John Bolton diente 519 Tage als Sicherheitsberater unter Donald Trump, zumeist »in dem Raum, in dem alles geschah«. Mit beinahe täglichen Treffen zählte er zu den engsten Vertrauten des US-Präsidenten. Doch was er da sah, überraschte ihn. Er musste erfahren, dass es Trump gar nicht um das Wohl der Nation geht, sondern immer nur um Selbstinszenierung und darum, mit allen Mitteln wiedergewählt zu werden. In seinem Buch berichtet Bolton aus erster Hand über Trumps Verfehlungen, seine rechtswidrigen Aussagen und Handlungen. Der ehemalige Nationale Sicherheitsberater des Präsidenten verfügt über exklusives Detailwissen und Insiderinformationen bezüglich der Machenschaften des mächtigsten Mannes der Welt. So beantwortet Bolton die Frage, inwieweit Trump manipulativ auf die Regierung von Kanzlerin Merkel einwirkt, und deckt zahlreiche streng geheime Informationen über Trumps Verwicklung in unzulässige Ermittlungen des Justizministeriums auf. Er verrät pikanteste Details aus dessen Verbindungen in die Unruheherde der Welt, beispielsweise Russland, Nordkorea und Syrien, und äußert sich detailliert zur Ukraine-Affäre. Er zeigt, wie Trump mit Hilfe des ukrainischen Präsidenten seine Gegner zu denunzieren versuchte.Bolton enthüllt Trumps erschreckende Inkompetenz in außenpolitischen und Verfassungsfragen: Der Präsident bietet Diktatoren seine persönlichen Dienste an, lobt die chinesischen Internierungslager und überlegt laut, mehr als zwei Wahlperioden zu regieren. Er weiß nicht, dass Großbritannien über Atomwaffen verfügt und dass Finnland nicht zu Russland gehört. Ja, er überlegt, aus der NATO auszusteigen und in Venezuela einzumarschieren.Diese Dokumentation aus dem innersten Kreis der Macht rechtfertigt ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump - weshalb das Weiße Haus seine Veröffentlichung mit allen Mitteln zu verhindern suchte.
In „Der Raum, in dem alles geschah“ beschreibt John Bolton den US-Präsidenten Donald Trump als einen machthungrigen Mann, für den nur eines zählt: wiedergewählt zu werden. Selbst, wenn dieser vermeintliche Triumph zu Lasten seines eigenen Landes geht.
Der Raum, in dem alles geschah, John Bolton
„Der Raum, in dem alles geschah“ enthüllt Informationen über den 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Boltons hochinteressanter Blick hinter die Kulissen liefert einen chronologischen und detaillierten Bericht über Trumps außenpolitische Entscheidungen der vergangenen Jahre aus Sicht eines Insiders. Es ist kein Geheimnis, dass Donald Trump sich nicht davor scheut, öffentlich zu provozieren. Was Bolton hier jedoch ans Licht bringt, schockiert zusätzlich.Mit der Begründung, dass Boltons Buch die nationale Sicherheit gefährde, hatte Donald Trump sich dafür eingesetzt, die Veröffentlichung zu verhindern, jedoch ohne Erfolg. Die englischsprachige Originalversion „The Room Where It Happened“ erschien im Juni 2020.
Wer ist John Bolton?
