Wir eröffnen den BÜCHERGILDE BILDERBOGEN -extra- mit Richard Wagners Opus magnum Der Ring des Nibelungen. Der Illustrator Martin Stark wagt das scheinbar Unmögliche - in seinem typischen expressionistischen Stil inszeniert er den Opernzyklus auf überwältigende Art.4+1 Bilderbogen, beidseitig zweifarbig bedruckt: Das Rheingold, Format 48 x 66 cmDie Walküre, Format 66 x 48 cmSiegfried, Format 67 x 72 cmGötterdämmerung, Format 96 x 67 cmDer Stammbaum, Format 48 x 66 cmim festen goldbezogenen Schuber (24 x 33,2 x 2,5 cm)
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensentin Judith von Sternburg bewundert das "Papiertheater" des Künstlers Martin Stark. Der gesamte "Ring" als Bilderbogen, das scheint ihr nicht nur zeitgemäß, sondern auch faszinierend. Dass bei aller Dichte wirklich nichts verloren geht, erstaunt Sternburg zuvorderst. Dann scheinen ihr Starks "glasklare" Piktogramm-"Wimmelbilder" aber auch wirklich passend zum Leitmotivischen. Das ist spannend zu verfolgen, Kenntnis der Oper vorausgesetzt, meint sie, und durchdacht bis ins Kleinste. Auch wenn die Bühne unersetzlich ist, vielfältig und frei - so geht es auch, findet Sternburg.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.2021Verrückter als gedacht
Bayreuth für zu Hause: Der Offenbacher Illustrator Martin Stark hat sich nach Heinrich Mann und Mary Shelley für die Büchergilde an Wagners "Ring" gemacht. Dafür hat er den European Design Award bekommen.
Von Eugen El
"Ein Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend": Richard Wagners Opernzyklus "Der Ring des Nibelungen" verlangt den Zuschauern seit seiner Bayreuther Uraufführung im Jahr 1876 Ausdauer und Hingabe ab. Diese Tugenden kamen auch Martin Stark zugute, als er sich im vergangenen Jahr dem "Ring" widmete. Schnelligkeit kam hinzu: Innerhalb von nur drei Monaten goss der Offenbacher Illustrator Wagners Tetralogie in eine bisher noch nicht da gewesene Form: Die Handlung des Opernzyklus entfaltet sich buchstäblich auf vier opulenten Bilderbögen, die, in einem Schuber zusammengefasst und um einen weiteren Bogen ergänzt, von der Büchergilde Gutenberg verlegt wurden.
Für seine grafisch-illustrative Umsetzung des "Rings" wurde Stark vor Kurzem mit dem "European Design Award 2021" in Gold in der Kategorie "Illustration" ausgezeichnet. Die Preisverleihung habe online stattgefunden, berichtet Stark, der in seiner mit Bildern und Büchern gefüllten Wohnung im Offenbacher Nordend auch arbeitet. Aus einer benachbarten Autowerkstatt dringen durch das geöffnete Fenster metallisch anmutende Geräusche. Auf einem Tisch präsentiert Stark einen Stapel zunächst unscheinbar wirkender DIN-A4-Blätter. Die auf Konturen beschränkten Filzstiftzeichnungen sind der Nukleus des Bilderbogenprojekts. Sie zeigen einzelne Figuren und Elemente aus Starks illustrativer Interpretation des "Rings". Er hatte sie zunächst einzeln gezeichnet, dann eingescannt und am Computer bearbeitet, um sie schließlich ebendort zu großen Bilderbögen zu komponieren.
Nun zeigt Martin Stark das preisgekrönte Ergebnis seiner, wie er beteuert, drei Monate lang von morgens bis spätabends geleisteten Arbeit. Im Schuber noch einheitlich, haben die Bögen im entfalteten Zustand unterschiedliche Formate. Am größten fällt die "Götterdämmerung" aus, die in der Breite auf fast einen Meter kommt, gefolgt von "Siegfried". Die "Walküre", das "Rheingold" und das Bonusblatt mit dem Stammbaum der handelnden Figuren sind unterdessen am kompaktesten.
Mit ihrer weitgehenden Fokussierung auf Schwarz und Weiß und der bisweilen gezackt-expressiven Linienführung erinnern die Bilderbögen an Holzschnitte. Hier und dort setzt ein Goldton farbige Akzente. Für Martin Stark ist jeder Bogen wie eine Bühne, auf der sich mehrere Szenen abspielen. Ein goldfarbener "Schicksalsfaden" verbindet die einzelnen Szenen visuell und leitet den Leser. Die Leserichtungen variieren je nach Blatt. Auf der Rückseite der Bögen sind kurze Inhaltsabrisse sowie die vollständigen Libretti abgedruckt. "Es hat Spaß gemacht, für jeden Bogen ein eigenes Konzept zu entwickeln", sagt der 1973 geborene Stark.
