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Eine poetische Natur- und Kulturgeschichte über den Rhein und die Seele einer Landschaft. Der Rhein entsprang einst an seiner heutigen Mitte, wo in einem tropischen Meer Seekühe lebten. Er schuf sich sein Bett stromauf und besitzt eine erstaunliche Geologie. Noch heute leben hier die ältesten Lebewesen Europas. Gleichzeitig ist der Rhein durchgehend geprägt durch Eingriffe des Menschen. Kein anderer Fluss versammelt so viele Widersprüche in sich - Grenze, Verkehrsweg, Fluchtroute und Lebensader. Hans Jürgen Balmes nimmt uns mit auf eine Reise entlang des Flusses. Wir begegnen Menschen, die wie…mehr

Produktbeschreibung
Eine poetische Natur- und Kulturgeschichte über den Rhein und die Seele einer Landschaft.
Der Rhein entsprang einst an seiner heutigen Mitte, wo in einem tropischen Meer Seekühe lebten. Er schuf sich sein Bett stromauf und besitzt eine erstaunliche Geologie. Noch heute leben hier die ältesten Lebewesen Europas. Gleichzeitig ist der Rhein durchgehend geprägt durch Eingriffe des Menschen. Kein anderer Fluss versammelt so viele Widersprüche in sich - Grenze, Verkehrsweg, Fluchtroute und Lebensader.
Hans Jürgen Balmes nimmt uns mit auf eine Reise entlang des Flusses. Wir begegnen Menschen, die wie William Turner den Rhein zu ihrer Sehnsucht und Lebensaufgabe machten. Wir sehen Wälder und Tiere, die in traumhaften Naturbetrachtungen und meditativen Bildern gegenwärtig werden. Ein Buch über den Rhein, der uns mit dem unerschöpflichen Fließen seiner Geschichten gefangen nimmt wie mit seiner Stille. Nature Writing at its best!
»Flüsse können mehr erzählen als Berge, Landschaften und Städte. Es braucht nur einen klugen und kundigen Erzähler wie Hans Jürgen Balmes, der die Geschichten des Flusses, das Trippeln der Bachstelzen und das Geklingel der Weiss-Erlen in einem herrlichen Buch festhält.«
Michael Krüger

Mit farbigem Bildteil, Karten und Zeichnungen
Autorenporträt
Hans Jürgen Balmes, 1958 in Koblenz geboren, ist Lektor und Übersetzer. Für 'Mare' schrieb er über die 'Quellen der Meere'. Porträts und Aufsätze schienen u. a. in der 'Neuen Zürcher Zeitung' und der 'Süddeutschen Zeitung'. Aus dem Englischen übersetzte er John Berger, Barry Lopez sowie Gedichte von Robert Hass, W. S. Merwin, Martine Bellen und Warsan Shire. 
Rezensionen
Das ultimative Buch über den Rhein Lotar Schüler 3sat (Kulturzeit) 20220908

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2021

Geschichten am Strom

Von den Quellen bis zur Mündung: Zwei Bücher gehen dem Rhein auf den Grund und finden viel mehr als Romantik.

Von Ursula Scheer

Diesen Strom, wer wollte ihn fassen? Von den Alpen bis in die Nordsee zieht er seit Urzeiten in immer neuen Gestalten seine Bahnen und formt die Landschaft wie die Menschen an den Ufern. Naturgewalt und Kulturträger, Lebensader und Grenzfluss, Wasserstraße und romantischer Mythos: Der Rhein lässt sich nicht festlegen, jedes seiner Hochwasser - oder nun häufigeren Niedrigwasser - spottet der Form, die ihm seit der Industrialisierung aufgezwungen wurde. Versteinerte Muscheln auf von ihm geteilten Höhen lassen wissen: Wo Land ist, kann Wasser werden und umgekehrt. Alles fließt. Der von Römerstädten und Burgruinen gesäumte Fluss selbst ist die Konstante, immer gleich, immer anders - und hört als Vielbesungener, Oftbeschriebener nicht auf, mitzureißen oder in seinen Bann zu schlagen. Dazu braucht er keine Loreley.