Trotz seines unauffälligen Namens ist John Bolton nicht irgendwer. Als ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten ist Bolton dem US-Präsidenten sehr nahegekommen. Fast eineinhalb Jahre hatte er 2018 und 2019 für Donald Trump gearbeitet. Bolton selbst gilt als Falke, als Vertreter einer aggressiven militärischen Außenpolitik. Über seine Dienste für Trump hinaus ist er sehr erfahren in der Zusammenarbeit mit amerikanischen Präsidenten: In den vergangenen Jahrzehnten war er bereits für Trumps Vorgänger Ronald Reagan, George Bush und George W. Bush tätig.Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Oliver Kühn scheint Gefallen zu finden am Buch des ehemaligen Sicherheitsberaters der Trump-Regierung, John Bolton. Auch wenn der Autor oft abschweift, jede Menge Bekanntes zum Besten gibt und selbst offenbar nicht frei ist von dem Hochmut und dem Opportunismus, die er seinem Ex-Boss Trump vorwirft, meint Kühn, macht Bolton mit seinem Erfahrungsbericht aus dem inneren Zirkle der Macht die Trump-Präsidentschaft besser verständlich. Unter anderem werden die Bruchlinien zwischen den beiden Männern, die schließlich zur Entzweiung führten, gut erkennbar, meint Kühn.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.08.2020Mittendrin - und bitter enttäuscht
Die Abrechnung John Boltons mit dem Regierungsstil von Donald Trump
Siebzehn Monate lang war John Bolton der 27. Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten von Amerika. Vom 9. April 2018 bis zum 10. September des folgenden Jahres erlebte er in dieser Funktion, wie in Donald Trumps Regierung Entscheidungen getroffen werden, sah, wie chaotisch und planlos der Präsident oft vorging. Doch siebzehn Monate lang war Bolton auch daran beteiligt, diese Entscheidungen zu treffen, bereitete Vorlagen für den Präsidenten vor und versuchte ihn in eine bestimmte Richtung zu lenken. Eineinhalb Jahre war Bolton im "Raum, in dem alles geschah". Unter diesem Titel hat Bolton nun auf fast 600 Seiten seinen Bericht über diese Zeit vorgelegt. Es ist eine Abrechnung mit dem mächtigsten Mann der Welt.
Es ist aber auch die Geschichte einer Desillusionierung. Anfangs begrüßte Bolton den Wahlsieg des republikanischen Kandidaten über Hillary Clinton. Für den 71 Jahre alten Bolton wäre eine Quasi-Fortführung der Obama-Regierung - eine Zeit, die er eher erlitten als erlebt hat - wohl nur schwer zu ertragen gewesen. Für dessen Außenpolitik hat Bolton nur Verachtung übrig. Sowohl das "elende Atomabkommen" mit Iran als auch das Pariser Klimaabkommen sieht er als schädlich für Amerikas Interessen an. Und Obamas New-Start-Abkommen sei "eine Katastrophe". Damit liegt er vollkommen auf der Linie des Präsidenten.
Bolton diente der neuen Administration nach Trumps Wahlsieg im November 2016 seine Dienste als Außenminister an. Als früherer stellvertretender Außenminister und Botschafter bei den Vereinten Nationen hätte das durchaus im Bereich des Möglichen gelegen, doch die Entscheidung fiel gegen ihn. Auch wenn er sich nicht habe anbiedern wollen, wie er schreibt, blieb er doch im Dunstkreis der Regierung. Immer wieder ließ er dieser seinen Rat zukommen - mal auf Twitter, mal im Fernsehsender Fox News -, traf sich mit Trump und dessen Beratern, um seine außen- und sicherheitspolitischen Ansichten weiterzugeben. Als sich Trump mit dem damaligen Amtsinhaber H. R. McMaster überwarf, schlug Boltons Stunde. Im April 2018 wurde er Trumps dritter Sicherheitsberater.
Bolton beschreibt, dass er Trump nun seine eigenen Ziele angepriesen, der aber immer wieder nicht auf ihn gehört habe. Amerika müsse auf iranische Angriffe im Persischen Golf und Abschüsse amerikanischer Drohnen "unverhältnismäßig" antworten, um das Abschreckungspotential aufrechtzuerhalten, habe er dem Präsidenten geraten. Trump habe einen geplanten Angriff jedoch kurz vor der Durchführung abgesagt.
Das Verhalten China gegenüber ist für Bolton "eine nationale Sicherheitsdebatte (...). Sie mit Handelsfragen zu verknüpfen verschlechtert unsere Position sowohl im Handel als auch in der nationalen Sicherheit." Trump habe genau das getan. Der Abschluss eines Handelsvertrags mit dem Reich der Mitte habe für ihn absolute Priorität gehabt.
Trumps Annäherungskurs gegenüber Nordkorea habe er abgelehnt. Während der drei Zusammenkünfte von Trump mit dem Diktator Kim Jong-un habe er stets befürchtet, der amerikanische Präsident könne einseitige Zugeständnisse machen.
Auch Trumps nachlässige Position Russland gegenüber sei ihm ein Dorn im Auge gewesen. Wladimir Putin habe genau gewusst, was er wolle. "Ich freute mich nicht darauf, ihn mit Trump allein in einem Raum zu lassen." Der Gipfel der beiden in Helsinki sei nur ein Erfolg für Putin gewesen.
All diese Vorgänge zeigen deutlich die Bruchlinien zwischen dem Präsidenten und seinem Sicherheitsberater. Mehrmals habe er kurz davorgestanden, seinen Rücktritt einzureichen, schreibt Bolton. Das Fass zum Überlaufen gebracht habe der Versuch, die Taliban für die Unterzeichnung eines Friedensvertrags am 8. September 2019 nach Camp David zu bringen. Für Bolton war das undenkbar. Die Taliban hatten Al Qaida Unterschlupf gewährt und unzählige amerikanische Soldaten getötet. Das Treffen wurde kurz vorher abgesagt. Am 9. September 2019 habe der Präsident ihm gegenüber dann Anschuldigungen vorgebracht, die aus Boltons Sicht nicht stimmten. Am nächsten Tag habe er sein Rücktrittsschreiben eingereicht.
Wie so oft in der Geschichte der Trump-Präsidentschaft war das nicht das Ende des Verhältnisses zwischen den beiden Protagonisten. Nur zwei Tage nach Boltons Abschied schrieb Trump auf Twitter, sein früherer Sicherheitsberater habe ihn nur gebremst. In einigen Punkten habe er wesentlich härtere Ansichten gehabt als Bolton. Vollendet wurde der Bruch, als Boltons Buch erschien. Trump bezeichnete seinen vormaligen Sicherheitsberater auf Twitter als "Spinner" und "inkompetent". Das Buch des "verrückten Typen" sei nur eine "Sammlung von Lügen und ausgedachten Geschichten".
Aus Trumps Sicht ist diese harte Reaktion verständlich, zeichnet ihn Bolton - wie schon andere Autoren vor ihm - doch als Amtsinhaber, der keine Ahnung von Außenpolitik habe und sich von Diktatoren wie Kim, Xi und Putin um den Finger wickeln lasse. Er habe nicht gewusst, ob Finnland zu Russland gehöre, und sich überrascht gezeigt, dass Großbritannien über Atomwaffen verfüge. Er habe nie verstanden, wie die Nato funktioniert, dass die Staaten keine Beiträge zum Bündnis zahlen (außer einer Summe für den Betrieb des Hauptquartiers in Brüssel). Trump sei als Präsident chaotisch, habe keinen Plan und keine politischen Vorstellungen. Er brauche "wiederkehrende Gedächtnisstützen", könne sich nicht lange konzentrieren, schweife oft ab, und es sei schwierig, ihm Informationen nahezubringen. In den Briefings höre er nicht zu, sondern halte den Beamten, die ihn informieren sollten, Vorträge. Trump sei erratisch, treffe Entscheidungen aus dem Bauch heraus, oft im Sinne desjenigen, der zuletzt mit ihm gesprochen habe.
Das Einzige, was Trump interessiere, sei seine Wiederwahl. Hierfür schrecke er auch nicht davor zurück, die Macht des Amtes zu nutzen. So habe er Chinas Präsidenten Xi Jinping offen darum gebeten, Einfluss auf die Präsidentenwahl zu nehmen. "Tatsächlich fällt es mir schwer, während meiner Amtszeit eine bedeutende Entscheidung Trumps zu erkennen, die nicht von Kalkulationen bezüglich seiner Wiederwahl getrieben war", schreibt Bolton. Niemals habe Trump eine Trennung zwischen seinen eigenen und den Interessen der Vereinigten Staaten vorgenommen, wobei die Ersteren die wichtigere Rolle spielten. Deshalb wäre es nach Boltons Meinung auch möglich gewesen, Trump des Amtes zu entheben, wenn sich die Demokraten nicht nur auf die Ukraine-Angelegenheit konzentriert hätten.
Doch Bolton gibt auch einiges über sich preis. Und das könnte ihm nicht gefallen. Denn während er über die "intellektuell Faulen" herzieht, übersieht er seine eigenen Fehler, nämlich seinen Hochmut und seinen Opportunismus. Er habe sein Amt angetreten weil er wisse, "was zu tun" sei, schreibt er. Doch schon damals hätte Bolton wissen müssen, worauf er sich einlässt. Sowohl aus den Medien als auch von Trump-Mitarbeitern bekam er immer wieder Einblicke, wie es im Weißen Haus zugeht. Trotzdem hat er das Angebot des Präsidenten angenommen, hat ihm 520 Tage lang zugearbeitet. Wenn ihn die Inkompetenz und das Chaos so enorm gestört hätten, wie er es nun in seinem Buch darstellt, hätte er auch früher gehen können. Oder wenigstens im Amtsenthebungsverfahren des Kongresses aussagen können. Doch das lehnte er ab.