Sein Grundkonzept, mehrere Szenen in einer durchgehenden Bildkomposition zu entfalten, beschreibt er als "Comic ohne Panels". Starks Leidenschaft für Illustration und Comics wird nicht nur spürbar, wenn er sich im Gespräch hin und wieder in den Details des aufwendigen Projekts zu verlieren droht. Von den Buch- und Zeitschriftenregalen seines Wohnzimmers, das zugleich sein Atelier ist, grüßen zahlreiche Comicfiguren, von denen ein grimmig dreinblickender Papp-Batman besonders ins Auge fällt.
An Wagners "Ring" musste sich Martin Stark, als er von der Büchergilde mit dem Bilderbogen-Projekt beauftragt wurde, erst einmal herantasten. Er las die Libretti ebenso wie Sekundärliteratur, schaute sich Loriots Ausführungen zum "Ring" an und hat schließlich den gesamten Opernzyklus gehört - über einen Streamingdienst. Beim Arbeiten selbst habe er indes nicht Wagner, sondern "ruhigere Musik" gehört. Er sei, erinnert sich Stark, erst skeptisch gewesen und habe die "Ring"-Geschichte für langweilig gehalten. Sie habe sich aber als hochinteressant herausgestellt - "bunter und verrückter, als ich gedacht hatte". Der "Ring" vereinige Versatzstücke aus diversen Mythen und Sagen und bilde ein "Cross-over" unterschiedlicher Genres, findet Stark. Auch an jüngere Werke wie J. R. R. Tolkiens "Der Herr der Ringe" und die Fernsehserie "Game of Thrones" fühlte er sich erinnert.
Auf sein "Ring"-Projekt blickt er trotz des damit verbundenen Zeitdrucks wohlwollend zurück. "Diesen Bilderbogen auszuprobieren war etwas Besonderes", sagt Stark. Überhaupt sei jedes Projekt eine Überraschung. Es war seine nunmehr dritte Zusammenarbeit mit der Büchergilde. Zuvor hatte Stark Heinrich Manns "Professor Unrat" und Mary Shelleys "Frankenstein" für die traditionsreiche Buchgemeinschaft illustriert. Jetzt probiert er sich erst einmal in einem freien künstlerischen Kontext aus. Er arbeite, berichtet Stark, durch ein Projektstipendium der Hessischen Kulturstiftung unterstützt, an einer gemeinsamen Ausstellung mit dem Frankfurter Künstler Zeljko Vidovic.
Ebenso wie Vidovic trainierte Martin Stark seine zeichnerischen Fähigkeiten an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung (HfG). Seinem Geburts- und Studienort ist Stark aus Überzeugung treu geblieben: "Ich finde es hier sehr angenehm." Offenbach sei "lebendiger als andere Städte". Auch die HfG und die Vielzahl unterschiedlicher Kulturen zählen für ihn zu den Vorzügen der Stadt, die oft unterschätzt wird. Inspiration findet er dort auch, Stark hebt das Klingspor Museum für Buch- und Schriftkunst und das Ledermuseum hervor. Die Nähe zum Main und zur Natur, aber auch zu Frankfurt - "und damit die Nähe zur Ferne" -, diese Mischung scheint zu beflügeln.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bayreuth für zu Hause: Der Offenbacher Illustrator Martin Stark hat sich nach Heinrich Mann und Mary Shelley für die Büchergilde an Wagners "Ring" gemacht. Dafür hat er den European Design Award bekommen.
Von Eugen El
"Ein Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend": Richard Wagners Opernzyklus "Der Ring des Nibelungen" verlangt den Zuschauern seit seiner Bayreuther Uraufführung im Jahr 1876 Ausdauer und Hingabe ab. Diese Tugenden kamen auch Martin Stark zugute, als er sich im vergangenen Jahr dem "Ring" widmete. Schnelligkeit kam hinzu: Innerhalb von nur drei Monaten goss der Offenbacher Illustrator Wagners Tetralogie in eine bisher noch nicht da gewesene Form: Die Handlung des Opernzyklus entfaltet sich buchstäblich auf vier opulenten Bilderbögen, die, in einem Schuber zusammengefasst und um einen weiteren Bogen ergänzt, von der Büchergilde Gutenberg verlegt wurden.
Für seine grafisch-illustrative Umsetzung des "Rings" wurde Stark vor Kurzem mit dem "European Design Award 2021" in Gold in der Kategorie "Illustration" ausgezeichnet. Die Preisverleihung habe online stattgefunden, berichtet Stark, der in seiner mit Bildern und Büchern gefüllten Wohnung im Offenbacher Nordend auch arbeitet. Aus einer benachbarten Autowerkstatt dringen durch das geöffnete Fenster metallisch anmutende Geräusche. Auf einem Tisch präsentiert Stark einen Stapel zunächst unscheinbar wirkender DIN-A4-Blätter. Die auf Konturen beschränkten Filzstiftzeichnungen sind der Nukleus des Bilderbogenprojekts. Sie zeigen einzelne Figuren und Elemente aus Starks illustrativer Interpretation des "Rings". Er hatte sie zunächst einzeln gezeichnet, dann eingescannt und am Computer bearbeitet, um sie schließlich ebendort zu großen Bilderbögen zu komponieren.
Nun zeigt Martin Stark das preisgekrönte Ergebnis seiner, wie er beteuert, drei Monate lang von morgens bis spätabends geleisteten Arbeit. Im Schuber noch einheitlich, haben die Bögen im entfalteten Zustand unterschiedliche Formate. Am größten fällt die "Götterdämmerung" aus, die in der Breite auf fast einen Meter kommt, gefolgt von "Siegfried". Die "Walküre", das "Rheingold" und das Bonusblatt mit dem Stammbaum der handelnden Figuren sind unterdessen am kompaktesten.
Mit ihrer weitgehenden Fokussierung auf Schwarz und Weiß und der bisweilen gezackt-expressiven Linienführung erinnern die Bilderbögen an Holzschnitte. Hier und dort setzt ein Goldton farbige Akzente. Für Martin Stark ist jeder Bogen wie eine Bühne, auf der sich mehrere Szenen abspielen. Ein goldfarbener "Schicksalsfaden" verbindet die einzelnen Szenen visuell und leitet den Leser. Die Leserichtungen variieren je nach Blatt. Auf der Rückseite der Bögen sind kurze Inhaltsabrisse sowie die vollständigen Libretti abgedruckt. "Es hat Spaß gemacht, für jeden Bogen ein eigenes Konzept zu entwickeln", sagt der 1973 geborene Stark.
Sein Grundkonzept, mehrere Szenen in einer durchgehenden Bildkomposition zu entfalten, beschreibt er als "Comic ohne Panels". Starks Leidenschaft für Illustration und Comics wird nicht nur spürbar, wenn er sich im Gespräch hin und wieder in den Details des aufwendigen Projekts zu verlieren droht. Von den Buch- und Zeitschriftenregalen seines Wohnzimmers, das zugleich sein Atelier ist, grüßen zahlreiche Comicfiguren, von denen ein grimmig dreinblickender Papp-Batman besonders ins Auge fällt.
An Wagners "Ring" musste sich Martin Stark, als er von der Büchergilde mit dem Bilderbogen-Projekt beauftragt wurde, erst einmal herantasten. Er las die Libretti ebenso wie Sekundärliteratur, schaute sich Loriots Ausführungen zum "Ring" an und hat schließlich den gesamten Opernzyklus gehört - über einen Streamingdienst. Beim Arbeiten selbst habe er indes nicht Wagner, sondern "ruhigere Musik" gehört. Er sei, erinnert sich Stark, erst skeptisch gewesen und habe die "Ring"-Geschichte für langweilig gehalten. Sie habe sich aber als hochinteressant herausgestellt - "bunter und verrückter, als ich gedacht hatte". Der "Ring" vereinige Versatzstücke aus diversen Mythen und Sagen und bilde ein "Cross-over" unterschiedlicher Genres, findet Stark. Auch an jüngere Werke wie J. R. R. Tolkiens "Der Herr der Ringe" und die Fernsehserie "Game of Thrones" fühlte er sich erinnert.
Auf sein "Ring"-Projekt blickt er trotz des damit verbundenen Zeitdrucks wohlwollend zurück. "Diesen Bilderbogen auszuprobieren war etwas Besonderes", sagt Stark. Überhaupt sei jedes Projekt eine Überraschung. Es war seine nunmehr dritte Zusammenarbeit mit der Büchergilde. Zuvor hatte Stark Heinrich Manns "Professor Unrat" und Mary Shelleys "Frankenstein" für die traditionsreiche Buchgemeinschaft illustriert. Jetzt probiert er sich erst einmal in einem freien künstlerischen Kontext aus. Er arbeite, berichtet Stark, durch ein Projektstipendium der Hessischen Kulturstiftung unterstützt, an einer gemeinsamen Ausstellung mit dem Frankfurter Künstler Zeljko Vidovic.
Ebenso wie Vidovic trainierte Martin Stark seine zeichnerischen Fähigkeiten an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung (HfG). Seinem Geburts- und Studienort ist Stark aus Überzeugung treu geblieben: "Ich finde es hier sehr angenehm." Offenbach sei "lebendiger als andere Städte". Auch die HfG und die Vielzahl unterschiedlicher Kulturen zählen für ihn zu den Vorzügen der Stadt, die oft unterschätzt wird. Inspiration findet er dort auch, Stark hebt das Klingspor Museum für Buch- und Schriftkunst und das Ledermuseum hervor. Die Nähe zum Main und zur Natur, aber auch zu Frankfurt - "und damit die Nähe zur Ferne" -, diese Mischung scheint zu beflügeln.
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