Nicht weit entfernt von der engsten Stelle des schiffbaren Rheins, wo Clemens Brentano und Heinrich Heine auf einem steil zum nassen Gewirbel abfallenden Felsvorsprung die berüchtigte Holde mit dem Kamm im Haar platzierten, ist Hans Jürgen Balmes geboren: in Koblenz, am Zusammenfluss von Rhein und Mosel. So umarmt von Fließgewässern ist er ein echter Anrainer, der sich eine fast megalomanische Aufgabe gestellt hat. "Die Biographie eines Flusses" lautet der Untertitel seines umfangreichen Bandes "Der Rhein". Er ist vieles zugleich - naturkundliche Reportage, historische Erzählung, persönlicher Reisebericht -, im Grunde aber ein langer Liebesbrief des Autors an den Fluss seines Lebens. Angesichts der 1036,20 rheinischen Stromkilometer allein von Konstanz bis Hoek van Holland könnte das kongenial sein. Wo auch haltmachen bei dem gewaltigen Geschiebe, dass dieser Strom mit sich führt?

Balmes, Lektor und Übersetzer, hat den Rheinlauf erwandert, bereist oder im Faltboot befahren. Grundlage seiner Flussbiographie ist kein systematisches Erkunden, sondern ein Erleben, in dem sich Vergangenes und Gegenwärtiges mischen. Aus der Mitte entspringt ein Fluss: Balmes beginnt auf halber Strecke, am "Binger Loch", wo der Oberrhein sich verengt und ins Mittelrheintal presst, hinweg über ein quer liegendes Riff, in das erst vor nicht allzu langer Zeit eine immer größere Lücke gesprengt wurde - mit weitreichenden Folgen. Aus der Naturbetrachtung entfaltet Balmes die Geschichte der Schiffbarmachung und gräbt sogleich den Brunnen der Vergangenheit, bis es nicht mehr tiefer geht: Absinkendes Gelände in dieser Gegend hat vor Jahrmillionen zur Bildung des Ur-Rheins geführt, der durch Rückwärtserosion seinen heutigen Quellen entgegenwuchs. Ein Abstecher zur Grube Messel gerät zur Zeitreise an die Ursprünge. Das anschließende, am alpinen Hinterrhein verortete Kapitel wird zur doppelten Quellensuche: Schalen im Fels offenbaren die räumliche wie zeitliche Selbstverortung der Steinzeitmenschen. Am Rheinfall von Schaffhausen tritt William Turner ins Bild, der die stürzenden Wassermassen Anfang des neunzehnten Jahrhunderts festhielt und auf seinen Rheinreisen die wohl schönsten Aquarellansichten des Mittelrheins schuf. Balmes folgt ihm Hunderte Kilometer stromabwärts und ist nach einem Drittel seines Buches zurück am Ausgangspunkt. Ein erster Kreis geschlossen, gelegt aus einander überlagernden Zeitebenen.

Dieses assoziative Ausgreifen lässt die Vieldimensionalität des Flusses als Natur- und Kulturraum aufscheinen: Balmes führt Eiszeitmenschen und Regenpfeifer zusammen, berichtet von der Sandoz-Katastrophe und den Schicksalen am Ende des Zweiten Weltkriegs, weiß von Vulkanen, Preußen, Römern, Schleppschiffern, Winzern und Dichtern, steigt in Speyers mittelalterliche Mikwe hinab und klettert auf die Düne im Mündungsgebiet mit Blick aufs Meer. Zuweilen verliert der Autor sich in seinen literarisch stilisierten, melancholisch angehauchten Naherfahrungen, von denen aus er weite Erzählbögen spannen will. Er ist nicht Dieter Kühn. Ein mutigeres Lektorat hätte den einen oder anderen Durchstich nach dem Vorbild des Rheinbegradigers Tulla gewagt, um Schleifen abzuschneiden. Die narrative Fließgeschwindigkeit ist die in einer Aue. Für alle, die den Rhein kennen, lässt sich hier beim Eintauchen gleichwohl viel Neues entdecken; für jene, die ihn bereisen wollen, ist die Fülle der Inspirationen enorm.

Gleiches gilt für Karl-Heinz Götterts "Der Rhein. Eine literarische Reise". Göttert, ein weiterer gebürtiger Koblenzer, der als inzwischen emeritierter Germanistik-Professor der Kölner Universität nicht vom Fluss weggekommen ist, hat nur auf den ersten Blick eine topographisch sauber gegliederte Literaturgeschichte verfasst: vom Alpenrhein über den Oberrhein an den Mittelrhein zum Niederrhein ins Delta. Quasi im Vorbeifahren an Städten erzählt der Autor, was sich schriftstellerisch dort zugetragen hat.

Zeit und Raum bei einem so liquiden Gegenstand jedoch sind nicht über eins zu bringen: Martin Walser, Annette von Droste-Hülshoff und Oswald von Wolkenstein sind mit dem Bodensee verbunden, Erasmus von Rotterdam war in Basel und Straßburg, die Rheinromantik blühte, die "Wacht am Rhein" donnerte an vielen Orten. Und dann sind da noch die unvermeidlichen Nibelungen (Speyer, Worms, Königswinter, Xanten) und die Erfolgsstory mit der Loreley. Was Göttert im Vorwort als Schwierigkeit beschreibt, ist ein Glück: Statt akademisch wirkt sein Buch zugänglich, ein Schmöker, den man an beliebiger Stelle aufschlagen kann.

Die Kapitel des Bands tragen Ortsnamen. Nehmen wir statt literarischer Hotspots wie Mainz mit Umland (Gutenberg, Carl Zuckmayer, Anna Seghers) und Köln (Albertus Magnus, Petrarca, Friedrich Schlegel, Heinrich Böll und so fort) eine Stadt wie Moers. Von dort stammte der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch und sagte: "Alles, was ich bin, ist niederrheinisch." Um zu ergänzen: "Niederrhein ist für mich wirklich keine Landschaft, für mich ist das eine verschleppte Erkältung." So etwas darf man nur äußern, wenn man von dort kommt: "Sag ma nix."

An einem Ort wie Winkel im Rheingau ist die Tonlage eine andere: Hier nahm sich Karoline von Günderrode das Leben, was Christa Wolff in "Kein Ort. Nirgends" literarisierte, und schrieb Bettina Brentano, das in Goethe verschossene Kind, an den Dichterfürsten - ein Anlass, das Brentano-Haus in Oestrich-Winkel zu besuchen oder im nahen Eltville dem Schaumwein zuzusprechen, dem Thomas Manns Hochstapler Felix Krull entstiegen ist. Göttert referiert pointiert und zitiert sparsam. Sein Buch führt eher zu anderen Büchern als an den Flusslauf, den er als Durchzugsgebiet der Dichter, Ideen und Ideologien, als Resonanzraum der Sprachen, Dialekte und Schriften umreißt, deutsch und europäisch zugleich. Was angesichts der unermesslichen Fülle des Materials besticht, ist Götterts Mut zur Lücke.

Hans Jürgen Balmes: "Der Rhein". Biographie eines Flusses.

S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021. 560 S., Abb., geb., 28,- Euro.

Karl-Heinz Göttert: "Der Rhein". Eine literarische Reise.

Reclam Verlag, Ditzingen 2021. 349 S., Abb., geb., 32,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Ursula Scheer bereist mit Hans Jürgen Balmes den Rhein. Balmes kennt seine Geburtslandschaft gut, versichert die Rezensentin. Zugleich liegt hier die Ursache für eine leichte Irritation der Rezensentin. So anregend und kenntnisreich der Autor nämlich Assoziationsketten knüpfen kann und vom Regenpfeifer über Vulkane und Römer und die Geschichte der Schiffbarmachung zur Eiszeit findet, so sehr verliert er sich bisweilen im Gestrüpp seiner "melancholisch angehauchten Naherfahrungen", verrät Scheer. Viel Neues und Bedenkenswertes entdeckt sie beim Lesen gleichwohl.

© Perlentaucher Medien GmbH
Rezensent Florian Balke möchte gleich losfahren, um die Orte am Rhein zu besuchen, die der in Koblenz geborene Hans Jürgen Balmes in seinem Buch vorstellt. Dass der Autor weniger den romantischen Strom als den Alltagsrhein im Blick hat, den Leser über Sedimente und Müll, Flusskehren, Fische und Vögel informiert, dabei Geologie, Biologie und Ideengeschichtliches verhandelt, gefällt Balke gut. Genau, trocken, doch immer wieder überraschend vermittelt ihm der Autor seine Liebe für und seine Sorge um den Fluss.

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