Außerdem wirft er einigen Trump-Beratern den Versuch vor, den Präsidenten zu beeinflussen, wo er doch dasselbe getan hat. Auch die von ihm selbst an den Tag gelegte Ignoranz gegenüber unliebsamen Anweisungen des Präsidenten in der Hoffnung, dieser vergesse sie, wirft er der Bürokratie der Regierung ständig vor. Mit dieser steht er sowieso auf Kriegsfuß, da sie nur alles verzögere. Besonders schlimm seien die Diplomaten im Außenministerium, die immer verhandeln wollten, beschwert er sich. Bolton ist hingegen ein traditioneller außenpolitischer Falke, der Amerikas Sicherheitsinteressen, wie er sie sieht, überall auf der Welt verteidigen will.
Bolton hat mit "Der Raum, in dem alles geschah" - das auf seinen umfangreichen Notizen seiner Zeit im Weißen Haus beruhen soll - einen Einblick in die Trump-Regierung und sein eigenes Denken geliefert. Zwar ist vieles davon kaum überraschend, da schon oft geschrieben, doch liefert er einige Steine im Mosaik der Trump-Präsidentschaft. Hätte er sich an sein eigenes Credo gehalten, nichts Überflüssiges zu schreiben, wäre das Buch noch besser geworden. Einen Exkurs beispielsweise, woher der Name eines amerikanischen Kriegsschiffs stammt und warum er ein Bild ebenjenes Schiffes einmal in seiner Universität aufgehängt hat, trägt nichts zum Erkenntnisgewinn bei. Es ist verständlich, dass die deutsche Ausgabe unter Zeitdruck entstanden ist. Vor weniger als zwei Monaten ist das Buch in den Vereinigten Staaten erschienen, und nach der Präsidentenwahl im November wird sich kaum noch jemand dafür interessieren. Doch auf die Übersetzung hätte noch ein größeres Augenmerk gelegt werden sollen. John Kelly war kein "General der Marine", sondern der Marines - ganz davon abgesehen, dass die Generäle in der Marine Admiräle heißen. Auch mag die englische "Resignation" durchaus etwas mit Resignation zu tun haben, heißt aber in diesem Fall auf Deutsch einfach Rücktritt. Solche kleinen Fehler reißen leider ab und an aus dem Lesefluss.
OLIVER KÜHN
John Bolton: Der Raum, in dem alles geschah. Aufzeichnungen des ehemaligen Sicherheitsberaters im Weißen Haus.
Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2020. 640 S., 28,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Abrechnung John Boltons mit dem Regierungsstil von Donald Trump
Siebzehn Monate lang war John Bolton der 27. Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten von Amerika. Vom 9. April 2018 bis zum 10. September des folgenden Jahres erlebte er in dieser Funktion, wie in Donald Trumps Regierung Entscheidungen getroffen werden, sah, wie chaotisch und planlos der Präsident oft vorging. Doch siebzehn Monate lang war Bolton auch daran beteiligt, diese Entscheidungen zu treffen, bereitete Vorlagen für den Präsidenten vor und versuchte ihn in eine bestimmte Richtung zu lenken. Eineinhalb Jahre war Bolton im "Raum, in dem alles geschah". Unter diesem Titel hat Bolton nun auf fast 600 Seiten seinen Bericht über diese Zeit vorgelegt. Es ist eine Abrechnung mit dem mächtigsten Mann der Welt.
Es ist aber auch die Geschichte einer Desillusionierung. Anfangs begrüßte Bolton den Wahlsieg des republikanischen Kandidaten über Hillary Clinton. Für den 71 Jahre alten Bolton wäre eine Quasi-Fortführung der Obama-Regierung - eine Zeit, die er eher erlitten als erlebt hat - wohl nur schwer zu ertragen gewesen. Für dessen Außenpolitik hat Bolton nur Verachtung übrig. Sowohl das "elende Atomabkommen" mit Iran als auch das Pariser Klimaabkommen sieht er als schädlich für Amerikas Interessen an. Und Obamas New-Start-Abkommen sei "eine Katastrophe". Damit liegt er vollkommen auf der Linie des Präsidenten.
