Nichts ist mehr wie früher: Zwar ist der Faschismus vorbei, die alte bürgerliche Ordnung aber aus den Fugen geraten. Was soll Edgardo nur tun, um seine Handlungsunfähigkeit zu überwinden? Sehr früh am Morgen steht Edgardo auf, um zur Jagd zu gehen, auch wenn es dafür eigentlich zu kalt ist. Aber irgendetwas muss er ja tun. Seine Frau langweilt ihn, sein Töchterchen versetzt ihn in Hilflosigkeit, seine Landarbeiter proben den Aufstand, mit seinem Neffen, der sich den Faschisten angeschlossen hatte, ist er auseinander gekommen. Als er nach vielen Hindernissen endlich doch am Ziel anlangt und auf einen Reiher schießt, wird er das Gefühl nicht los, er schieße gewissermaßen auf sich selbst. Ein großartiger Roman über die Unfähigkeit, mit einer veränderten Welt zurechtzukommen.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Fast atemlos hat dieser kurze Roman Rezensent Dieter Hildebrandt gemacht. Oberflächlich betrachtet sei es die Geschichte eines Jagdausflugs, bei dem ein roter Reiher geschossen werde. Tatsächlich jedoch beschreibe die Geschichte die letzten Tage im Leben seines jüdischen Protagonisten im postfaschistischen Ferrara und es dauert eine Weile, bis dem Rezensenten die ganze Tragweite dieses beklemmenden Protokolls aufgegangen ist. Bis sich die Schatten der Vergangenheit, die er zwischen den präsentierten Daten und Details langsam hervor wachsen sieht, nachtschwarz und todtraurig auf ihn legen. Und auch sonst beeindruckt Giorgio Bassani mit der Meisterschaft, mit der er seine minutiös beschriebenen realistischen Oberflächen zu Sumpfgeländen verdrängter Wahrheiten macht, was nicht nur beim sterbenden Protagonisten eine Art "existenziellen Brechreiz" verursacht.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH