin aus diesen Zuständen durch einen geschickten Aufbau, eine unvorhergesehene Wendung, den Kommentar eines anderen Protagonisten oder einem Anflug kritischer Selbstreflexion zu befreien. Ich habe mich über Markus aufgeregt, fand ihn zwischenzeitlich unerträglich, hatte Mitgefühl, habe mich um ihn gesorgt und mich über schöne und glückliche Erlebnisse gefreut. Immer war er authentisch und glaubwürdig, ebenso die zahlreichen Nebenfiguren, die den Roman durch ihre individuellen Persönlichkeiten sehr bereichert haben. Die Kapitel sind sehr unterschiedlich, mal mysteriös und surreal, mal durch ausladende philosophische Gespräche gekennzeichnet. Gedichte finden ebenso einen Platz wie zahlreiche Kritiken zu Aufführungen, die der Protagonist von berufs wegen verfasst. Zahlreiche Zitate aus der klassischen Weltliteratur stehen den Kapiteln voran; insgesamt zeichnet sich der Text durch eine Fülle an Verweisen auf Literatur, Kunst, Kirchengeschichte, Mythologie, Architektur und Politik aus. Neben temporeichen, sehr komplexen Passagen gibt es ruhige, lustige, surreale und spannende Szenen sowie Naturbeschreibungen und Anekdoten, die dem Roman eine erzählerische Substanz verleihen und mir als starke Bilder im Gedächtnis geblieben sind.
„Der Ratschlag“ ist in vielerlei Hinsicht ein fordernder Roman, der Konzentration und auch ein gewisses Durchhaltevermögen verlangt. Die Vielschichtigkeit und Vielseitigkeit hat mich nachhaltig beeindruckt und ich bin mir sicher, dass ich dieses Buch noch einmal lesen werde.