Bolton diente der neuen Administration nach Trumps Wahlsieg im November 2016 seine Dienste als Außenminister an. Als früherer stellvertretender Außenminister und Botschafter bei den Vereinten Nationen hätte das durchaus im Bereich des Möglichen gelegen, doch die Entscheidung fiel gegen ihn. Auch wenn er sich nicht habe anbiedern wollen, wie er schreibt, blieb er doch im Dunstkreis der Regierung. Immer wieder ließ er dieser seinen Rat zukommen - mal auf Twitter, mal im Fernsehsender Fox News -, traf sich mit Trump und dessen Beratern, um seine außen- und sicherheitspolitischen Ansichten weiterzugeben. Als sich Trump mit dem damaligen Amtsinhaber H. R. McMaster überwarf, schlug Boltons Stunde. Im April 2018 wurde er Trumps dritter Sicherheitsberater.
Bolton beschreibt, dass er Trump nun seine eigenen Ziele angepriesen, der aber immer wieder nicht auf ihn gehört habe. Amerika müsse auf iranische Angriffe im Persischen Golf und Abschüsse amerikanischer Drohnen "unverhältnismäßig" antworten, um das Abschreckungspotential aufrechtzuerhalten, habe er dem Präsidenten geraten. Trump habe einen geplanten Angriff jedoch kurz vor der Durchführung abgesagt.
Das Verhalten China gegenüber ist für Bolton "eine nationale Sicherheitsdebatte (...). Sie mit Handelsfragen zu verknüpfen verschlechtert unsere Position sowohl im Handel als auch in der nationalen Sicherheit." Trump habe genau das getan. Der Abschluss eines Handelsvertrags mit dem Reich der Mitte habe für ihn absolute Priorität gehabt.
Trumps Annäherungskurs gegenüber Nordkorea habe er abgelehnt. Während der drei Zusammenkünfte von Trump mit dem Diktator Kim Jong-un habe er stets befürchtet, der amerikanische Präsident könne einseitige Zugeständnisse machen.
Auch Trumps nachlässige Position Russland gegenüber sei ihm ein Dorn im Auge gewesen. Wladimir Putin habe genau gewusst, was er wolle. "Ich freute mich nicht darauf, ihn mit Trump allein in einem Raum zu lassen." Der Gipfel der beiden in Helsinki sei nur ein Erfolg für Putin gewesen.
All diese Vorgänge zeigen deutlich die Bruchlinien zwischen dem Präsidenten und seinem Sicherheitsberater. Mehrmals habe er kurz davorgestanden, seinen Rücktritt einzureichen, schreibt Bolton. Das Fass zum Überlaufen gebracht habe der Versuch, die Taliban für die Unterzeichnung eines Friedensvertrags am 8. September 2019 nach Camp David zu bringen. Für Bolton war das undenkbar. Die Taliban hatten Al Qaida Unterschlupf gewährt und unzählige amerikanische Soldaten getötet. Das Treffen wurde kurz vorher abgesagt. Am 9. September 2019 habe der Präsident ihm gegenüber dann Anschuldigungen vorgebracht, die aus Boltons Sicht nicht stimmten. Am nächsten Tag habe er sein Rücktrittsschreiben eingereicht.
Wie so oft in der Geschichte der Trump-Präsidentschaft war das nicht das Ende des Verhältnisses zwischen den beiden Protagonisten. Nur zwei Tage nach Boltons Abschied schrieb Trump auf Twitter, sein früherer Sicherheitsberater habe ihn nur gebremst. In einigen Punkten habe er wesentlich härtere Ansichten gehabt als Bolton. Vollendet wurde der Bruch, als Boltons Buch erschien. Trump bezeichnete seinen vormaligen Sicherheitsberater auf Twitter als "Spinner" und "inkompetent". Das Buch des "verrückten Typen" sei nur eine "Sammlung von Lügen und ausgedachten Geschichten".
Aus Trumps Sicht ist diese harte Reaktion verständlich, zeichnet ihn Bolton - wie schon andere Autoren vor ihm - doch als Amtsinhaber, der keine Ahnung von Außenpolitik habe und sich von Diktatoren wie Kim, Xi und Putin um den Finger wickeln lasse. Er habe nicht gewusst, ob Finnland zu Russland gehöre, und sich überrascht gezeigt, dass Großbritannien über Atomwaffen verfüge. Er habe nie verstanden, wie die Nato funktioniert, dass die Staaten keine Beiträge zum Bündnis zahlen (außer einer Summe für den Betrieb des Hauptquartiers in Brüssel). Trump sei als Präsident chaotisch, habe keinen Plan und keine politischen Vorstellungen. Er brauche "wiederkehrende Gedächtnisstützen", könne sich nicht lange konzentrieren, schweife oft ab, und es sei schwierig, ihm Informationen nahezubringen. In den Briefings höre er nicht zu, sondern halte den Beamten, die ihn informieren sollten, Vorträge. Trump sei erratisch, treffe Entscheidungen aus dem Bauch heraus, oft im Sinne desjenigen, der zuletzt mit ihm gesprochen habe.
Das Einzige, was Trump interessiere, sei seine Wiederwahl. Hierfür schrecke er auch nicht davor zurück, die Macht des Amtes zu nutzen. So habe er Chinas Präsidenten Xi Jinping offen darum gebeten, Einfluss auf die Präsidentenwahl zu nehmen. "Tatsächlich fällt es mir schwer, während meiner Amtszeit eine bedeutende Entscheidung Trumps zu erkennen, die nicht von Kalkulationen bezüglich seiner Wiederwahl getrieben war", schreibt Bolton. Niemals habe Trump eine Trennung zwischen seinen eigenen und den Interessen der Vereinigten Staaten vorgenommen, wobei die Ersteren die wichtigere Rolle spielten. Deshalb wäre es nach Boltons Meinung auch möglich gewesen, Trump des Amtes zu entheben, wenn sich die Demokraten nicht nur auf die Ukraine-Angelegenheit konzentriert hätten.
Doch Bolton gibt auch einiges über sich preis. Und das könnte ihm nicht gefallen. Denn während er über die "intellektuell Faulen" herzieht, übersieht er seine eigenen Fehler, nämlich seinen Hochmut und seinen Opportunismus. Er habe sein Amt angetreten weil er wisse, "was zu tun" sei, schreibt er. Doch schon damals hätte Bolton wissen müssen, worauf er sich einlässt. Sowohl aus den Medien als auch von Trump-Mitarbeitern bekam er immer wieder Einblicke, wie es im Weißen Haus zugeht. Trotzdem hat er das Angebot des Präsidenten angenommen, hat ihm 520 Tage lang zugearbeitet. Wenn ihn die Inkompetenz und das Chaos so enorm gestört hätten, wie er es nun in seinem Buch darstellt, hätte er auch früher gehen können. Oder wenigstens im Amtsenthebungsverfahren des Kongresses aussagen können. Doch das lehnte er ab.
Außerdem wirft er einigen Trump-Beratern den Versuch vor, den Präsidenten zu beeinflussen, wo er doch dasselbe getan hat. Auch die von ihm selbst an den Tag gelegte Ignoranz gegenüber unliebsamen Anweisungen des Präsidenten in der Hoffnung, dieser vergesse sie, wirft er der Bürokratie der Regierung ständig vor. Mit dieser steht er sowieso auf Kriegsfuß, da sie nur alles verzögere. Besonders schlimm seien die Diplomaten im Außenministerium, die immer verhandeln wollten, beschwert er sich. Bolton ist hingegen ein traditioneller außenpolitischer Falke, der Amerikas Sicherheitsinteressen, wie er sie sieht, überall auf der Welt verteidigen will.
Bolton hat mit "Der Raum, in dem alles geschah" - das auf seinen umfangreichen Notizen seiner Zeit im Weißen Haus beruhen soll - einen Einblick in die Trump-Regierung und sein eigenes Denken geliefert. Zwar ist vieles davon kaum überraschend, da schon oft geschrieben, doch liefert er einige Steine im Mosaik der Trump-Präsidentschaft. Hätte er sich an sein eigenes Credo gehalten, nichts Überflüssiges zu schreiben, wäre das Buch noch besser geworden. Einen Exkurs beispielsweise, woher der Name eines amerikanischen Kriegsschiffs stammt und warum er ein Bild ebenjenes Schiffes einmal in seiner Universität aufgehängt hat, trägt nichts zum Erkenntnisgewinn bei. Es ist verständlich, dass die deutsche Ausgabe unter Zeitdruck entstanden ist. Vor weniger als zwei Monaten ist das Buch in den Vereinigten Staaten erschienen, und nach der Präsidentenwahl im November wird sich kaum noch jemand dafür interessieren. Doch auf die Übersetzung hätte noch ein größeres Augenmerk gelegt werden sollen. John Kelly war kein "General der Marine", sondern der Marines - ganz davon abgesehen, dass die Generäle in der Marine Admiräle heißen. Auch mag die englische "Resignation" durchaus etwas mit Resignation zu tun haben, heißt aber in diesem Fall auf Deutsch einfach Rücktritt. Solche kleinen Fehler reißen leider ab und an aus dem Lesefluss.
OLIVER KÜHN
John Bolton: Der Raum, in dem alles geschah. Aufzeichnungen des ehemaligen Sicherheitsberaters im Weißen Haus.
Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2020. 640 S., 28,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.08.2020Besserwisser vs.
Besserwisser
John Boltons Anklagekonvolut erscheint auf Deutsch
Ein Ausdruck beschreibt dieses Buch am besten: Es erregt Ärger. Viele Leser wird es ärgern und auch entsetzen, was John Bolton 17 Monate lang als Sicherheitsberater von Donald Trump erlebt hat. Er war dabei, als der US-Präsident in Brüssel drohte, die Nato zu verlassen, sich von Russlands Präsident Wladimir Putin in Helsinki vorführen ließ und mit Tweets auf sein Ziel, ein „historisches“ Abkommen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un abzuschließen, hinarbeitete. Bolton, der bereits für die Präsidenten Ronald Reagan, George H. W. Bush sowie dessen Sohn arbeitete, wusste früh vom Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij, in dem Trump die Zahlung von Hilfsgeldern an Kiew an Ermittlungen gegen den Demokraten Joe Biden und dessen Sohn Hunter knüpfte. Für Bolton ist dies „schlicht und einfach Amtsmissbrauch“ und ein weiterer Beleg, dass unter Trump „die Behinderung der Justiz als Lebensstil vollzogen wurde“. Als er realisiert, seinen Chef nicht zu Hardliner-Positionen gegenüber Iran oder Nordkorea bewegen zu können, kündigt er. Dass Trump hingegen behauptet, er habe Bolton gefeuert, passt zum Charakter der beiden: Sie sind Besserwisser, denen Selbstzweifel fernliegen und deren Selbstbewusstsein grenzenlos ist.
Hierin liegt das zweite Ärgernis: Bolton gibt auf mehr als 600 Seiten unzählige Sitzungen wieder, über deren Inhalt er genaue Notizen anfertigte. Anfangs ist es faszinierend, wenn jene Indiskretionen auftauchen, über die schon bei Erscheinen des Buchs berichtet wurde: US-Außenminister Mike Pompeo nennt Trump „so voller Mist“; dieser findet die EU „schlimmer als China, obwohl sie kleiner ist“ und für Bolton ist Rudy Giuliani eine „Handgranate, die alle in die Luft jagen wird“. Aber nach 190 Seiten wird die Lektüre ermüdend, denn für Bolton ließe sich jedes Problem lösen, wenn alle seinem Rat folgen würden.
Das letzte Ärgernis: Seit zwei Monaten sind die Belege für Faulheit, Inkompetenz und Skandale (Trump forderte Chinas Präsident Xi Jinping auf, mehr Agrarprodukte zu kaufen, um seine Wiederwahl zu sichern) bekannt, doch die Republikaner im Kongress ignorieren sie. Die im Juni formulierte Hoffnung der Washington Post, die Anklage des konservativen Bolton werde „der K.o.-Schlag“ für Trump sein, hat sich nicht erfüllt. Treffender das Urteil der New York Times, die Bolton vorwarf, „Stil und Erzählstruktur kaum Beachtung“ zu schenken. Wer sich durch das Buch kämpft, versteht das Phänomen Trump nicht besser. Hierfür ist Torben Lütjens Werk „Amerika im kalten Bürgerkrieg“ (WbG/Theiss), das in der Süddeutschen Zeitung vom 8. Juni besprochen wurde, die bessere Wahl.
MATTHIAS KOLB
John Bolton: Der Raum, in dem alles geschah. Aufzeichnungen des ehemaligen Sicherheitsberaters im Weißen Haus. Aus dem Amerikanischen von Shaya Zarrin, Patrick Baumgärtel u. a. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2020. 640 Seiten, 28 Euro. E-Book: 18 Euro (erscheint am 14. August)
Wer hat den Durchblick? Bis September 2019 war John Bolton (rechts) Nationaler Sicherheitsberater von Donald Trump.
Foto: BRENDAN SMIALOWSKI / AFP
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Besserwisser
John Boltons Anklagekonvolut erscheint auf Deutsch
Ein Ausdruck beschreibt dieses Buch am besten: Es erregt Ärger. Viele Leser wird es ärgern und auch entsetzen, was John Bolton 17 Monate lang als Sicherheitsberater von Donald Trump erlebt hat. Er war dabei, als der US-Präsident in Brüssel drohte, die Nato zu verlassen, sich von Russlands Präsident Wladimir Putin in Helsinki vorführen ließ und mit Tweets auf sein Ziel, ein „historisches“ Abkommen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un abzuschließen, hinarbeitete. Bolton, der bereits für die Präsidenten Ronald Reagan, George H. W. Bush sowie dessen Sohn arbeitete, wusste früh vom Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij, in dem Trump die Zahlung von Hilfsgeldern an Kiew an Ermittlungen gegen den Demokraten Joe Biden und dessen Sohn Hunter knüpfte. Für Bolton ist dies „schlicht und einfach Amtsmissbrauch“ und ein weiterer Beleg, dass unter Trump „die Behinderung der Justiz als Lebensstil vollzogen wurde“. Als er realisiert, seinen Chef nicht zu Hardliner-Positionen gegenüber Iran oder Nordkorea bewegen zu können, kündigt er. Dass Trump hingegen behauptet, er habe Bolton gefeuert, passt zum Charakter der beiden: Sie sind Besserwisser, denen Selbstzweifel fernliegen und deren Selbstbewusstsein grenzenlos ist.
Hierin liegt das zweite Ärgernis: Bolton gibt auf mehr als 600 Seiten unzählige Sitzungen wieder, über deren Inhalt er genaue Notizen anfertigte. Anfangs ist es faszinierend, wenn jene Indiskretionen auftauchen, über die schon bei Erscheinen des Buchs berichtet wurde: US-Außenminister Mike Pompeo nennt Trump „so voller Mist“; dieser findet die EU „schlimmer als China, obwohl sie kleiner ist“ und für Bolton ist Rudy Giuliani eine „Handgranate, die alle in die Luft jagen wird“. Aber nach 190 Seiten wird die Lektüre ermüdend, denn für Bolton ließe sich jedes Problem lösen, wenn alle seinem Rat folgen würden.
Das letzte Ärgernis: Seit zwei Monaten sind die Belege für Faulheit, Inkompetenz und Skandale (Trump forderte Chinas Präsident Xi Jinping auf, mehr Agrarprodukte zu kaufen, um seine Wiederwahl zu sichern) bekannt, doch die Republikaner im Kongress ignorieren sie. Die im Juni formulierte Hoffnung der Washington Post, die Anklage des konservativen Bolton werde „der K.o.-Schlag“ für Trump sein, hat sich nicht erfüllt. Treffender das Urteil der New York Times, die Bolton vorwarf, „Stil und Erzählstruktur kaum Beachtung“ zu schenken. Wer sich durch das Buch kämpft, versteht das Phänomen Trump nicht besser. Hierfür ist Torben Lütjens Werk „Amerika im kalten Bürgerkrieg“ (WbG/Theiss), das in der Süddeutschen Zeitung vom 8. Juni besprochen wurde, die bessere Wahl.
MATTHIAS KOLB
John Bolton: Der Raum, in dem alles geschah. Aufzeichnungen des ehemaligen Sicherheitsberaters im Weißen Haus. Aus dem Amerikanischen von Shaya Zarrin, Patrick Baumgärtel u. a. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2020. 640 Seiten, 28 Euro. E-Book: 18 Euro (erscheint am 14. August)
Wer hat den Durchblick? Bis September 2019 war John Bolton (rechts) Nationaler Sicherheitsberater von Donald Trump.
Foto: BRENDAN SMIALOWSKI / AFP
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de